𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟙𝟘𝟜

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»... und du selbst, hältst es für eine gute Idee?« , fragte Vincent, als er sich auf seine Couch setzte und Dag ein Bier überreichte, der dort bereits saß.

»Ja. Ich denke schon. Ich glaube, die Musik wird ihr helfen.« , sprach er und trank, ehe er weitersprach. »Als sie gesungen hat, war sie voll in ihrem Element. Sie hat sich so ruhig und zufrieden angehört.«

»Aber ein komplett neuer Job? Es wird anders für sie sein in einer Musikschule zu arbeiten.«

»Ja, aber vielleicht ist es genau das, was sie benötigt. Etwas anderes.«

»Vielleicht hast du Recht. Ich wünsche es euch auf jeden Fall.«

»Sie hatte direkt angerufen, und auch wenn die derzeit geschlossen haben wegen COVID-19, haben die Isy direkt eingeladen. Sie haben erzählt, dass die dort trotzdem arbeiten und es wird ja auch nicht auf ewig geschlossen sein.«

»Warum bist du nicht mitgefahren?«

»Wollte sie nicht. Sie redet zwar mit mir, aber ... nach der Sache, wo ich ihr erzählte, dass wir es nochmal versuchen sollten, geht sie irgendwie mehr auf Abstand.« Er trank erneut. »Manchmal habe ich das Gefühl, sie denkt, ich würde ihr ein Kind unter Zwang machen wollen.«

»Na ja. Ich gehe mal davon aus, das die Zeit darüber zu reden, noch gar nicht die Richtige war.«

»Weiß ich jetzt auch. Danke Vince.«

»Nein ich versteh' dich doch auch. Aber ich verstehe auch Isabelle. Ich versteh' euch beide.« Vincent trank nun ebenfalls. »Ihr geht nur beide unterschiedlich damit um. Ich weiß, dass du auch trauerst und wie scheiße es dir innerlich geht, aber für sie ist das nochmal eine andere Hausnummer. Du warst nicht bei der Geburt anwesend. Dir fehlt dieser Part, weil du nicht derjenige warst, der Rio auf die Welt bringen musste.«

»Ich versteh' sie doch.«

»Das streite ich doch gar nicht ab Dag. Ich denke, sie hat Angst. Angst, dass nochmal so etwas geschehen könnte.«

»Das versteh' ich doch auch, aber ... ich will doch auch keinen Ersatz. Ich will, dass sie glücklich ist.«

»Vielleicht wird sie das ja, in ihrem neuen Job.«

»Ja ... vielleicht.«

»Aber du musst das respektieren, falls sie sich, auch wenn noch etwas Zeit vergeht, dagegen entscheidet.« , meinte Vincent. »Ihr habt ein gesundes Kind und ... dafür solltet ihr dankbar sein.«

»Das sind wir doch. Wir lieben Nia über alles.«

»Nia hat Angst, dass ihr euch trennt.« , meinte Vincent nach einigen stillen Sekunden.

»Was?« Stirnrunzelnd sah Dag ihn an.

»Sie hat heut morgen beim Frühstückmachen mit Katja darüber geredet. Sie hat Angst, dass ihr es nicht packt, weil ihr entweder nicht redet, oder euch anbrüllt.«

»Wir trennen uns nicht.«

»Dann zeig' es ihr. Sie ist alt genug, es zu verstehen, wenn du es ihr erklärst.« Vincent versuchte, in seinen Flur zu schauen, um sicherzugehen, dass beide ungestört weiterreden konnten. »Du musst ihr erklären, das ihr euch nicht anbrüllt, weil ihr euch weniger liebt, oder das ihr deswegen schweigt. Du solltest auch mit Isabelle darüber reden. Ihr müsst eurem Kind zuliebe, anders handeln.«

»Das weiß ich doch. Ich versuch' doch mein Bestes. Ich versuch' tagtäglich, einen normalen Alltag hinzubekommen.«

»Deswegen sage ich ja, dass du mit Isabelle reden musst ... und aufhören solltest, sie zu triggern.«

»Was?«

»Ich weiß, das du's nicht bös meinst, und manchmal auch nicht nachdenkst, aber solange sie nicht selber mit allem ankommt, solltest du eure Beziehung so hinnehmen, wie sie gerade läuft.«

»Mir fehlt aber so viel. Ich finde es toll, wie ihr alle an Isy denkt, aber ... ich leide auch. Mir geht's auch beschissen und ich will einfach meine Frau zurückhaben. Ich will mit ihr lachen. Ich will, dass sie sich nachts an mich kuschelt. Ich will Sex mit ihr haben. Ich will einfach ... meine Isy von früher wiederhaben.«

»Das verstehe ich doch, aber eine Beziehung ist kein Wunschkonzert. Es gibt Höhen und Tiefen. Ihr steckt momentan in einem Tief. Und ihr kommt da nicht raus, wenn ihr zwei gleichzeitig beginnt zu hüpfen. Ihr könnt nicht beide den Rand der Schlucht greifen und euch rausziehen. Dafür seid ihr zu tief gefallen. Einer von euch muss für den anderen die Räuberleiter sein. Und in eurer Situation, so wie es zurzeit bei euch abläuft, solltest du derjenige sein, der sie auf die Schultern nimmt und ihr nach oben hilft, damit sie dich an die Hand nehmen kann und dich ebenfalls herausziehen kann.«

»Wow. Sicher, dass du nebenbei nicht noch Psychologie studiert hast?«

Vincent schmunzelte. »Du weißt, wie ich das meine.«

»Ja, du hast auch vollkommen Recht. Mit allem. Mit Nia. Der Räuberleiter. Ich werde alles auf meine Schultern nehmen.«

»Aber auch nicht zu sehr. Du solltest nicht die komplette Last tragen Dag. Du musst Isabelle Zeit lassen. Sie benötigt es. Setz' sie nicht unter Druck und ... bereite dir nicht selber ebenso noch Druck. Die Zeit wird es richten. Es wird zwar niemals von vorn bis hinten heilen. Narben werden bleiben. Aber ihr seid ein starkes Paar. Ihr bekommt das hin und ihr werdet irgendwann rückblickend daran denken, was ihr gemeinsam überstanden habt.«

»Ja. Dr. phil. Stein.«

Vincent lachte. »Glaub mir. Es wird besser werden. Lass Isabelle jetzt erstmal wieder in einen Beruf finden. Andere Sachen machen, als ... nachdenken. Das wird schon einiges ändern. Mit Sicherheit.«

Dag nickte und hoffte, dass sein bester Freund Recht behalten würde.

Ich bin der falsche Mann für die richtige Frau (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt