Kapitel 49

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Chris hat mich zu etwas gebracht und getrieben, was ich seit Jahren nie getan habe. Ich habe meine Wohnung nicht mehr allein verlassen, seitdem ich mich von meinem letzten Freund getrennt hatte. Die Presse war unausstehlich geworden, haben mich verfolgt, sind mir aufgelauert, bis ich irgendwann nicht mehr konnte und mich einfach in meiner Wohnung in Sicherheit wiegen wusste.

Jetzt krame ich in meinem Schrank nach einer Mütze, die ich aufsetzen kann. Dabei fällt mir auch auf, dass ich wirklich dringend Farbe in meinem Schrank brauche. Fast alles ist einfach schwarz. Das sollte mich jetzt aber nicht beeinflussen, ich will noch rausgehen. In der hintersten Ecke meines Schranks, neben Schals und Socken liegen auch meine zwei Mützen, die ich besitze. Die eine ist etwas kaputt oder sollte einen solchen Look haben, aber ich versuche so unauffällig wie möglich zu sein. Mit aus dem Schrank nehme ich wieder einen Hoodie, den ich überziehe und danach verlasse ich das Zimmer auch. Als ich durchs Wohnzimmer zum Flur laufen will, schaue ich beinahe automatisch wieder auf die Jacke von Chris. Kurz bleibe ich stehen, schaue dort nur hin, bis ich doch zum Sofa gehe und diese mitnehme. Im Flur ziehe ich mir seine Jacke an, lege meine Haare alle so hin, dass ich sie unter die Mütze bekomme und setze danach noch die Kapuze wieder auf. Danach schaue ich mich im Spiegel an und versuche mich selbst zu stärken. Als ich zu meinen Schuhen schaue, damit ich mir die Stiefeln anziehen kann, bemerke ich auch Sylvester, der mich von der Seite aus anschaut.
Anissa: Ich bin nicht lange weg Sylvester, versprochen."
Die Stiefel sind schnell angezogen, sodass ich danach auch komplett fertig bin und zum Fahrstuhl schaue, bevor ich nach dem Schlüssel greife.
Anissa: Ein wunder, dass ich sowieso die Wohnung allein verlasse..."

Noch einmal durch das Fell von Sylvester streichen, bevor ich zum Fahrstuhl gehe, den Rufe und mit dem dann ins Erdgeschoss fahre. Ich laufe allein durch die Straßen von Berlin. Zu Beginn schaue ich die ganze Zeit runter auf dem Gehweg, aber mit der Zeit beobachte ich die Leute, die hier über die Straßen laufen, sehe die Dekoration in den Straßen und sehe Berlin wieder von einer anderen Seite. Von einer schönen Seite. Ich komme auch schnell beim Weihnachtsmarkt an und ich hatte den nicht mehr so schön in Erinnerung. Ich war einmal mit meiner Mom hier, als sie zu Besuch in Berlin war, aber das ist auch bald sechs Jahre wieder her. Ich gehe unauffällig zwischen den ganzen Besuchern hindurch, bleibe bei vereinzelten Ständen mal stehen, aber setze meinen Weg vor.
Besucherin: Nicht wirklich?! Du, hier!"
Ich senke automatisch meinen Blick. Bitte jemand anderes und nicht ich. Ich höre ihre Schritte, dass sie irgendwie in meine Nähe kommt, aber am Ende streift sie mich nur kurz und geht zu einem Mann, der hinter mir an einem anderen Stand gewartet hatte. Alles ist gut Anni...mach dir nicht zu viele Gedanken. Eine lange Zeit hatte ich überlegt, ob ich etwas essen oder trinken will, dann müsste ich aber zwangsmäßig reden. Aber am Ende musste es ein Glühwein sein, da ich anders nicht wieder den Markt verlassen könnte. Auch wenn mich der Verkäufer eine Zeitlang etwas genauer angeschaut hat, er hat mir den Becher einfach übergeben und mich gehen lassen. Ich gehe weiter, trinke einen Schluck und habe danach ein sanftes Lächeln auf den Lippen. Was ein schöner Abend.

Sicht von Chris...

Die Post in die Wohnung holen, danach etwas Ordnung schaffen, die Wäsche machen und alles wieder einsortieren, was einsortiert werden musste. Währenddessen immer wieder Tweety über den Weg laufen oder ihn auf der Schulter sitzen haben. Ich habe in gewisser Weise mein zu Hause vermisst.

Zum Abend hin bereite ich mir etwas zum Essen zu, bevor ich mich im Wohnzimmer zu Tweety geselle. Auch wenn er die meiste Zeit in seinem Käfig oder irgendwo im Raum sitzt oder fliegt, ich freue mich, dass ich ihn habe und wieder täglich sehe. Immer wieder wandert mein Blick allerdings auch auf mein Handy. Ich warte auf ihre Nachricht. Ob sie am Ende wirklich rausgegangen ist? Ob sie allein rausgegangen ist? Sollte sie mit John gegangen sein, dann wäre sie erst recht auffällig. Ich verstehe Anni in den Zügen schon. Ich weiß nicht, wie es mir gehen würde, wenn ich so jung schon derartig viel Aufmerksamkeit bekommen hätte. Sie war gerade mal 20 Jahre alt und all das, was danach kam...sie hatte es zu Zeiten auch nicht sonderlich einfach.

Meinen leeren Teller stelle ich auf den Tisch und suche danach an meinem Fernseher Netflix raus, damit ich eine Sendung weiterschauen kann. Schlussendlich wechsle ich doch zu Disney+ und schaue eine Folge von Death in Paradise und lehne mich etwas bequemer gegen das Sofa. Zwischendurch, als es gerade spannend wird, kommt Tweety zu mir und setzt sich einfach auf meinem Bein ab und schaut zu mir hin.
Chris: Was willst du denn, kleiner? Du hast essen und trinken und Zeit zum Schlafen ist es auch noch nicht."
Er legt seinen Kopf etwas zur Seite und ich muss lachen. Mein Bruder würde sagen, dass ich sie nicht mehr alle habe, da ich schon mit meinem Vogel anfange zu sprechen. Wenn sonst keiner hier ist und wenn er mich derartig anschaut? Da muss ich drauf reagieren. Die Serie ist einen Moment egal, sodass ich zu Tweety hinschaue, bis er sich dazu entscheidet, dass der Ast über seinen Käfig doch interessanter ist als ich hier. Dort sitzt er schweigend, während ich versuche meine Folge zu verfolgen und wieder den Anschluss zu finden. In diesen Zügen vermisse ich auch etwas den Kater von Anni. Sylvester hat sich einfach immer dazu gelegt, hat geschlafen oder wollte Aufmerksamkeit bekommen, sodass ich ihn dann streicheln durfte. Vielleicht das bessere Haustier, wenn man vollkommen allein lebt und die Abende auch allein in der Wohnung verbringt. Aber ich glaube kaum, dass sich eine Katze mit meinen Tweety vertragen würde.

Das Handy vor mir auf den Tisch blinkt endlich auf. Dieses Mal ist es nicht mein Bruder oder eine der nervigen Benachrichtigungen aus einer der Gruppen. Es ist eine WhatsApp von Anni, die jetzt vielleicht wieder zu Hause angekommen ist. Oder sie beichtet mir, dass sie gar nicht los war, sondern mit Sylvester auf dem Schoss, der dort tief und fest schläft, auf dem Sofa geblieben ist. Denn ein solches Bild bekomme ich von ihr geschickt, wobei sie mir auch gleich eine Nachricht dazu schreibt.
Anissa: Es war die beste Entscheidung, mal wieder auf den Weihnachtsmarkt zu gehen. Der Glühwein hat zwar etwas gewärmt, aber mir ist trotzdem kalt. Zum Glück habe ich eine flauschige Wärmflasche.
Chris: Das klingt sehr gut. Ich muss auch mal dringend auf einen Markt gehen. Ihr beide sehr dort sehr süß aus.
Chris: Hat es dir also gefallen? Wirst du es nochmal machen?
Anissa: Auf jeden Fall! Ich habe Berlin wieder von der Seite gesehen, in die ich mich damals verliebt hatte und weswegen der ich herziehen wollte...

Two Sides of Our LifeDonde viven las historias. Descúbrelo ahora