Kapitel 50

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Das letzte Wochenende, bevor nächste Woche Weihnachten ist. Heißt auch gleichzeitig, dass danach die Tour wieder beginnt und die mehr oder weniger freien Tage sind dann erstmal wieder Geschichte bis März.

Heute hat mich mein Bruder in die Halle bestellt, damit wir nochmal proben können. Auch er hat vor Weihnachten genug zu tun mit seiner Familie, sodass er dann für die da sein will. Heißt dann auch für mich, dass ich nochmal Zeit habe die letzten Dinge zu erledigen und zu besorgen. Gerade eben sind wir unsere neue Illusion durchgegangen, wo ich auch endlich den passenden Song zu gefunden hatte.
Andreas: Läuft mittlerweile doch schon wieder ganz gut. Ich denke, dass wir sie in die zweite Hälfte der Show einplanen sollten. Oder was meinst du?"
Vom Rand hole ich mein iPad, damit ich den Plan durschauen und ihm Vorschläge machen kann, wann es gehen würde. Manche Sachen bauen eben aufeinander auf und da kann man nichts zwischenschieben.
Chris: Ich denke, dass er kurz vor der Pause besser wäre. Die zweite Hälfte ist einfach schon durchgeplant und passt so eigentlich zu gut, als dass wir die nochmal umstrukturieren."
Andreas: Hast du auch wieder recht...gut, du wirst das schon wissen Bruder."
Der Plan sieht nach einen Tag auch einfach nur noch katastrophal aus, da ich ständig Notizen mache, damit die Crew auch weiß, was sie wissen muss. Licht und Ton müssen gegeben angepasst werden und alles, was wir beide hier absprechen, kann ich mir nie merken und so muss ich es nur noch zu Hause ordentlich abtippen und dann an die anderen Gewerke schicken. Ist so am einfachsten.

Wieder einen Kommentar in Grün an die Seite geschrieben. Grün für den Ablauf, den wir immer wieder nochmal in gewissen Teilen umstellen. Ich muss nur aufpassen, dass ich am Ende nicht die Übersicht verliere.
Andreas: Wie war es eigentlich in Berlin, Bruder? Du hast noch nicht sehr viel darüber gesprochen."
Chris: Wir hatten auch noch nicht die Zeit dafür. In weniger als zwei Wochen geht immerhin die Tour wieder los."
Andreas nickt und schaut sich nochmal die Illusion an. Ob alles passt, dass nichts falsch aufgebaut ist, dass wir uns nicht verletzen könnten. Ich hingegen schreibe den Kommentar noch zu Ende und lege das iPad wieder zur Seite weg.
Chris: Es war schön, war eine gute Zeit. Ein Stadtmensch werde ich aber niemals im Leben werden. Da bleibe ich doch lieber in Enger wohnen."
Andreas muss darüber lachen. Auch er hatte, außer für die Arbeit, nie unsere Heimat verlassen und würde daran auch nicht denken. Aber ich glaube, er würde sich in Großstädten besser zurechtfinden als ich.
Andreas: Was habt ihr so gemacht? Immerhin warst du ein paar Tage bei ihr."
Chris: Wir waren viel in ihrer Wohnung. Einen Abend waren wir im Club, viel zu viele Menschen und an einen anderen nochmal in einem Varieté. Und in der letzten Nacht hatte sie mir nochmal Berlin bei Nacht gezeigt."

Andreas schließt seinen Check der Illusion ab, damit er sich danach an den Bühnenrand setzen kann. Ich habe meinen Blick auf den Boden gerichtet, schaue immer wieder auf meine Schuhe und denke an die paar Tage, wo ich die Welt und das Leben von Anissa Sanders etwas genauer kennenlernen konnte. Ein sehr eintöniges, trauriges und einsames Leben, was sie dort führt.
Andreas: Du denkst noch immer an sie, oder?"
Chris: Weißt du, wir traurig ihr Leben ist? Sie wohnt allein, okay mit ihrem Kater, in einer riesigen Wohnung. Sie trifft keine Freunde, besucht ihre Familie nicht, verlässt das Haus nicht allein und verbringt ihre Tage dort vereinsamt."
Andreas: Weil du es mit deinen Leben vergleichst, Bruder. Du hast die ganzen Freiheiten, kannst machen was du willst und wirst selten Konsequenzen deswegen spüren. Aber Anissa...ihre Band ist in ganz Europa bekannt. Sie spielt in Stadien vor sonst wie vielen Fans. Das...ist nochmal ein anderes Maß als das, was wir machen."
Ich nicke, da ich ja auch weiß, dass er recht hat. Klar kann ich ihr Leben nicht mit meinem einfach so vergleichen, aber trotzdem.
Chris: Trotzdem...das lässt mich einfach nicht los..."
Vielleicht auch mit den Gedanken, dass sie in den Tagen, wo ich da war, eben nicht mehr so lebte. Sie hat sich ein bisschen was getraut und...ist auch egal.

Andreas stützt sich einen Moment ab und schaut danach zu mir hin. Ich muss leicht lachen, da ich genau weiß, was er gleich sagen will.
Chris: Reicht dann auch für heute?"
Andreas: Wir sehen uns in der Woche nochmal. Ich muss die Jungs gleich vom Training abholen, da Steffi noch etwas mit einer Kollegin erledigen musste."
Chris: Ich halte dich nicht auf. Ich arbeite das eben noch im Büro durch und schicke das später in einer Mail einmal rum. Ich setze dich mit rein, dann hast du es auch."
Andreas: Danke Bruder. Wir schreiben nochmal, wann wir uns wiedersehen, okay?"
Chris: Klingt sehr gut."
Ich lächle ihn noch ein letztes Mal an, bevor er aus der Halle geht und seine Sachen holen wird. Ich atme durch und lasse meinen Kopf einen Moment in den Nacken fallen. Ich hatte gestern noch so lange mit Anni geschrieben, dass ich wirklich kaum Schlaf abbekommen hatte. Heute morgen musste ich ja gleich wieder in der Halle sein. Bevor ich aufstehen will, schaue ich auf mein Handy und sehe, dass es knapp 17 Uhr ist. Anni könnte noch beim Studio sein, oder sie ist auch nach Hause, da sie am Wochenende nicht so lange arbeiten würden, meinte sie zumindest mal. Ich schreibe die Sachen noch ordentlich auf, damit ich, wenn ich endlich zu Hause bin, auch wirklich Feierabend habe.

Einige Arbeiter verabschieden sich, als ich zu meinem Büro laufe. Auch die fahren nach Hause, kommen in den nächsten Tagen etwas runter, bevor es wieder los geht. Bei meinem Platz setze ich mich und fahre den Computer hoch, lege daneben das iPad und suche mir schnell eine Playlist raus, damit es nicht so still hier sein würde. Vorher bekomme ich allerdings eine WhatsApp von Anni, die sie vor zwanzig Minuten geschickt hatte. Ich öffne diese und sehe das Bild, wo sie mir mit zeigt, dass sie zwei Karten für den Januar für unsere Show gekauft hat.
Chris: Dann konnte es jemand wohl doch einrichten. Wen wirst du denn mitnehmen?
Leise lasse ich nebenbei die Musik laufen und tippe die Dinge ein, die die Crew wissen sollte. Dabei auch erstmal wieder durch meine eigene Ordnung blicken und alles übersichtlich aufschreiben, bis wieder eine Nachricht angezeigt wird.
Anissa: John wird am Abend noch dabei sein, tut mir leid. Ich würde gerne etwas früher kommen, wenn es dir passt. Ich weiß ja nicht, wie ihr probt. Da wird John auch nicht dabei sein, versprochen Chris. Er hängt ja nicht immer bei mir rum.
Chris: Du musst dich niemals für irgendwas entschuldigen! Ich denke, dass du gegen 15 Uhr kommen könntest, da dort die letzte Probe zu Ende sein sollte.
Anissa: Dann werde ich mir das so merken.
Chris: Sehr gut. Ich arbeite gerade noch, aber sollte so in 30 Minuten zu Hause sein. Dann bin ich auch besser erreichbar.
Anissa: Ich lenke dich nicht weiterhin ab...

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