𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟙𝟛𝟙

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Dag ging mit Carla spazieren.

Die erste Nacht mit ihr war seltsam gewesen. Er hat viel nachgedacht, über sein derzeitiges Leben ... über Isabelle ... über einiges, doch als Carla sich an ihn kuschelte und seelenruhig neben ihm schlief, während er ihren Herzschlag spürte, vergingen auch seine finsteren Gedanken.

Dag hatte nicht mit ihr geschlafen. Er hatte einfach den Tag und die darauffolgende Nacht mit ihr verbracht. Er wollte einen klaren Kopf bekommen und hielt es für das Beste, wenn ihm erstmal kein Sex dazwischenkam, der seine Sinne benebeln würde.

Sein Fazit: Er fühlte sich auch so wohl in Carlas Nähe. Wohler als zu Hause.

Sie hakte sich bei ihm ein, während sie ihr Vanille-Eis aß. »Hast du Lust heute Abend ins Kino oder so?« , fragte sie ihn.

»Was läuft'n derzeit?«

»Ich weiß nicht.« , lachte sie.

»Schauen wir einfach mal.« Er zog sie näher an sich heran und küsste ihre Schläfe.

Carla hielt ihm ihr Eis hin. »Willst du?«

Er leckte kurz daran. »Das ist schon dein viertes heut. Ich frag mich echt, wie du immer so viel Süßes in dich reinschlabbern kannst.«

»Schau' in den Spiegel. Ich lass nur Süßes an, und in, diesen Körper.«

»Du kannst gleich an etwas anderem schlabbern, wenn du das so gerne machst.«

Carla lachte und hielt ihm wiederkehrend ihr Eis hin, was er abermals kurz anleckte.

Er sah wieder geradeaus, als er plötzlich erschrak. »Scheiße.« Er ließ sie los. »Hol dein Handy raus.«

»Was?« Irritiert blickte sie ihn an.

»Hör zu. Du redest kurz mit mir und machst dann ein Selfie mit mir. So als hättest du mich gefragt und dann gehst du.« , sagte er hektisch.

»Was? Ich versteh' nicht. Ein Selfie?«

»Carla mach' einfach, was ich sage. Ich erklär' dir nachher wieso, weshalb, warum. Da hinten kommt die beste Freundin meiner Frau. Jetzt mach' einfach.«

»O-o-kay.« Carla tat, was er von ihr verlangte. Sie griff schnell in ihre Tasche, holte ihr Handy raus und machte dann ein Foto von sich selbst und Dag, der kurz seinen Arm nochmal um sie legte.

»Und jetzt geh'. Wir treffen uns bei dir vor der Türe.« , sagte er, ohne dabei die Lippen auseinanderzunehmen.

»Ehm. Okay.« Mit schnellen Schritten und wie vor den Kopf gestoßen verließ sie Dag, der stehenblieb und Katja begrüßte, die auf ihn zukam.

»Ich dachte, du hast viel zu tun?« , fragte sie ihn ohne Überleitung und sah nochmal in die Richtung, in die Carla verschwunden war.

»Ja. Viel mit Martin noch zu tun, wegen des Podcasts. Aber ich brauchte gerade eine Verschnaufpause und wollte ... spazieren gehen.«

»Und dann wird man noch von Fans belästigt.« Ihr Lächeln war nicht echt, das bemerkte er direkt.

»Ja so ist das halt 'ne.« Er lächelte im gleichen Sinne zurück. »Ich würde mich ja noch gerne weiter mit dir unterhalten, aber ... ich muss los.«

»Wo ist Nia?«

Dag blieb stehen, als sie ihn festhielt. »Sie ist bei einer Freundin. Wieso?«

»Die ganzen Tage?« Natürlich wusste Katja schon vorher Bescheid, weil Isabelle sie angerufen hatte und es ihr erzählt hatte.

»Wieso nicht? Sie wollte das doch so.« , log Dag.

»Und was machst du die ganzen Tage ... so alleine?«

»Warum fragst du? Ich hab' viel zu tun.«

»Ich weiß. Ich war gestern Abend bei dir. Wollte dir etwas zu Essen vorbeibringen. Aber du warst nicht da.«

»Ich war mit Freunden unterwegs. Oder muss ich zu Hause hocken, wenn meine Frau Urlaub ohne mich macht?«

»Nein natürlich nicht.«

»Gut. Ich muss gehen. Wir sehen uns.« Er lächelte sie an und ging dann.

»Ach, Dag.« , rief Katja und er drehte sich nochmal um. »Du hast da etwas Eis an deinem Mund.« Sie zeigte auf ihren eigenen, während sie ihr vorhin schonmal aufgesetztes Lächeln, abermals zum Vorschein brachte.

»Oh. Ja. Danke. Hatte eben eins.« , schnellte es aus ihm heraus, ehe er so schnell er nur konnte, von dannen zog.

Erst als er an dem nächsten Häuserblock vorbeiging, verlangsamte er sein Tempo.

Wie konnte er auch nur so blöd sein, zu denken, er könnte mit Carla hier rumlaufen, ohne das ihn jemand sehen könnte, den er kennt.

Natürlich ist Berlin groß, aber es war ja nicht so, als würde Carla fern von ihm wohnen.

Sonst waren sie immer ein wenig weiter weg unterwegs, oder halt im Park, wo eh nie jemand war, der sich dafür interessierte, aber irgendwie hatte er jetzt, wo Isabelle nicht in der Stadt war, gar nicht mehr darüber nachgedacht.

Er hätte ja sogar seiner Tochter über'n Weg laufen können.

Von weitem sah er Carla an den Stufen ihrer Türe sitzen. Als sie ihn bemerkte, stellte sie sich hin.

»Tut mir leid.« , sagte er direkt.

»Du bist in einer Band?« Sie hielt ihr Display vor seine Nase. »Ich hab dich gegoogelt, nachdem du meintest, wir sollten ein Selfie machen.«

Er atmete tief ein. »Ja.«

»Hattest du vor mir das zu erzählen?«

»Ändert das irgendwas daran, wer ich bin, oder was ich für dich bin?« , fragte er. »Ich hab' dir das mit Absicht verheimlicht. Ich hab' halt nicht nur eine Familie. Ich bin auch zeitgleich nicht ganz so unbekannt, wie ich manchmal noch gerne hätte.«

»Mir ist egal, wer oder was du bist Dag. Das ändert nichts.«

»Du verstehst aber, das wir doch nicht so ... öffentlich herumrennen können?!«

Sie nickte. »Natürlich. Aber vielleicht ... irgendwann.«

Sie sprach damit etwas an, woran er im Grunde gar nicht denken wollte. Er lebte im Jetzt und nicht in der Zukunft. Ihm war jedoch klar, dass er dieses Doppel-Leben nicht ewig führen könnte.

Momentan fühlte er sich bisher wie ein Ertrinkender, der in der Enge seiner stark unglücklichen Ehesituation kaum noch Luft bekam. Während Carla sein Rettungsring war, an dem er sich krampfhaft festhielt und dennoch war er auch nicht bereit dazu, sich komplett an Land ziehen zu lassen.

Er legte seinen Arm, um ihre Schulter. »Komm, lass uns reingehen.«

Mit ihr gemeinsam ging er hinauf, während er sich Gedanken darüber machte, ob Katja eventuell mehr bemerkt haben könnte.

Doch wir sprachen von Katja. Hätte sie den Kuss oder so gesehen, wäre sie nicht so ruhig geblieben, dessen war er sich sicher.

Ich bin der falsche Mann für die richtige Frau (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt