Kapitel 53

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John fährt mich wieder zum Studio. In der Zeit, wo ich dort mit der Band sitze, arbeite und reden, macht er die Besorgungen für mich, wo ich nicht mit bei sein muss. Die ganze Fahrt über schaue ich aus dem Fenster, lehne im Sitzt und lasse alles an mir vorbeiziehen. Ich brauche einfach eine Pause von diesem verdammten Alltag.

Das Auto wird von John in die Tiefgarage des Studios gefahren. Gleich beginnt dann also die Arbeit mit den Jungs. Auf meinem Handy ist keine Nachricht, auch auf Instagram ist gerade nichts los, also schaue ich nur aus dem Fenster und warte, bis John einen Platz gefunden hat, wo er kurzfristig halten kann.
John: Wie kommst du am Freitag nach Lingen, Anissa? Muss ich dich irgendwo hinfahren?"
Anissa: Ich fliege von Berlin nach Münster privat und werde dort dann von meinem Dad abgeholt. Du müsstest mich gegen 13 Uhr zum BER fahren."
John: Ich werde es mir eintragen. Dann muss ich dich vermutlich auch wieder abholen, wenn du in Berlin landest, bin ich richtig?"
Anissa: Genau. Aber ich hatte das noch nicht mit der Gesellschaft abgesprochen, wann der Flug geht. Ich würde dir das nochmal zukommen lassen. Ich schreibe dir spätestens einen Tag vorher, damit du Bescheid weißt."
John: Ich werde darauf aufpassen."
Dann hat John das Auto geparkt und schaltet es aus. Seinen Blick richtet der durch den Spiegel zu mir nach hinten und schaut mich ruhig an.
John: Um 19 Uhr bin ich wieder hier, so wie abgesprochen."
Anissa: Danke John. Wir sehen uns heute Abend. Den Zettel hatte ich dir gegeben, damit du die Besorgungen machen kannst?"
John: Habe ich. Heute Abend dann nach Spandau?"
Anissa: Genau. Ich muss jetzt. Bis später."

Ich öffne mir die Tür, nehme meinen Bass noch mit und schließe danach die Tür, damit ich zum Eingang laufen kann. Während ich im Fahrstuhl stehe, schaue ich nochmal auf mein Handy und öffne den Chat von Chris und mir.
Anissa: Hast du heute Abend Zeit, damit wir nochmal reden können? Gleich mit der Band arbeiten und danach muss ich noch Einkaufen fahren, unter viele Menschen gehen.
Anissa: Könnte einfach etwas Ablenkung gebrauchen.
Die Tür öffnet sich in der richtigen Etage und ich muss dann nur noch zum Studio laufen. Als ich durch die letzte Tür komme, sitzen die Jungs mit James und dem Tonmeister bereits im Raum auf dem Sofa oder auf den Stühlen und sprechen sich aus.
James: Dann sind wir vollzählig und können endlich weiter machen."
Anissa: An mir wird es nicht liegen, dass wir immer zu spät sind."
Claas sitzt in der Ecke und schaut mich verschlafen an. Er hat gestern wieder irgendwas genommen, zu wenig Schlaf bekommen und hat keinen Bock auf irgendwas.
Claas: Ich bekomme schon mit, was du sagst, Anissa."
Ich ignoriere ihn, so wie er mich auch oft ignoriert und stelle meine Bass an die Wand, damit ich danach noch ein letztes Mal aufs Handy schauen kann.
Chris: Ab 20 Uhr müsste ich zu Hause sein. Du kannst zwischendurch aber immer schreiben, sitze gerade nur im Büro und plane, schreibe und konstruiere.
Anissa: Danke Chris.

Ich muss zufrieden und glücklich lächeln und stecke mein Handy weg, damit mich das nicht ablenkt und damit wir arbeiten können. Allerdings schaut mich James an.
James: Mit wem wird geschrieben?"
Claas: Na mit ihrem kleinen Zauberhasen, der jetzt die letzte Woche bei ihr war."
James: Der hat dich zu Hause besucht? Warum sagst du sowas nicht?"
Anissa: Weil es euch einen scheiß angeht, was ich wann und mit wem mache. Wenn ich nur dumme Kommentare aus der Ecke bekomme."
Dabei zeige ich bewusst auf Claas und Julian, die mich seit Beginn damit aufziehen, dass ich mit ihm etwas hatte, halte meinen Blick aber bei James.
Anissa: Dann habe ich auch nicht vor euch das zu sagen. Mein Privatleben."
James hält sich raus und macht auch eine solche Handbewegung, als wolle er sich nicht in den Streit einmischen. Marco muss etwas lachen, während er etwas aus seinem Glas trinkt. Könnte Whiskey sein, denn das steht hier im Probenraum oben immer rum. Und Claas und Julian wechseln stumme Blicke, bevor sie sich einander zuwenden und mich wieder ausschließen.
James: Für derlei Themen sind wir nicht hier, wir wollen an dem Album arbeiten. Also, wo waren wir beim letzten Mal stehengeblieben und wo steigen wir wieder ein?"

Die erste Stunde wurde nur besprochen, was wir bei dem neuen Song machen wollen, wie er wirken soll und was für Parts wer übernehmen sollte. Danach war Marco als erster dran, danach ich und als letztes Julian. Auf dieser Grundlage konnte Claas dann den Text anpassen und wir konnten überlegen, ob wir noch was verändern wollen. Das ging durchgehend bis 19 Uhr auch so, aber am Ende hatten wir das erste Konstrukt eines neuen Songs für das neue Album.

James lässt Claas wieder aus den Raum und bleibt danach auch stehen. Claas hingegen lehnt an der Tür zum Aufnahmeraum, schaut auf den Boden und ist allgemein nicht begeistert. James interessiert es nicht, oder er ignoriert es aktiv.
James: Das lief doch mega gut! Dann hätten wir die Grundlagen für den Song und-"
Claas: Der Song klingt scheiße."
James wird still und wir schauen zu Claas hin. Er war immer ehrlich und sagte seine Meinung, wenn er es wollte oder wenn ihm etwas nicht gefiel.
Claas: Die Instrumente passen nicht, der Text ist unpersönlich und es klingt monoton."
Julian: Und was würdest du machen?"
Claas: Das müsste viel weniger sein, viel ruhiger und nicht so in die Rock Richtung. Und wir bräuchten eine zweite Sängerin."
Claas richtet seinen Blick zu mir hin und automatisch machen das die anderen auch.
Claas: Das Lied sollte ich mit dir zusammen machen."
Anissa: Was? Ich habe noch nie mehr als Backing Vocals gemacht und-"
James: Ausgeschlossen! Es hat immer so funktioniert und wir weiterhin so gemacht. Claas, du bist der Sänger und gehörst nach vorne."
Claas gibt einen stummen Kommentar dazu ab, belässt die Sache aber.

Wir packen alle die Sachen zusammen, die wir mitgenommen hatte. Heißt, dass ich meinen Bass einpacke.
James: Wir machen dann nächste Woche so weiter, dann schaffen wir es auch, dass das Album im kommenden Jahr steht. Weihnachten und dann gleich am 27. treffen wir und wieder hier und-"
Anissa: Das geht nicht."
Alle schauen mich an, während ich den Koffer meines Basses schließe und dann in die Hand nehme. Ich muss noch weg und habe dafür keine Zeit.
Claas: Was hast du bitte vor?"
Anissa: Ich fahre für die Tage nach Hause und komme erst in Januar wieder. Ich werde zu Weihnachten gar nicht mehr hier sein."
Julian: Warum jetzt plötzlich? Oder willst du uns einfach nicht sagen, wo es dich wirklich hin verschlägt?"
Er schaut mich selbstsicher an, allerdings gehe ich auf ihn zu und bleibe knapp vor ihm stehen, sodass ihm sein dreckiges Grinsen vergeht.
Anissa: Falls du dich erinnern kannst, meine Mom hat Krebs und ich weiß nicht, ob ich sie nächstes Jahr noch besuchen kann. Ich fahre nach Hause und ihr könnt das nicht ändern."
Ich stehe starr vor ihm, bis James nach meiner Schulter greift und mich zurücknimmt.
James: Ich wünsche dir dann schöne Tage bei deiner Familie. Können wir uns dann in der zweiten Woche im Januar hier treffen?"
Anissa: Können wir. Falls ihr mich entschuldigt, ich habe noch etwas zu erledigen."

Alle nicken einfach nur und ich verlasse danach den Raum. Ich würde Claas manchmal gerne den Hals umdrehen, wenn er denn nicht mein bester Freund sein würde. Ich weiß doch auch nicht, warum sie sich gegen mich verschworen haben. Warum sie in den letzten Jahren so abweisend geworden sind. Habe ich etwas falsch gemacht? Oder ist es einfach diese verdammte Stadt, die hier alles immer wieder zerstört? Weil wir alle Probleme haben, die eben immer anders aussehen? Ich habe doch keine Ahnung!

Ich stehe im Fahrstuhl und hole dort mein Handy wieder raus. Chris hatte mir zwischendurch nicht geschrieben, aber immerhin wollte auch ich mit ihm schreiben und ihn dabei definitiv nicht von der Arbeit abhalten.
Anissa: Letzte Probe für dieses Jahr überstanden. Jetzt geht es noch einkaufen und später wieder nach Hause.
Ich bin froh, dass nach kurzer Zeit oben in der Zeile steht, dass er online ist und dass sich das kurz darauf auch in "schreibt..." ändert.
Chris: Lief es gut oder war es eine Katastrophe?
Anissa: Lief okay. Wir haben zwar theoretisch ein Konstrukt eines Songs, aber Claas kann ihn so nicht leiden. Wird also auch wieder Arbeit werden.
Chris: Aber nicht mehr in diesem Jahr, Anni. Genieße jetzt erstmal die Auszeit.
Anissa: Das werde ich sowas von machen.
Die Türen öffnen sich und durch die letzte schwere Tür geht es in die Tiefgarage, wo ich John auch gleich sehe.
Anissa: Ich muss los und halte dich nicht weiter auf. Ich schreibe dir eventuell später nochmal, wenn ich wieder zu Hause bin.
Chris: Ich werde warten. Dir viel Erfolg, bei dem, was du noch zu erledigen hast.

Beim Auto angekommen nimmt mir John die Sachen ab und packt sie in den Kofferraum. Auf dem Rücksitzt liegt die Mütze, die ich haben wollte, sodass ich während der Fahrt meine Haar unter dieser verstecken kann, damit ich in Spandau gleich nicht erkannt werden kann. Ich hasse Weihnachtsshoppen...

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