kapitel 42

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Ich schaue das erste Mal auf die Uhr meines Handys, als es 15 Uhr ist. Erst gegen sechs am Morgen kam ich ins Bett und wirklich ausgeschlafen bin ich auch nicht. Ich wundere mich zuerst, warum die Hülle meines Handys so klebrig ist, bis ich den Sticker von der Kamera abziehe und auf die Hülle klebe. Da war ja was.

Heute Abend habe ich die Entscheidung, was wir machen werden. Definitiv nicht wieder tanzen und trinken gehen. Dann überstehe ich die Heimreise morgen auf keinen Fall. Meine Kenntnisse über Berlin sind auch mehr oder weniger ausführlich, aber vor einigen Jahren war ich mit einem Kumpel, der nach dem Abi hergezogen ist, in einer Bar, da er sich mit uns treffen wollte. Mark und ich haben bis heute noch immer Kontakt und ich hoffe, dass er mir helfen kann.
Chris: Hey Mark. Ich bin gerade zu Besuch bei einer Freundin in Berlin und ich wollte heute Abend mit ihr in die Bar gehen, in der wir damals war. Kannst du mir nochmal sagen, wie die heißt? Ich habe den Namen vergessen.
Ich weiß, dass es ein Wortspiel war. Wunderbar? Ne, so hieß die nicht. Waschbar? Das wäre ja irgendwie lächerlich.
Mark: Moin Chris. Die Bar hieß ScheinBar. Ich wünsche dir einen schönen Abend mit deiner „einen" Freundin.
Den grinsenden und zwinkernden Smiley danach ignoriere ich einfach mal weitestgehend. Nachdem das geklärt ist, schaue ich kurz auf deren Website vorbei, damit ich weiß, wann wir los sollten. Es ist 15 Uhr, also schon in drei Stunden.

Kurz die Motivation nach einer zu kurzen Nacht finden, damit ich danach aufstehen kann. Zudem hole ich mir Sachen, damit ich erstmal duschen kann, da mir der gestrige Abend zugesetzt hat und ich fühle mich noch nicht sehr wohl. Vor der Tür kommt mir Sylvester entgegen. Scheinbar ist Anni auch noch nicht wach, zumindest ist es in der Wohnung still und auch noch ziemlich dunkel. Sylvester läuft in mein Zimmer und ich lasse ihn einfach. Die Tür des Badezimmers schließe ich hinter mir ab und lasse danach Musik über mein Handy laufen. Meine alten Klamotten finden den Weg auf den Boden und ich dusche erstmal heiß und ausgiebig, damit meine Haare auch wieder ordentlich liegen. Mit einem Handtuch um der Hüfte stehe ich vorm Spiegel und trockne meine Haare. Danach die neuen Sachen anziehen und schauen, dass ich hier alles ordentlich hinterlasse. Dieser Anspruch ist erfüllt, sodass ich danach die Tür wieder aufschließe und auf den Flur gehe. Meine Klamotten von der Nacht lege ich zu meiner Tasche, da sich Sylvester auf mein Bett gelegt hat, sieht auch zu niedlich aus. Danach gehe ich ins Wohnzimmer, wo jetzt auch leise ein Podcast im Hintergrund läuft.

Anni sitzt hinter der Theke zur Küche und trinkt einen Kaffee. Auch sie sieht nicht sehr ausgeschlafen aus. Zum Glück geht es nicht nur mir so.
Chris: Morgen Anni."
Anissa: Morgen Chris."
Trotzdem lächelt sie mich an, als ich mir eine Tasse Kaffee nehme und mich danach zu ihr setze. Ich trinke etwas, es ist kurz still, bis ich wieder zu ihr schaue.
Chris: Was läuft für ein Podcast?
Anissa: Hobbylos und die Folge heißt..."
Kein Podcast, den ich im Alltag höre, aber ich kenne den Podcast definitiv. Der älteste Sohn meines Bruders hört den aktiv und da habe ich auch ein bisschen was mitbekommen.
Anissa: Die aktuelle Folge heißt, Warum Schweizer jetzt Steine nach uns werfen. Ich kam noch nicht dazu die neue Folge zu hören. Stört es dicht?"
Chris: Alles gut, kein Problem damit."
Anissa: Hast du dich schon entschieden, was du heute Abend mit mir anstellen willst?"
Ich nicke und lächle einzig. Ich sage nicht, was ich will und was ich mit ihr vorhabe, da ich will, dass sie einen Abend das hier vergessen kann. Einen Abend nach meiner Welt, nach meinem Alltag, nach meinen Bedingungen.

Anni steht von ihrem Platz auf und geht zu den Schränken, da sie vermutlich etwas...zum sehr späten Frühstück essen will.
Anissa: Wann müssen wir uns denn auf den Weg machen?"
Chris: In etwas zweieinhalb Stunden."
Einen kurzen Moment hält sie in der Bewegung inne, bevor sie wieder zu mir schaut und ein unterdrücktes Lächeln und Lachen auf den Lippen hat.
Anissa: Nicht viel Zeit. Willst du auch etwas essen? Danach würde ich noch duschen gehen und dann müssen wir ja fast wieder los, Chris."
Chris: Klingt sehr gut. Soll ich dir eben helfen?"
Anissa: Das wäre sehr gut. Muss ich dir für heute Abend noch etwas sagen oder geben? Brauchst du John für das, was du vorhast?"
Chris: Nein."
Ich stehe auf und gehe zu ihr hin, damit ich ihr die beiden Teller abnehmen kann. Deswegen dreht sie sich um und steht genau vor mir. Ich hingegen lächle nur sicher.
Chris: Kein John heute Abend. Meine Regeln heute."
Anni lächelt etwas und nickt leicht. Etwas, worauf sie sich einlassen muss.

Anni war duschen und hatte sich für den Abend angezogen. Dabei meinte ich, dass es nichts Besonderes ist. Ihre Haare hat sie sich zu einem tiefen Zopf gebunden. Heute trägt sie eine weiße Hose und dazu einen schwarzen Hoodie. Sie steht im Flur, als ich aus meinem Zimmer komme und die Tür noch hinter mir schließe. Ich merke, dass sie unruhig ist und will den Grund wissen. Ich gehe näher zu ihr, wobei sie die ganze Zeit auf dem Boden schaut. Mit einer Hand hebe ich ihren Kopf an, sodass sich unsere Blicke treffen.
Anissa: Ich war lange nicht ohne John weg. Ich kann es nicht leiden, wenn sie mich erkennen. Und das werden sie. Offensichtlich."
Sie schaut beim letzten Wort auf ihre Haare und danach wieder leicht auf den Boden. Ich greife nach meiner Mütze, die hinter ihr bei meiner Jacke hängt. Ihr Haar streiche ich ihr aus dem Gesicht und setze ihr danach die Mütze auf. Die pinken Haare, die noch zu sehen sind, schiebe ich darunter und damit man den Zopf nicht sieht, setze ich ihr auch die Kapuze ihres Hoodies auf.
Chris: Niemand wird dich erkennen Anni, vertrau mir. Nur diesen Abend und diese Nacht. Bitte."
Anni versucht ernst zu bleiben, schafft das aber nicht und muss lachen. Sie nickt und schaut mir noch zu, wie ich Jacke und Cap anziehe.

Anni nimmt zuletzt ihren Schlüsselbund, damit wir danach mit dem Fahrstuhl die Wohnung verlassen können. Dieses Mal geht es nicht in die Tiefgarage, sondern ins Erdgeschoss, sodass wir das Haus ganz normal verlassen können.
Anissa: Versprichst du mir eine Sache, Chris? Verlass mich den Abend über bitte nicht."
Sie schaut zu mir rauf. Ich merke, dass sie wirklich Angst vor dem hat, was passieren könnte. So zurückgezogen, wie sie normal auch lebt, kein Wunder. Ich nicke sofort und greife nach ihrer Hand.
Chris: Versprochen Anni. Ich lasse dich den Abend über nicht allein. Das käme mir auch gar nicht in den Kopf."
Anni muss darüber lachen, legt einen kurzen Moment ihren Kopf an meine Schulter, bevor wir weitergehen, damit wir zur S-Bahn kommen. Google hatte vorher geholfen, damit ich weiß, wo die nächste Station ist und damit ich auch dahin finde, wo ich mit ihr hinmöchte. Bei der Station müssen wir drei Minuten auf die Bahn warten. Anni schaut sich die gesamte Zeit um, aber uns beide beachtet keiner. In Berlin fallen wir beide hier auch kaum auf. Die Bahn fährt ein, wir steigen ein und finden zwei Plätze und warten dann die Stationen, bis endlich die durchgesagt wird, wo wir hinmüssen.

Von der Station Yorckstraße ist es nur ein kurzer Fußweg zu der Bar, wo ich mit ihr den Abend verbringen will. Das kleine Schild, was dürftig beleuchtet ist, schaut Anni sich genau an und muss über das schlechte Wortspiel lachen. Am Eingang zahle ich heute den Eintritt, wobei das wohl weniger ist als der Abend gestern. Als wir beide drinnen sind, gehe ich zu Anni und setze ihr Kapuze und Mütze ab. Sie zögert, schaut sich im Raum um, aber hält mich auch nicht davon ab. Wir beide gehen zu einen der Tische, wo nur zwei Stühle stehen. Die andere und größeren Tische, sind für andere Gruppen geeignet. Ich besorge uns auch etwas zu trinken, wobei wir heute beide auf den Alkohol verzichten wollen. Gestern hat wirklich gereicht.

Danach gehe ich zu Anni, stelle ihr das Glas Kiba vor und setze mich ihr gegenüber und trinke etwas aus meiner Cola. Auch wenn sie einen Moment etwas trinkt, sie schaut sich danach wieder im Raum um. Vorne ist eine kleine Bühne, wo heute Abend nur ein Klavier und ein Hocker drauf stehen. Die Lichtanlage ist nicht verstellbar und hat nur das warm-weiße Licht, was voreingestellt ist. Die andren Gäste schauen in die Karte, da man hier immerhin auch etwas essen kann. Ganz anders als gestern.
Anissa: Wo hast du mich hingebracht, Chris?"
Chris: Stand doch vorne auf dem Schild. Willkommen in der ScheinBar."
Anni lacht und schlägt mir leicht vor die Schulter. Gut, war auch ein flacher Witz.
Chris: Das ist ein kleines Varieté, wo verschiedene Künstler auftreten. Kleine Künstler, die dafür spielen, dass sie am Abend frei trinken können. Heute ist ein bekannter Musiker hier, der ein paar neue Stücke ausprobiert."
Anissa: Wie heißt er denn?"
Chris: Bodo Wartke. Er ist Kabarettist, spielt dazu Klavier. Ich kenne ihn vom Sehen, von einer Sendung, aber persönlich noch kein Wort mit ihm gewechselt."
Anissa: Warum so klein und dezent alles?"
Chris: Warum muss es groß, ausgefallen und auffällig sein? Schöne Momente entstehen da, wo man etwas gewöhnliches mit einer außergewöhnlichen Person macht."

Anni schaut weg, meidet meine Blicke, aber hat ein glückliches Lächeln auf den Lippen. Und allein für den Anblick hat sich alles gelohnt...

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