Kapitel 100

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Eine Nachricht habe ich gegen 16 Uhr an John geschrieben, dass er mich ins Studio fahren muss. Nur für einen kurzen Moment, da ich mit James reden muss, aber anders komme ich von hier nicht weg. Sylvester habe ich noch nichts zum Fressen gegeben, wenn ich wiederkomme gibt es was. Und für den kurzen Ausflug habe ich mich nicht besonders angezogen oder meine Haare irgendwie weggesteckt.

Mit dem Fahrstuhl ging es in die Tiefgarage und dort wartete John auch wieder auf mich. Die pünktlichste war ich noch nie und das weiß er. Aber mit ihm geht es dann durch Berlin zum Studio. Mittlerweile wirkt alles wieder halbwegs normal und vielleiht ist es das auch wieder. Es ist wieder der Alltag eingetroffen. Gott sei Dank.
John: Wie lange willst du bleiben?"
Anissa: Ich muss nur einen Moment mit James sprechen und dann können wir wieder fahren. Vielleicht noch zum Einkaufen, aber das entscheide ich spontan, wenn es dir passt."
John: Ich habe nichts weiteres vor. Ich warte unten und checke meine Mails. Wie geht es Chris mit der Sache?"
Anissa: Ganz okay, meint er. Scheinbar hat sich seine Sache etwas wieder gelegt."
Meinen Blick wende ich auf meine Hände, die etwas nervös an der Tasche meines Hoodies spielen. Nur einen winzigen Moment schaut James zu mir, da danach die nächste Grünphase an der Ampel beginnt.
John: Du gibst dir aber die Schuld und denkst noch immer daran."
Anissa: Woher kamen die Infos von seinem privaten Account? Man muss ihm folgen, damit man die sehen kann und nur seine Freunde folgen ihm."
John: Was hat es am Ende aber mit dir zu tun?

Weiß ich auch nicht so genau. Aber ich bin eben die erste fremde Person, die er wieder in sein Leben gelassen hatte. Egal, was jetzt zwischen uns entstanden ist, er war bereit jemanden kennenzulernen und sich zu öffnen. Und dann endet genau das in der Katastrophe, die er immer verhindern wollte. Dabei war das ein normaler Tag bei ihm. Wie ist es zu dem Skandal am Ende wieder gekommen?

John lenkt das Auto in die Tiefgarage des Studios und findet recht schnell einen freien Platz. So viele sind hier auch wieder nicht am Arbeiten heute. Auch wenn in einem Monat unsere Tour beginnt, gerade sind noch keine Proben angesetzt. Claas war krank und das wird wohl erst nächste Woche wieder etwas.
John: Ich warte hier. Sollte nicht lange dauern."
Anissa: Denke ich auch nicht. Nur ein kurzes Gespräch mit James. Ich hoffe, dass er da ist."
John: Hast du es ihm nicht gesagt?"
Anissa: Habe ich wohl vergessen."
John lacht etwas darüber, während ich das Auto verlasse und zur ersten Tür laufe. Weitere Türen folgen, danach Treppen und ein Fahrstuhl. Ich hasse diesen Bunker sehr, aber es ist eben Teil der Plattenfirmer, bei der wir unter Vertrag stehen. Die Sachen der Jungs sind nicht hier, aber zum Glück hängt James' Jacke am Haken vor unserem Raum. Ich gehe zur Tür, die angelehnt ist und will sie öffnen, bekomme aber mit, dass er telefoniert. Und eigentlich will und sollte ich nicht stören oder zuhören.
James: Ich weiß, dass es gerade um die Band ruhig geworden ist."
Aber dann redet er von unserer Band und dort muss ich aufpassen und zuhören.

Ich lehne mich vorsichtig gegen die Tür, damit ich das Gespräch verfolgen kann, aber auch so, dass er nicht mitbekommt, dass ich hier anwesend bin. Ich will nicht, dass er das Gespräch unterbricht, was er ansonsten tun würde.
James: Nein, ich weiß nichts neues. Claas ist krank zu Hause, Marco und Julian haben sich eine Auszeit genommen und Anissa braucht eine Auszeit. Das hat sie sehr mitgenommen."
Und wie es mich mitgenommen hat. Ich passe so auf, passe mein Leben an diese verdammten Umständen an und dann ziehe ich Chris auch noch mit rein!
James: Ich versuche doch mein bestes, aber ich habe nichts. Auch nichts auf den Accounts. Keine Nachricht, nichts. Sie hat auch nichts mehr gepostet."
Ich will nicht glauben, dass er über meinen Account auf Instagram reden wird. Dass ich nichts gepostet habe, kann er auch sehen, aber woher weiß er, dass ich auch keine weiteren Nachrichten mehr geschrieben habe?
James: Ich versuche etwas rauszufinden. Wenn sich die Sache beruhigt, dann wird sie wieder den Kontakt zu ihm suchen. Wir brauchen aber etwas Besseres, etwas größeres. Aber so dumm wie Julian sind die beiden nicht. Bei ihnen kann man nicht eben eine Kamera anbringen und sie filmen."
Mir wird schlecht. Was ich höre, will ich gar nicht hören. Nein, ich will das nicht glauben. Ich will nicht glauben, dass James das gesagt hat. Der Mensch, dem wir vertrauen.
James: Du weißt, dass ich das Geld haben will. Verdammt nochmal, sie wird schon wieder mit dem Typen ins Bett steigen und dann haben wir unsere Schlagzeile. Es muss nur auf Tour in Europa passieren. Da habe ich die Kontrolle über die Chaoten."

Ich schlage die Tür auf und überrasche James damit augenscheinlich sehr. Sofort beendet er das Gespräch, als ich auf ihn zugehe. Tränen kommen mir auf, aber vor Wut. Ich dachte, dass ich diesen Menschen kenne, aber da habe ich mich getäuscht.
Anissa: Du verdammter Mistkerl bist an all dem schuld! Du hast die Sachen aufgenommen oder aufnehmen lassen, um sie später zu verkaufen! Du bist an allem schuld, was uns in den letzten Jahren widerfahren ist!"
Ich will auf ihn einschlagen, aber er greift nach meinen beiden Armen, hält diese fest und mich davon ab. Aber er zeigt nicht reue oder Angst, nein. Ich sehe bei ihm ein dreckiges Lächeln, was ich ihm gerne aus der Fresse schlagen würde.
James: Glaubt ihr, dass ihr genug abwerft? Ihr seid einfach nur egoistische Teenager, die damals hergezogen sind. Ohne mich wärt ihr rein gar nichts."
Anissa: Gibt dir noch immer nicht die Erlaubnis unser Leben zu zerstören!"
James: Es ist aber so einfach. Keiner kontrolliert die Gäste auf den ewigen Listen der Jungs oder weiß, wen ich als Sicherheitsmänner einstelle."
John meinte immer, dass sie falsch wirken, nicht ausgebildet. Weil sie es nie waren. Und die Gäste auf den Partys waren Bekannte der Jungs...oder von James...
James: Bei dir war es deutlich schwerer...aber du warst unvorsichtig..."
Anissa: Ich habe rein gar nichts getan!"
James: Das war der RB 69 um 16.27 Uhr von Gleis 4 Richtung Münster, bin ich richtig?"

Mir wird in Sekunden Bruchteil eiskalt. Die Blässe müsste in meinem Gesicht stehen und dazu der Schock über diese Aussage.
Anissa: Du hast mein Konto auf Instagram gehakt..."
Er hat die Nachrichten gelesen, daher wusste er es. Ab dann musste man uns den Abend über nur verfolgen. Daher der Kommentar auf der Seite von Chris. Er hatte lange geplant, dass er uns beide auffliegen lassen will und...mein Konto...
Anissa: Du bist so ein widerlicher Mensch, James!"
James: Und was willst du dagegen unternehmen?"
Langsam lässt er meine Arme los und geht zu seine Sachen, packt sie zusammen. Hat er sie nicht mehr alle! Ich habe ihn erwischt! Kenne die verdammte Wahrheit hinter allem!
Anissa: Ich lasse dich nicht einfach gehen! Ich werde es den Jungs sagen!"
James: Denjenigen, die denken, dass DU an allem schuld bist und jetzt von dir ablenken willst? Ein winziger Artikel, der nicht mal ein Skandal war."
Julian und Claas meiden mich, sprechen nicht mehr mit mir...sie würden mir nicht glauben. Sie würden denken, ich würde es zum Schutz machen...von mir ablenken...ich bin machtlos...ich kenne die Wahrheit und habe keine Beweise.
Anissa: Du hast sein Leben ruiniert, James! Hier geht es nicht mehr nur um mich!"
James: Da bist du schon selbst schuld dran. Du wusstet, unter was für einen Namen eure Band steht. Du hättest ihn nicht in der Öffentlichkeit küssen müssen."

Seine Sachen sind gepackt, er kommt näher an mich ran, während ich starr im Raum stehe, mich nicht rühren kann. Was soll ich bitte machen?
James: Versuch mich aufzuhalten, Anissa. Du wirst es nicht schaffen. Niemand kann mich mehr aufhalten."
Ich hätte es verhindern können. Ich bin schuld an dem, was ihm angetan wurde. Hätte ich mich niemals auf ihn eingelassen. Seit dem ersten Tag war klar, dass es so kommen musste. Ich bin schuld daran, dass Chris darunter leidet, weil ich ihn da mit reingezogen habe...

Two Sides of Our LifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt