Kapitel 16

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Sicht von Anissa...

Ich laufe den Flur hinab. Über einem Arm habe ich meine Jacke hängen, wobei mir das Gewicht dieser noch nie so aufgefallen ist wie zu den Zeitpunkt, und in meiner freien Hand halte ich meine Schuhe, in denen ich nicht mehr laufen kann nach dem Abend. Der Abend, der so anders verlaufen ist, als er sollte...

Ich war bei dem Event, wo ich mit meiner Band ausgezeichnet wurde und anstatt mit denen zu feiern oder einfach in Ruhe im Hotel mit meinen Eltern zu telefonieren, spreche ich mit einem mir fremden Mann, fahre mit dem zusammen zurück ins Hotel und lande dann auch noch mit dem im Bett! Der Abend ist überhaupt nicht so verlaufen, wie er sollte! Aber...das, was ich eben noch zu ihm gesagt hatte, war die Wahrheit. Ich fand den Abend mit ihm wunderschön und um ehrlich zu sein...ich will nichts von all dem rückgängig machen, auch wenn es so gegen meine eigentlichen Vorstellungen und Handlungen geht. Wir haben uns beide aufeinander eingelassen und er hatte heute morgen zugestimmt, dass wir uns nochmal wiedersehen wollen. Oder war das eine Masche von ihm? Mir zuerst noch zu sagen, dass er nicht flirten will, sondern nur reden und dann wachen wir am Morgen nebeneinander auf? Nein, dafür wirkte er am Morgen auch viel zu verwirrt und überfordert. Ihm ging es wohl ähnlich wie mir. Keine Sache, die er öfters durchzieht.

Bei meinem Zimmer angekommen schließe ich mir die Tür auf und gehe rein, in der Annahme, dass ich in Ruhe meine Sachen packen und danach runter in die Lobby gehen kann. Als ich dann aber im Zimmer stehe und die Tür hinter mir ins Schloss fallen lasse, sitzen Julian und Claas am Tisch und haben sich bis gerade eben mit Marco unterhalten, der nervös in meinem Zimmer auf und ab läuft. Jetzt, als ich im Zimmer stehe, schauen sie mich aber alle mit dem gleichen Blick an.
Anissa: Meine Güte, ich bin ja da und wir werden den Flug schon nicht verpassen."
Julian: Wir haben uns Sorgen gemacht um dich Anissa!"
Ist ja mal etwas neues. Immerhin ist ihnen gestern Abend vermutlich nicht mal aufgefallen, dass ich die ganze Zeit mit jemand fremden gesprochen habe, bis ich mit ihm die Location verlassen habe. Heute Morgen kam dann wohl die Erkenntnis.
Anissa: Ich bin doch jetzt hier."
Marco ist der einzige von den drein, der mich etwas genauer betrachtet. So zertrennt und distanziert waren wir als Gruppe noch nie. Und dabei meine ich nicht als Band, sondern als Freunde, als beste Freunde. Wie gesagt, die Zeit hat uns alle verändert, in verschiedene Richtungen und meine Freunde...waren mal anders.

Ohne mich auf einen von denen Einzulassen oder ihnen größere Beachtung zu schenken, gehe ich zu meinem Koffer und packe die Sachen zusammen, die in meinem Zimmer noch rumliegen.
Claas: Willst du uns vielleicht sagen, wo du bitte gewesen bist und warum du erst jetzt auf die Idee kommst, wieder in dein Zimmer zu schauen?"
Ich schaue über die Schulter zu den dreien hin, wobei Marco jetzt mit verschränkten Armen an der Wand steht und zu mir schaut.
Anissa: Ich frage euch doch auch nie, wo ihr an den Abenden verschwindet, wenn ich euch nicht mehr sehe."
Natürlich wissen sie, dass ich damit Recht habe, auch wenn sie das nicht einsehen wollen. Ich widme mich wieder meinem Koffer, der fast wieder komplett gepackt ist. Als ich aber gerade noch die letzten Sachen vom Bett nehmen will, dreht mich Marco zu sich, schaut mich an und mustert mich aufs genauste. Bei ihm fühlt sich das alles nur nicht richtig an.
Marco: Wie siehst du überhaupt aus?"
Er greift nach meinem Haar und geht vorsichtig durch die Längen, bis ich seine Hand vorsichtig von mir wegnehme. Ich kann es nicht leiden, wenn das jemand bei mir macht.
Marco: Dein Make-Up ist dürftig abgeschminkt und deine Haare sehen katastrophal aus."
Anissa: Danke, auch wenn man so wohl nicht mit einer Frau reden sollte."
Nichts, was ich bei Marco persönlich nehmen würde, aber ich habe keine Lust, mich auf derlei Gespräche gerade einzulassen.

Bevor wir in ein Flugzeug steigen wollen, will ich dringend nochmal schnell unter die Dusche gehen und suche daher schnell die Sachen zusammen, die ich brauche. Es dauert nicht lange, das wissen die anderen auch, aber eigentlich wollen sie nur Antworten.
Julian: Ich habe dich den ganzen Abend gestern nicht gesehen Anissa. Bist du einfach wieder zum Hotel gefahren nach der Veranstaltung?"
Anissa: Dass du mich nicht gesehen hast, lag wohl eher daran, dass du mit anderen Dingen oder Personen beschäftigt gewesen sein wirst."
Ich merke, dass er diese Stichelei nicht einfach so wegsteckt, da er sichtlich mit den Zähnen knirscht. Mir egal. Sie fragen mich hier aus.
Anissa: Ich war den gesamten Abend beim Event und habe mich einfach unterhalten, nicht mehr und nicht weniger, okay? Ich bin gegen zwei am Morgen wieder zum Hotel."
Claas: Du bist zu dieser Zeit allein zurückgefahren, oder hast du dir John gerufen?"
Anissa: Wer hatte gesagt, dass ich allein gefahren bin? Ich bin nicht so sozial unfähig, als dass ich nicht mit anderen in Kontakt treten kann."
Claas: Wirkt manchmal aber so."
Ich werfe ihn nur einen finsteren Blick zu, da ich antworten würde, dass ich immerhin nicht von Skandalen verfolgt werde, aber ich lasse es, da es dadurch nur eskalieren würde.

Mit den Sachen unterm Arm will ich nun endlich ins Badezimmer gehen, werde zuvor aber erneut von Marco aufgehalten.
Marco: Willst du uns nun endlich sagen, warum du jetzt erst gekommen bist? Warum du so aussiehst? Warum du deine Schuhe und Jacke trägst?"
Anissa: Ich habe die Nacht wo anders geschlafen, okay?"
Im Hintergrund höre ich einen anzügigen Kommentar von Julian und Claas, die danach leicht anfangen zu lachen. Ich verdrehe die Augen und will zum Bad gehen, greife gerade nach der Tür und öffne diese.
Julian: Hat unsere Anissa endlich auch mal verstanden, dass sie scheinbar lesbisch ist und will uns daher nicht sagen, wo sie mit wem war und wer die Dame war, mit der sie sich gestern unterhalten haben soll?"
Ich sollte es lassen, mich nicht auf diesen dummen Kommentar einlassen, aber ich drehe mich doch nochmal um, bevor ich die Badezimmertür hinter mir schließen würde.
Anissa: Ich habe die Nacht mit einem Mann verbracht."

Die drei tauschen Blicke aus und ich ziehe die Tür zu und schließe die ab, da die drei kurz darauf gegen die Tür klopfen.
Julian: Du hast deine Band bei dem Event alleingelassen, damit du einen anderen Mann kennenlernen, mit dem wegfahren und aufs Zimmer gehen kannst!?"
Claas: Du warst bei einem komplett fremden Mann!? Du hast dir einen Mann bei diesem dummen Event geklärt!?"
Marco: Anissa Sanders! Du hast die Nacht mit einem Mann verbracht!? Komm sofort raus!"
Ich setze mir die Kopfhörer auf, während ich meine Haare kämme und die Sachen mache, bevor ich duschen gehen kann, da ich dann die Kopfhörer wieder abnehmen muss. Zu der Zeit ist es vor der Tür aber wieder ruhiger geworden. Mir ist auch erst aufgefallen, als ich meine Haare gekämmt habe, dass ich die Haarklammer in dem Zimmer von Chris vergessen haben muss. Chris...ich hoffe wir sehen uns bald wieder...

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