Kapitel 9

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Wir wurden von einer netten Dame zum Event gefahren und dann ging es zuerst für uns über den roten Teppich. Aber da wir hier nur Gäste waren und diejenigen, die wirklich eine Chance haben, heute einen Preis verliehen zu bekommen, im Augenmerk der Presse waren, wurden wir nur zweimal vom Rand angesprochen und kamen mehr als schnell durch und in den Saal der Veranstaltung.

Auch wenn wir in den vergangenen Jahren bei einigen Events dieser Art waren, ich staune noch immer, wie alles aufgezogen wird und wie exklusiv das alles zum Teil aussieht. Für mich teils so fremd, dass ich mit hier bin. Für mich bin ich noch immer der etwas verpeilte Junge aus Bünde, der nur einen verrückten Traum nachgegangen ist und Glück hatte, das mit seinem Bruder auszuleben. Und auch wenn man es ihm nicht ansehen kann, auch für ihn ist alles, was wir in den Jahren erlebt hatten, niemals selbstverständlich. Alles, was wir zusammen erleben und machen durften, ist ein Privileg.
Andreas: Wolltest du auch etwas trinken?"
Wir müssten erst in zwanzig Minuten auf unseren Plätzen sein, daher haben wir die Zeit noch dafür. Ich nicke und gehe mit ihm zusammen zur Theke, wo wir kurz schauen müssen, was es überhaupt gibt, bevor wir uns jeweils ein Glas bestellen.
Chris: Bisher habe ich keinen gesehen, den ich ansatzweise kenne."
Andreas: Ich habe einen Sänger gesehen, mit dem wir mal gesprochen hatten bei einem anderen Event. Als du damals zum Hotel gegangen bist, habe ich mit ihm noch etwas getrunken. Ich glaube, dass er für das Album des Jahres nominiert worden ist."
Chris: Dann hoffen wir mal, dass er dort gewinnen wird."

Da die anderen Anwesenden und vor allem die Ordner, die für die Besucher verantwortlich sind, immer unruhiger werden, wissen auch Andreas und ich, dass wir allmählich auf unsere Plätze gehen sollten. Unsere Gläser können wir wieder abgeben, bevor wir von einen der Ordner, die am Eingang des Saales hinter einem Tresen stehen, gesagt bekommen, wo wir hinlaufen müssen. An der Seite die Treppe hoch, damit wir auf dem oberen Rang Platz nehmen können. Wir beide sitzen vorne am Geländer neben einigen anderen Gästen. Aber immerhin haben wir hier genug Platz.
Chris: Was meinst du, wie lange das gehen wird?"
Andreas: Ich vermute, dass es schon drei Stunden dauern wird. Zwischendurch gibt es ein paar Pausen, da es ja live gesendet wird und da die Bühne manchmal umgebaut werden muss."
Andreas setzt sich etwas bequemer in seinen Sitz und schaut leicht schmunzelnd zu mir.
Andreas: Mach es dir bequem Bruder und genieße es einfach. Dass wir beide mal hier sein würden."
Chris: Hätte ich mit Anfang dreißig auch nicht wirklich gedacht."
Andreas und ich lachen einen kurzen Moment, bevor die Testdurchsage der Moderatorin kommt. Alle Anwesenden sollen bitte auf ihre Plätze gehen und zur Ruhe kommen, da es gleich losgehen wird.

Bei der Verleihung gibt es verschiedene Kategorien in Bereich Schauspiel, Musical, Musik, Entertainment und Socialmedia. Schlussendlich kennt man so manch einen doch aus Film und Fernseher, aber nicht so, als dass wir mehr mit den Menschen zu tun haben würden. Es scheint für uns beide aber so oft noch zu surreal, dass wir mit denen doch irgendwas gemeinsam haben. Dass wir mit diesen Menschen bei dieser Veranstaltung sitzen und sie nachher auch bei der Veranstaltung sehen werden. Vielleicht werden wir sie sprechen oder mit denen in Kontakt bleiben, wie es selten zwar der Fall ist, aber es kommt auch mal vor.

Ich habe es mir in meinem Sitz bequem gemacht und verfolge die Verleihungen immer wieder, aber lasse mich auch davon ablenken, was die anderen Menschen um mich herum machen. Einige unterhalten sich mit den Nachbarn, spekulieren, wer gewinnen wird und reden über manche Künstler, wie diese hier auftreten. Eigentlich nichts anderes als bei anderen normalen Treffen im Alltag eben auch.
Mod: Kommen wir zu Kategorie: Album des Jahres."
Ich stoße Andreas leicht in die Seite, der gerade auch mit den Gedanken abwesend gewesen sein muss. Über Stunden auch auf eine Bühne, verschiedene Künstler und wechselnde Moderatoren zu achten, wird irgendwann auch ermüdend, wenn zwischendrin nichts passiert.
Chris: Du musst hier doch deinen alten Freund unterstützen."
Andreas: Als solchen würde ich ihn zwar nicht bezeichnen, aber ich hoffe, dass er es sein wird."
Die Moderatorin bekommt von einen ihrer Gehilfen den goldenen Umschlag übergeben und öffnet diesen in einer großen und langen Geste, damit sie etwas Spannung aufbauen kann.
Mod: Die Preisträger oder der Preisträger im Bereich „Album des Jahres" ist..."
Sie holt nun aus dem Umschlag eine Karte und dreht diese mit der Schrift zur Kamera, was man von hier oben natürlich überhaupt nicht erkennen kann, aber sie liest es auch immer wieder noch vor.
Mod: Die Band „Public Therapy" mit ihrem Album „Inner Demons"!"

Ich habe keine Ahnung, wer das sein soll, allerdings erklingt, wie auch die Male zuvor, als es im Bereich Musik einen Preis gab, die Musik des Albums im Hintergrund. Auf der einen Seite der Leinwand ist das Cover des Albums zu sehen und auf der anderen das Bandlogo, wobei es auf einem schwarzen Hintergrund ein weißes Mikrophon ist, wo das Kabel in einen Strick übergeht. Und ich weiß nicht, aber die Musik hat etwas an sich. Nach und nach kommen die Musiker auf die Band. Drei Männer betreten die Bühne. Alle unauffällig. Dunkel gekleidet, mit zerrissener Jeans und weißem Shirt. Einer trägt darüber eine Jeansjacke, der andere eine Lederjacke und der letzte ein Jackett. Einer hat schwarze Haare, der zweite wiederrum blonde und die des letzten sind weiß blondiert worden. Alle unauffällig für sich, bis das letzte Mitglied die Bühne betritt. Ich weiß nicht, was mein Bruder von mir denken muss, dass ich mich genau dann ordentlicher hinsetze, damit ich einen besseren Blick auf die Bühne habe, aber mir egal, ich muss sie sehen.

Eine junge Frau gehört mit zur Band. Die einzige Frau, wie es aussieht. Sie fällt sofort auf, da ihre Haare am Ansatz lila und in den Längen pink sind. Die Vorderen Strähnen hängen aus dem Zopf, wo immer wieder einige Strähnen abstehen. Sie trägt auch eine schwarze Jeans, die locker fällt, aber ebenfalls an den Knien zerrissen ist. Dazu ein weißes und bauchfreies Korsett und darüber eine Lederjacke, die mir zu bekannt vorkommt. Es ist die braune Jacke mit schwarzen Ärmeln von Tigha, die ich selbst besitze und trage. Ihre Blicke lenkt sie immer gekonnt von der Kamera ab, als sie doch dahin schaut, nehme ich auch ihre türkisen Augen wahr, wo sich deren Blick sofort in mein Gedächtnis einbrennt.
Andreas: Sie hat es dir wohl angetan Bruder."
Auch wenn er mir kurz gegen die Schulter schlägt, einen Kommentar bekommt er von mir nicht. Mir egal, was er denkt oder was dieser Abend bringt, ich weiß meine Mission auf der Party nachher: Ich will mit dieser Musikerin sprechen und sie kennenlernen...

Two Sides of Our LifeWhere stories live. Discover now