Kapitel 60

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Der letzte Nachmittag des Jahres, in wenigen Stunden ist es vorbei und weitere 365 Tage fangen von vorne an. Die letzten Tage in meiner Heimat brechen an, die Tour rückt wieder nähre und meine Arbeit rückt wieder ins Bewusstsein. Und zugleich kommt der Tag auch näher, an dem ich ihn wiedersehen kann.

Gegen 15.30 Uhr habe ich meine letzte Tasse Tee vor mit stehen. Meine Eltern sind damit beschäftigt, den Tisch im Restaurant heute Abend sicher zu haben und dabei auch zu schauen, dass ich in Ruhe gelassen werde. Johanna ist mit ihrem Mann und Max noch nicht hier, da sie etwas erledigen müssen. Erledigungen, damit sie heute Abend und morgen alles zu Hause haben. Mom und Dad laufen etwas durchs Haus, lassen Sylvester einen Moment in den Garten, da er wieder vor der Tür gesessen und gebettelt hatte. Ich muss mich im Januar dringend darum kümmern, dass er auch bei mir zu Hause auf die Dachterrasse gehen kann. Im Sommer dort mit ihm zu liegen und ihn allgemein nicht nur in der Wohnung zu halten, würde ihn sicherlich auch freuen. So schaut er mich immer nur patzig an, wenn ich allein draußen bin. Zuerst aber wieder etwas arbeiten im Studio und etwas Ablenkung durch die Show in Berlin. Zwischendurch finde ich Zeit für meinen Kater, sicherlich. Er wird mich daran schon erinnern.

Meine Mutter ist draußen mit Sylvester, da sie etwas mit dem Nachbarn besprechen wollte und mein Dad ist in den Keller gelaufen. Ich sitze am Tisch, trinke einen Schluck und gehe danach an mein Handy, damit ich den Chat auf WhatsApp öffnen kann.
Anissa: Bist du wieder zu Hause? Der erste Teil der Tour sollte doch geschafft sein, oder?
Ich habe deren Prinzip ihrer Tour noch nicht komplett verstanden, das muss mir Chris nochmal erklären. Jeder findet einen Ablauf, wie es am besten passt. Drei Monate im Sommer weg sein, ist für mich einfacher als alles andere. Wir haben aber auch keine Familie, keine weiteren Verpflichtungen.
Chris: Der erste Tourblock ist geschafft und in der Nacht waren wir wieder zu Hause. Ich bin auch erst vor zwei Stunden aufgestanden.
Chris: Ich bin noch immer total müde.
Anissa: Und dann musst du auch heute gleich bis nach null Uhr durchhalten. Bist du später bei deinem Bruder?
Chris: Ja. Unsere Mutter und Schwester kommen auch noch. Familie Reinelt feiert das fast immer zusammen, wenn mein Bruder und ich nicht unterwegs sind. Dann ist nur seine Familie mit dabei und feiert das mit uns und der Crew zusammen.
Anissa: Das klingt aber auch sehr schön. Was treibst du gerade denn noch?
Chris: Ich versuche mich mit Kaffee wach zu halten. Und was macht Anni?

Allein, damit ich ihn wieder daran erinnern kann, nehme ich meine Tasse in die Hand und mache ein Selfie, was ich ihn zukommen lasse. Es dauert einen Moment, bevor sich das Symbol oben zu "schreibt..." ändert.
Chris: Wie kann man Tee bitte mit so eine Art Zucker und Milch trinken?!
Anissa: Das ist ein Kluntje und Sahne Chris.
Anissa: Und nur um dich zu nerven, dass ist die dritte Tasse. Alles andere würde als Beleidigung hier angesehen werden.
Chris: Ich merke mir, dass ich niemals in deine Heimat will.
Anissa: Wir haben hier auch mehr zu bieten als "seltsamen" Tee, Chris. Außerdem bin ich als nächstes dran, dich zu besuchen.
Chris: Da wollte ich dir auch mal sagen, wann ich Tourpause habe.
Chris: Wir sind fast den gesamten April zu Hause. Also wann immer du kommen willst, ich werde es dort einrichten können.
Anissa: Ich spreche das nächste Woche gleich mit der Band und James ab. Ich werde dir schreiben oder sage es dir, wenn wir uns in Berlin sehen.
Chris: Ich freue mich, dass du mich auf Tour besuchen kommst. Ich hoffe, dass es dir gefallen wird.
Anissa: Meine Schwester meinte, dass es großartig ist. Mein Neffe ist scheinbar ein großer Fan von euch beiden.
Chris: Bitte schreib sowas nicht...da werde ich gleich rot.

Ich habe das Gefühl, dass ihm noch nie etwas unangenehm war. Dass Chris immer vollkommen hinter sich, seiner Art, seinen Aussagen und seinen Handlungen steht. Natürlich weiß ich, dass das eben auch einfach nur ein Spaß war, dass er sowas aber wohl auch ungerne hört. Nicht, weil es einen nervt, weil man einfach aber nicht weiß, was man dazu sagen soll. So geht es mir zumindest immer. Vielleicht bin ich deswegen etwas froh, dass Max keine Ahnung hat, wer ich bin und was ich mache.

Mein Tee ist ausgetrunken und daher bringe ich die Tasse auch wieder in die Küche, damit meine Eltern das nicht machen würden. Das Handy halte ich die ganze Zeit in der Hand.
Chris: Silvester wird heute mit der Familie verbracht?
Anissa: Yep. Meine Eltern bereiten gerade ein paar Sachen vor und später kommt meine Schwester mit Familie noch wieder vorbei. Wir gehen essen.
Anissa: Habt ihr etwas Besonderes geplant?
Chris: Nicht wirklich. Wir essen bei meinem Bruder wieder. Mal gucken, was er sich ausgedacht hat.
Anissa: Wann geht es denn wieder auf Tour?
Chris: Am Wochenende gleich. Da geht es nach Mannheim runter. Den ganzen Plan habe ich allerdings nicht im Kopf.
Chris: Außer, dass wir Mitte Januar in Berlin sein werden.
Ich muss lächeln, freue mich auf ihn, auf die Zeit, auf unser kurzes Treffen dort. Dabei lehne ich mich gegen die Küchenzeile, während ich auch merke, dass es die Zeit langsam vorankommt und das auch ich noch was machen muss.
Anissa: Ich sollte mich für den Abend fertig machen, Chris. Wir können in den kommenden Tagen nochmal schreiben, okay?
Chris: Sehr gerne, ich freue mich drauf.
Anissa: Ich mich auch, Chris.

Gerade als ich das Handy ausgeschaltet habe, schließt meine Mutter hinter sich und Sylvester wieder die Tür zum Garten. Dabei bekomme ich auch mit, dass sie mich bereits eine lange Zeit angeschaut haben muss, da sie sanft lächelt.
Anna: Mit wem schreibst du, Süße?"
Anissa: Mit einem Freund. Wir hatten uns im September kennengelernt."
Anna: Er scheint dich ziemlich glücklich zu machen, oder?
Anissa: Ja...das macht er, Mom...

Two Sides of Our LifeWhere stories live. Discover now