𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟟𝟘

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Robin saß aufgeregt und extrem nervös vor Nias Haustüre.

Sie hatte ihm vor einer Stunde geschrieben, dass sie um diese Uhrzeit, in etwa, zu Hause wäre und das sie dann reden könnten.

Gedanklich ging er immer wieder durch, wie er ihr das volle Programm beichten könnte. Er hatte mehrere Varianten auf Lager und momentan fand er alles und jedes Scheiße.

Bei einer hatte er vor, sofort mit der Gesamtheit herauszurücken. Bei der Nächsten wollte er erst hypothetisch vorgehen und ihre Reaktion abwarten. Dann hatte er noch eine in petto wo er eine unechte Rose ohne Stängel, die er von der Hochzeit, wo sie als Deko fungierte, mit gebracht hatte, die momentan in seiner Hosentasche steckte und ihr überreichen wollte. Doch mit dieser Geste hatte er mehr vor. Robin wollte ihr damit erklären, dass sie keine Angst haben müsste, denn er würde sie für immer lieben, so wie diese Blume für immer blühen würde.

Jetzt zum gegenwärtigen Zeitpunkt fand er diese Variante zu kitschig.

Aber vielleicht wäre genau dieser Kitsch das Richtige für Nia. Er wusste von Filmen und Serien, die sie bisher zusammen geguckt hatten, wie sehr sie auf so etwas stand. Am besten noch mit Publikum, damit jeder sah, in welchem Maße das Mädchen doch geliebt wurde.

Er überlegte, wie nochmal der Film hieß, den sie vor kurzem auf Netflix geschaut hatten. Es ging um einen Jungen und ein Mädchen, die beste Freunde waren und dann gab es in dieser Situation aber auch noch einen älteren Bruder des Jungen und besagte beste Freundin verliebte sich in ihn.

Die zwei kamen schließlich zusammen und der beste Freund des Mädchens war dann sauer auf sie und beide sprachen nicht mehr miteinander. Natürlich hatte sich alles nach einiger Zeit wieder gelegt, nur halt das der ältere Bruder am Ende zum College ging.

Nia stand total auf eine Szene, wo der Junge das Mädchen vor voll vielen Leuten geküsst hatte. Es ging um eine Kuss-Bude. Das wusste er noch. 

Deshalb war ihm klar, dass sie auch etwas Besonderes verdient hatte. Sie würde sich niemals mit weniger zufriedengeben. Nia war ein Mensch, der man zeigen musste, wie wichtig sie für einen war. Ein plumpes Willst-du-mit-mir-Gehen, würde da keinesfalls ausreichen.

Jetzt kam ihm die Idee mit der Rose wieder passender vor. Er sah es deutlich vor sich, wie sie gerührt von seiner Geste ihn umarmen und dann küssen würde.

Sofort hatte er erneut ihren Bubblegum-Lipgloss als Geschmack innerlich verankert.

Robins Herz pochte wie wild. Seine Gedanken wurden unterbrochen, als er ihr Lachen hörte. Er sah zur Straße und hatte plötzlich das Gefühl, jemand würde ihm einen spitzen Dolch in seine Pumpe rammen, denn sie war nicht alleine.

Doch nicht mal das war es, was ihm einen solchen Schmerz verursachte. Es war ihre Hand, die von ihm, diesem Jungen, gehalten wurde.

Gemeinsam überquerten sie die Straße und blieben am Hofeingang stehen.

Robin sah zu, wie er Nias Hand losließ und dann mit ihr redete. Er war zu weit entfernt etwas zu verstehen, doch an ihrer Mimik erkannte er, das es ihr Gefallen musste, denn ihre Mundwinkel hatten irgendwie gar nicht mehr vor, auf Normalposition zurückzurutschen, so sehr strahlte sie ihn an.

Sie hatte nicht mal zu Robin rübergesehen, doch er konnte seinen Blick nicht abwenden, da er irgendwie immer noch hoffte, es würde sich nur um einen schlechten Traum handeln.

Doch dieser reale Albtraum ging weiter, denn dieser Typ hob plötzlich ihr Kinn an und da geschah es ... ihre Lippen trafen aufeinander.

Robin wurde kotzübel.

Was tat sie da?

Wieso ließ sie es zu?

... Wieso konnte er nicht der Junge sein?

Ihm kam es vor, als würden ihre Münder ewig lange aufeinanderkleben, dabei war es nur ein kurzer Moment gewesen.

Nia strich sich eine Locke hinters Ohr, als sie ihn ansah und irgendetwas zu ihm sagte, woraufhin der Typ lachen musste, ehe er wieder über die Straße ging und verschwand.

Sie verweilte noch einige Sekunden dort und sah ihm nach, ehe sie sich umdrehte und Robin zum ersten Mal am angeführten Ort stehen sah.

Sie winkte ihm zu und lächelte, bevor sie eilig zu ihm rannte. »Hast du das gesehen?« , jauchzte sie schon fast.

Er nickte, schluckte und sprach dann erst. »Was ... was habe ich denn da gesehen?«

»Ich habe einen Freund.« , jubelte sie mit hoch klingender Stimme.

»Was?« Er wusste, was er gesehen hatte, aber es jetzt so aus ihrem Mund zu hören, traf ihn abermals hart. »Aber ... wie?«

Sie zuckte, mit einem Schmunzeln auf den Lippen, ihre Schultern. »Ich weiß es nicht.«

»Wie, du weißt es nicht?«

»Ja ich weiß es halt nicht. Er sagte seinem Cousin, ich wäre seine Freundin und ... ja, jetzt bin ich es.«

»Was?« Robins Stimme wurde lauter. »Er ... er hat nichts getan dafür. Er hat es einfach festgelegt und du bist drauf eingegangen?«

Jetzt runzelte sie ihre Stirn. »Du machst mir gerade meinen Moment kaputt.«

»Deinen Moment? Deinen Moment?« Fassungslos drehte er sich von ihr weg.

»Was is'n los mit dir? Freust du dich etwa nicht für mich?«

Robin schloss die Augen und atmete tief ein, ehe er sich wieder zu ihr umdrehte. »Doch ... klar.« Seine Stimme versagte leicht.

Sie lächelte. »Und du und Selina? Seid ihr zusammen?« Er wollte so sehr, dass Nia momentan denselben Schmerz verspürte wie er, weshalb er daraufhin nickte. Jedoch war ihre Reaktion anders als erhofft, denn sie umarmte ihn überschwänglich. »Das freut mich für dich.«

Robin schloss wieder seine Augen. Er hatte das Gefühl, sein Herz bröckelte gerade Stück für Stück auseinander.

Sie ließ ihn los und strahlte. »Lass uns reingehen. Dann erzähle ich dir alles und du kannst mir alles erzählen. Okay?« Nia zog an ihm. »Habt ihr euch schon geküsst? Wie war es?«

Robin blieb stehen. Er wollte und konnte nicht noch mehr hören. »Ich ... ich muss noch weg?«

»Was? Aber du bist doch extra hergekommen, damit wir reden können.«

»Ja ... aber ... ich muss jetzt weg.«

»Zu ihr?«

Er nickte, obwohl das eine Lüge war.

Sie lächelte. »Okay. Das ist nicht schlimm.«

Er versuchte, ebenso ein Lächeln hinzubekommen. »Ja. Ehm ... wir sehen uns.«

Robin verließ den Hof, ohne sich auch noch einmal umzudrehen. Er fasste in seine Hosentasche und holte die Rose heraus. Seine Lippen zog er ein, dann legte er diese auf das kleine Mauerwerk, bevor er die Bushaltestelle ansteuerte.

Ich bin der falsche Mann für die richtige Frau (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt