Two Sides of Our Life

Kapitel 65

Die Bühne ist leer, die Arbeiter in der Pause oder bei den letzten Vorbereitungen. Wir beide stehen allein auf der Bühne, wobei ich etwas am Rand stehengeblieben bin und Anni eine lange Zeit schweigend beobachte.

Annis Blick geht über die gesamte Bühne rüber. Und eigentlich dachte ich, dass unsere deutlich weniger spektakulär für sie sein sollte. Aber die erste Zeit geht sie einfach still umher und schaut sich um.
Anissa: Ihr arbeitet viel mir Licht, medialer Gestaltung und Pyrotechnik, oder? Bei uns in der Show arbeiten wir ja nur mit Licht und an den Seitenwänden sind die Leinwände. Euer Aufbau ist da deutlich beeindruckender."
Chris: Wenn man sich die Shows von Rammstein als Vorbild nimmt."
Anissa: Gestaltest du das?"
Jetzt bleibt sie wieder stehen, damit sie zu mir schauen kann. Dieses Mal sehe ich ein ehrlich glückliches Grinsen bei Anni, die sich wirklich dafür interessiert, was wir hier auf der Bühne und während der Show machen.
Chris: Ich gestalte viel mit, mein Bruder arbeitet dafür in der Halle. Was sollte ich anderes auch machen, wenn ich Pyrotechniker selbst bin."
Anissa: Und Andreas?"
Chris: Mein Bruder arbeitet mehr in der Halle an den Illusionen. Das alles um die Show herum, ist meine Welt."
Anissa: Beeindruckend, Chris. Das hätte ich nicht gedacht."
Chris: Wir können gerne noch etwas nach hinten gehen und reden, bevor ich keine Zeit mehr dafür habe, wegen der Show."
Anissa: Klar, sehr gerne."

An der Seite der Bühne halte ich den Vorhang zur Seite, damit Anni als erste durchgehen kann. Als wir dann gerade wieder zum Flur und somit zu meiner Kabine laufen wollen, kommen uns auch unsere Musikerinnen entgegen, wobei wir alle stehenbleiben. Die vier schauen Anni an, die danach ihren Blick unsicher zu mir wendet.
Chris: Soll ich euch bekannt machen?"
Anissa: Sehr gerne."
Gut, es geht von Anni aus und ich denke, dass die anderen auch nichts dagegen haben.
Chris: Also, die vier gehören zu unsere Band der Show. Da haben wir Alina und Mirijam, unsere Sängerinnen. Silvana ist unsere Gitarristin und unsere Anni ist Drummerin."
Anni lächelt, während die vier wohl irgendwie schauen, wen sie vor sich stehen haben.
Chris: Heute zu Besuch ist Anissa Sanders, sie-"
Silvana: Die Bassistin der Band Public Therapy."
Chris: Ihr...kennt...sie?"
Anni: Als Musikerin sollte man die Band kennen. Erst recht, wenn sie einen solch großen und bedeutenden Namen in der Musikbranche haben."
Anissa: Ich würde es zwar nicht also sowas bezeichnen, aber danke euch."
Ich kann sehen, dass es ihr ebenfalls unangenehm ist, wenn man so über sie oder ihren Beruf redet. Anni wendet ihren Blick etwas von ihnen ab, wobei ich noch mitbekomme, dass sie leicht rot wird.

Mein Blick liegt einen Moment noch auf Anni, bevor ich wieder zur Band schaue. Sie haben gleich ihre Probe, im Anschluss etwas Freizeit, bevor sie sich auch auf die Show später vorbereiten müssen.
Alina: Du bist den ganzen Abend heute hier?"
Anni schaut wieder auf und zu Alina hin. Diese lächelt sie sanft an, damit sie sich etwas wohler in deren Umgebung fühlt.
Anissa: Ich bin bis nach der Show noch hier. Es...ist auch das erste Mal, dass ich bei einer solchen Show hier bin. Immerhin haben wir auch erst im September einander kennengelernt."
Jetzt bin ich derjenige, der verlegen wegschaut und versucht sein Lächeln zu unterdrücken. Anni bekommt das mit und selbstverständlich auch die Band.
Silvana: Falls du später etwas Zeit haben solltest, wenn sich die beiden fertig machen müssen, unsere Räumlichkeit steht dir offen."
Anissa: Vielen Dank. Ich werde vorbeischauen. Ihr wolltet gerade zur Probe, oder? Dann halten wir euch mal lieber nicht länger ab."
Anni: Dauert alles nicht lange."
Alina: Nur ein kurzer Soundcheck, damit heute Abend alles richtig klingt."

Wir verabschieden uns, die Band geht auf die Bühne und ich gehe mit Anni den Flur runter, damit wir bei meiner Kabine ankommen werden. Währenddessen schaut sie die gesamte Zeit runter auf dem Boden, wobei ich noch immer erkennen kann, dass sie lächeln muss. Wie beim Hinweg greife ich wieder nach ihrer Hand, sodass sie danach endlich ihren Blick wieder zu mir richtet.
Chris: Dir ist es scheinbar auch unangenehm, wenn man dich auf deine Musik anspricht, oder?"
Anissa: Es ist mir immer wieder so unangenehm. Man sollte meinen, dass man sich irgendwann daran gewöhnt, aber...ich bin keine 30 Jahre alt und von so vielen Menschen, die teils älter sind als ich, auf meinen "Erfolg" angesprochen zu werden, fühlt sich oft noch so fremd an."

Während ich sie ein wenig anlächle, wendet Anni ihren Blick wieder von mir ab. Zuerst wandert dieser wieder auf den Boden, bevor sie nach unseren beiden Händen schaut. In Berlin habe ich das fast jeden Abend getan. Ihre Hand gehalten. Aber jetzt ist es etwas anderes. Wir sind bei meiner Arbeit, in privateren Umfeld und das scheint auch sie zu bemerken. Als sie allerdings gerade etwas dazu sagen will, ziehe ich sie mit in meine Kabine, da wir dort wieder angekommen sind. Dort lasse ich das erste Mal ihre Hand wieder los und schließe hinter uns beiden die Tür.
Chris: Etwas Zeit haben wir noch, bevor ich fertig gemacht werde."
Anissa: Dann können wir noch etwas reden, Zeit vertreiben, einander haben."
Ich lege mein Handy zur Seite, damit es etwas laden kann. Anni lässt sich in der Zwischenzeit auf das Sofa fallen und schaut danach zuerst an die Decke.
Anissa: Ihr habt so viele verschiedene Menschen bei euch arbeiten und trotzdem kommt mir das alles hier so familiär vor. Ich kenne viele der Menschen nicht mal, die bei mir auf Tour arbeiten. In jedem Stadion jemand anderes..."
Chris: Zauberkunst lebt aber auch von Geheimnissen und da braucht man eine feste Crew, auf die man sich verlassen kann."
Anissa: Aber jemanden zu haben, der einen kennt und nicht einfach fürs Geld da ist, sondern für das lebt, was er macht, wäre schöner. Ihr habt das erreicht...ihr habt so viel mehr erreicht als ich mit meiner Band...