Kapitel 79

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Der letzte Abend in Frankfurt, bevor die Tour eine kurze Unterbrechung hat. Und auch eine der letzten Tage, wo Anni ausgeplant ist, wegen ihrem kleinen Konzert und wenige Tage, bevor sie zu mir nach Enger kommen wird. Gut, das ist noch etwas über eine Woche entfernt, aber im Hinterkopf habe ich bereits kreisen, was ich noch erledigen sollte.

Heute Mittag hatten Andreas und ich unsere erste Show, die auch sehr gut verlief. Keine größeren Probleme, nur die übliche Verspätung und das Publikum war auch sehr gut drauf. Jetzt am Abend sitze ich noch in der Kabine, bin immerhin schon bereit für die Show gleich und arbeite die letzten Sachen am Mac durch, die wir noch verändern wollten. Über meine Kopfhörer habe ich noch Musik laufen, wobei gerade alles mögliche abgespielt wird. Ich hatte einfach irgendeine Playlist angestellt, damit ich was laufen habe. Die Crew vorne braucht das noch und natürlich habe ich damit etwas zu spät angefangen, sodass wir wieder zu spät anfangen werden. Ein pünktlicher Anfang wäre allerdings auch ein großes Wunder gewesen. Immer wieder schaue ich auf mein Handy, da Anni mir noch einen Link für später schicken wollte und zudem auch ein paar Infos, wann das ganze jetzt wirklich anfangen soll. Sie meinte, dass es frühstens gegen 22 Uhr anfangen sollte und das würde ich heute auch hinbekommen. Aber auch sie wird noch in den Vorbereitungen stecken.

Andreas tippt mir leicht auf die Schulter, wobei ich ihn bereits im Spiegel sehen konnte. Ansonsten hätte ich mich sehr wahrscheinlich erschrocken. Die Musik stoppt automatisch, als ich meine Kopfhörer rausnehme und in die Case dazu lege.
Chris: Ich bin hier gleich fertig. Entschuldige, dass ich wieder zu spät angefangen habe."
Andreas: Etwas anderes hatte ich doch gar nicht erwartet, Bruder."
Er muss etwas lachen und natürlich verstehe ich das auch. Immerhin bin ich ja immer spät dran. Im Verteiler suche ich die Crewmitglieder, die es interessiert und wähle sie nacheinander aus.
Andreas: Wie geht es Anissa gerade?"

Auch Andreas hatte mitbekommen, dass mal wieder etwas über ihre Band berichtet wurde. Es geht zwar nur um Julian, aber trotzdem kann er sich denken, dass es die gesamte Band belastet. Wäre bei uns auch der Fall, würde es einen von uns beiden treffen.
Chris: Ganz okay, danke ich. Sie spricht nicht sehr viel darüber. Immerhin gibt Julian ihr auch immer wieder die Schuld dafür."
Andreas: Und was sagt der Rest der Band dazu? Wem glauben sie?"
Chris: Marco steht hinter Anissa, sie sind auch beste Freunde. Aber Claas...der hatte schon länger auch etwas gegen sie. Bestimmt nur eine Frage der Zeit."
Andreas: Anstrengende Zeiten für die jungen Musiker. Ich weiß nicht, wie ich in dem Alter damit umgegangen wäre."
Ich weiß, dass ich daran verzweifelt bin. Und ich glaube, dass Andreas diese Aussage auch gleich bereut. Wir reden nicht über das, was damals passiert ist. Es war und ist nicht mehr. Es ist kein Teil mehr von dem, was über mich im Internet steht und daher beachte ich es auch weniger. Aber ich weiß, wie schlecht man sich fühlt. Immer beobachtet. Man passt so paranoid auf, was man sagt und macht. Irgendwann fühlt man sich nirgends mehr sicher.

Ich klappe meinen Mac zu und stehe im nächsten Moment auch von meinem Platz auf, damit ich zu meinen Sachen gehen und mir eine Jacke schnappen kann.
Chris: Letzte Show des Abends, dann erstmal eine kurze Pause."
Andreas: Hattest du etwas vor?"
Chris: Anissa kommt mich besuchen. Das war der einzige Termin, der uns beiden gepasst hatte. Sie plant ihre Tour für den Sommer und wir müssen arbeiten."
Andreas: Auch anstrengend. Was ist mit dem kleinen Gig, von dem du gesprochen hattest? Wann ist der heute?"
Chris: Ich denke, dass er gegen 22 Uhr los geht. Ich habe keine Nachricht mehr von ihr bekommen. Sie wird aber auch im Stress sein."
Andreas: Sollten wir beide ja zu gut wissen."
Mein Bruder muss etwas grinsen, während ich anfange zu lachen. Im Spiegel schaue ich nochmal, dass der Kragen sitzt, dass die Haare liegen und das sich keine Kette verkeilt hat.
Chris: Ich werde nach dem Ende recht zügig zum Hotel laufen."
Andreas: Natürlich. Ich werde dich nicht aufhalten."
Danach ist er einen Moment still, steht schweigend hinter mir, bis ich mich zu ihm umdrehe, da wir gehen können, was ich ihm auch andeute.
Andreas: Was...wie läuft es zwischen euch?"

Wir verlassen zusammen meine Kabine, wobei ich merke, dass er mich noch eine lange Zeit anschaut. Kein unangenehmes Gespräch, aber trotzdem muss ich mit den Schultern zucken, da ich selbst keine klare Antwort habe.
Chris: Gut, denke ich. Nicht so wie zuvor, wo es diese seltsame Bindung war, wo wir immer überlegt haben, was wir sagen und machen sollten, aber...immer noch nichts klares."
Andreas: Freust du dich auf ihren Besuch?"
Chris: Sehr. Ich habe sie gerne um mich rum. Rede gerne mit ihr. Verbringe Zeit mit ihr. Wir beide wissen auch, dass eine einfache Freundschaft zwischen uns irgendwie nicht so funktionieren will, aber ob es für mehr reicht...wird sich wohl erst zeigen müssen."
Meinen Blick lasse ich zu Andreas schweifen, um zu wissen, ob ihm das Antwort genug war. Wir kommen bei der Bühne an, wo einige aus der Crew auf uns gewartet hatten. Andreas und ich bleiben stehen, er denkt über meine Worte nach und lächelt danach leicht.
Andreas: Ich würde mir wünschen, dass es zwischen euch beiden funktioniert. Aber wie du es sagst, dass wird sich alles wohl erst zeigen."
Chris: Genau."
Der Countdown zur letzten Show fängt an. In 90 Sekunden beginnt die Show, daher müssen wir langsam auf unser Position gehen.
Chris: Aber gerade genieße ich die Zeit einfach, die ich mit ihr habe, wie auch immer die aussehen mag."
Danach sieht er noch mein ehrliches Lächeln, bevor wir auf Position sind. Eine Show, zwei Stunden, damit wir das Publikum nochmal verzaubern können.

Die Stimmung war sehr gut, mein Bruder und ich waren gut drauf und haben die Show so gespielt, wie sie geplant und geprobt ist. Die ein oder andere Panne passiert ja gefühlt jeden Abend. Die Band spielte ihre Parts wieder perfekt und allgemein war es einfach ein gelungener Abend, der gegen halb zehn am Abend vorbei ist. Dann sind Andreas und ich wieder hinter der Bühne und ich kann auch das erste Mal wieder aufs Handy schauen, wo ich ihre Nachricht endlich zu lesen bekomme.
Anissa: Wir fangen gegen 22.15 Uhr an. Ich konnte dir also noch etwas Zeit verschaffen. Den Link schicke ich dir in der nächsten Nachricht.
Auf dem Weg zu meiner Kabine muss ich lächeln, erhalte den Link und habe noch 45 Minuten, bevor ich im Hotelzimmer ihr kleines Konzert streamen werde...

Two Sides of Our LifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt