Kapitel 7

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John begleitete mich noch bis ins Hotel, wo ich bei der Anmeldung von einer netten Dame empfangen wurde. Bei so manch anderen Künstlern, die Ansprüche haben, zu dieser Tageszeit betrunken sind oder generell unfreundlich, noch so freundlich zu sein, verdient meinen höchsten Respekt. Ich könnte das definitiv nicht und muss es zum Glück auch nicht. Jedenfalls sagt mir diese, dass mein Zimmer in der dritten Etage ist, da sie uns als Band leider kein gemeinsames Zimmer geben konnten. Es wurde von unserem Manager nicht angegeben, aber mir war das auch egal.

Nachdem ich noch gesagt bekommen habe, dass wir zusammen als Band gegen 18.30 Uhr von unserem Fahrer in der Lobby erwartet werden, kann ich auch mit dem Fahrstuhl hoch in meine Etage fahren, wo mein Zimmer ist. Ich muss dort nochmal den Flur fast komplett runterlaufen, bis ich vor der richtigen Tür stehe. Da in die gesamte Anlage keine Presse gelassen wird, Anweisung des Veranstalters, geht auch John zu seinem Zimmer danach. Er hingegen hat seines in der ersten Etage, da ich es aus eigener Tasche zahlen musste. Ich verstehe die Differenzierung von James nicht, da die Leibwächter der Jungs bei ihnen sein dürfen und meiner eben nicht, aber ich wollte nicht mit dem diskutieren, da es sowieso zu keinem logischen Schluss kommen würde. Das Zimmer ist groß und ordentlich. Was hatte ich bei der Anlage auch erwartet? Im Flur kann ich meine Jacke aufhängen und den Koffer stelle ich vor den kleinen Tisch, an dem ich später fertig gemacht werde. Das Bett ist weich genug für mich und eigentlich fast schon zu groß. Vermutlich ist das aber auch ein Zimmer für zwei Personen. Egal. Der Ausblick geht nach vorne auf die Straße vor dem Hotel. Dort sehe ich ein paar Sendungen und Zeitungen, die wohl versuche mitzubekommen, wer ins Haus kommt und wer dieses wann und mit wem verlässt. Danke, dass es Tiefgaragen gibt.

Ich richte mich ein. Zumindest hänge ich die Sachen, die ich am Abend tragen werde, ordentlich auf einem Haken, damit sie nicht noch mehr Knicke bekommen, als sie es jetzt schon haben. Die Schuhe stelle ich auch davor schon ab und suche am Handy ein Bild vom CD-Cover, da Sonja mir später die gleiche Frisur wieder machen soll. Ich hoffe, dass sie das hinbekommen wird und dass das nicht zu viel Arbeit ist. Nach mir muss sie auch noch zu jemand anderen hingehen, aber sie meinte, dass sie es schaffen wird. Jetzt ist vielleicht auch einfach nicht der Zeitpunkt, um darüber nachzudenken. Ich lege alle Produkte, die Sonja später brauchen könnte, auf den Tisch, da ich seit Jahren immer dieselben nutze und so muss sie nichts besorgen oder von ihrem Vorrat verschwenden.

Als das erledigt ist und als ich auch nochmal unter der Dusche war, damit ich für den Abend bereit wäre, rufe ich nochmal meine Mutter an, während meine Haare noch den Rest trocknen.
Anna: Sanders?"
Anissa: Vielleicht solltest du so langsam mal meine neue Nummer einspeichern, damit du deine Tochter nicht immer so begrüßen musst."
Natürlich kann meine Mama darüber lachen, da sie weiß, dass ich das nicht ernst meine. Ich hatte meine Nummer gewechselt, nachdem private Inhalte von Marco öffentlich gemacht wurden. Danach habe ich mir eine neue angeschafft und sie keinem gesagt. Nicht mal die Jungs oder James wissen sie, da ich über ein älteres Handy noch mit der alten Nummer arbeiten kann. Bin ich eventuell etwas zu paranoid?
Anna: Seid ihr gut in München angekommen Süße? Oder gab es beim Flug Probleme? Du meldest dich erst so spät am Nachmittag."
Anissa: Ich habe mich schon etwas fertig gemacht Mom, daher kann ich mich erst jetzt melden. Ist es ungünstig?"
Anna: Ich muss gleich noch zu einer Behandlung."
Die Chemo...da muss sie wohl noch hin und ich habe das wieder vergessen. Seitdem ich in Berlin bin, vergesse ich so vieles im Leben meiner Eltern und habe das Gefühl, wir entfernen uns voneinander.

Ich lasse mich aufs Bett fallen und atme einmal durch. Ich war schon in Berlin, als sie ihre Diagnose bekommen hatte. Blutkrebs. Leukämie. Zum Glück wurde es noch recht früh entdeckt, sodass sie noch behandelt werden kann, aber keiner weiß, ob es weggehen wird oder ob es ihr nur etwas mehr Zeit geben wird. Seit neun Jahren bin ich in Berlin und vor drei Jahren bin ich das letzte Mal in meine Heimat gefahren. Ich schaffe es zeitlich einfach nicht.

Das Klopfen an meiner Tür reißt mich aus meinen Gedanken, sodass ich mit dem Handy und meiner Mutter auf der anderen Seite dahin gehe und diese öffne. Sonja, eine nett aussehende Frau, scheint gleich zu bemerken, dass sie zwar reinkommen, aber noch leise bleiben soll.
Anna: Wo kann ich die Verleihung denn heute Abend sehen Anissa?"
Anissa: Ich habe das noch gar nicht rausgefunden Mom, aber ich werde das gleich mal rausfinden und dir schreiben, okay? Ich muss leider wieder los. Ich werde jetzt fertig gemacht."
Anna: Dann werde ich ja heute Abend sehen, was sie aus dir gemacht haben. Viel Spaß euch vieren heute Abend. Dein Vater und ich sind beide stolz auf dich."
Anissa: Danke Mom...ich habe euch lieb..."
Ich lege auf und schaue noch kurz auf mein Handy. An Tagen, wo ich viel um die Ohren habe und nicht zur Ruhe komme, spüre ich gar nicht, wie sehr ich sie vermisse zu manchen Zeiten. Aber heute, bei solchen Ereignissen, umso stärker.
Sonja: Entschuldige, dass ich einfach so euch unterbrochen habe."
Ich schaue auf und das erste Mal auch Sonja in die Augen, die ruhig vor dem Tisch steht, wo sie auch schon ihre Sachen abgestellt hatte.
Anissa: Nein! Alles gut, ich...es war nur meine Mutter. Sie wollte wissen, wo sie das heute sehen kann...lass uns einfach anfangen."

Sie zieht mit den Stuhl vor, damit ich mich setzen kann. Ich lächle, atme aus, lasse die Anspannung hinter mir und nehme Platz. Zuerst kämmt sie meine Haare durch und schaut zu mir.
Sonja: Zuerst die Haare und dann das Make-Up. Was soll ich tun?"
Ich öffne auf dem Handy das Bild des Albums, da sie sich daran orientieren soll. Ich gebe ihr das Handy, was sie annimmt und es sich dann nochmal genauer anschaut.
Anissa: Zur Orientierung. Mach das draus, was für dich möglich ist."
Sonja: Das sollte alles kein Problem sein. Wir haben Zeit, da ich jetzt schon weiß, dass er gleich zu spät dran sein wird."
Anissa: Derjenige, wo du gleich hin musst?"
Sonja: Genau. Sein Bruder meinte eben, dass er nochmal weg musste, da er etwas zu Hause hatte liegen lassen und es sich nochmal kaufen musste. Ich wette, er kommt mindestens zehn Minuten zu spät ins Hotelzimmer."
Anissa: Könnte auch mir wieder passieren...

Two Sides of Our LifeWhere stories live. Discover now