𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟙𝟙𝟚

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2021

»Essen wir heute zusammen?« , fragte Dag Isabelle, als diese ihre Haare trocken rubbelte und in einem sommerlichen Kleid in die Küche trat.

»Ja, aber später.« , meinte sie. »Ich werd' erst gegen zwanzig Uhr zu Hause sein.«

Ein Jahr arbeitete sie nun schon mit den Jugendlichen zusammen. Es tat ihr gut, das musste Dag zugeben. Doch sie war mehr beruflich tätig als ihm lieb war.

Isabelle arbeitete jedoch nicht mehr in der Schule, sondern hatte mit Çan gemeinsam eine Jugendeinrichtung eröffnet. Wo nicht nur Musik auf der Agenda stand.

Sie summte eine Melodie, während sie sich eine Flasche aus dem Kühlschrank holte und diese in eine Tasche verstaute. Er fand es wirklich gut, dass sie mittlerweile mehr zu ihrem Leben zurückgefunden hatte, doch ihr Gemeinsames blieb auf der Strecke. Daran hatte sich bisher nichts verändert.

Sobald er ihr zu nahe kam, wich sie aus. Sie ließ es auf irgendeine Art und Weise einfach nicht zu.

Selbst ein Gespräch mit Katja hatte daran nichts geändert, außer das sie sauer wurde, das er überhaupt mit ihr darüber geredet hatte. Isabelle hatte ihr jedoch erzählt, dass es teilweise daran lag, dass sie Angst hatte. Obwohl er ahnte, dass mehr dahinter steckte, als diese Aussage.

Es bestand eine Beklemmung in ihr, er könnte sie schwängern, obwohl er diesen Part längst aus seiner Agenda gestrichen hatte. Ihm war klar gewesen, das sie wohl nie mehr bereit dazu sein würde noch ein Kind zu bekommen ... und im Großen und Ganzen akzeptierte er ihre Entscheidung. Auch wenn es nicht das war, was er wollte.

Aber ging es in einer Beziehung nicht genau darum? Man lernt, mit Verzicht umzugehen. Weil man niemandem seine Ideale aufzwingen kann.

Er sah ihr nach. »Du siehst heute richtig schön aus.« , sagte er und meinte es auch so.

Sie sah an sich hinab. »Findest du das nicht ein bisschen ... zu mädchenhaft.«

»Du bist ein Mädchen.«

Sie verstellte ihre Stimme tiefer. »Ein altes Mädchen.«

Er lachte. »Ein hübsches Mädchen.«

Sie lächelte und packte sich eine Tüte Nüsse in die Tasche. »Ich bin dann jetzt weg. Kannst du, bevor du gehst, Nia wecken? Sie hat heute noch einen Friseur-Termin.«

»Ja. Mache ich.« , sagte er.

Sie kam ein wenig scheu näher und küsste dezent seine Lippen. »Bis später.«

Wiederholt sah er ihr nach, wie sie mit dem hin und herwedelndem Saum-Ende ihres Kleides in den Flur und anschließend nach draußen trat.

Vincent würde ihn gleich abholen. Eigentlich hatten sie nichts Großartiges vor. Durch diese Grippe-Welle waren sämtliche Tourneen abgesagt und natürlich arbeiteten sie fleißig am neuen Album, doch mehr konnten sie in der Situation auch nicht bringen.

Dag hat sich zwischenzeitlich viel in seine andere Passion zurückgezogen. Natürlich war Parkour ihm schon seit Ewigkeiten wichtig, aber in letzter Zeit hat er logischerweise viel mehr Gegebenheiten dafür gehabt. Nia hatte komplett aufgehört. Was ihn ein wenig traurig stimmte. Schließlich war es etwas, was Vater und Tochter immer verbunden hatte. Seit Nia laufen konnte.

Sie war schon von klein an, agil gewesen und musste ausgepowert werden. Er schmunzelte, wenn er zurückdachte, wie oft er ihr nachlaufen musste, oder wie oft sie in der Notaufnahme mit ihr waren, weil sie einfach zu waghalsig war.

Er dachte an Rio.

Ob er auch so geworden wäre?

Oder wäre er die Ruhe selbst gewesen?

Er hörte, wie seine Tochter aus dem Zimmer trat und verschlafen zu ihm in die Küche kam. »Morgen.« , murmelte sie.

»Du hast heut einen Friseurtermin.« , meinte er.

»Ja. Ich weiß. Bin nicht umsonst aufgestanden.«

»So gut gelaunt?« , fragte er mit ironischem Unterton.

»Ich hab' mit Jenaro Schluss gemacht.« , meinte sie. »Gestern Abend. Und jetzt nervt der mich.«

Nia hatte Jenaro in diesem Jahr bereits viermal wieder genommen. Dag rollte mit den Augen, denn er konnte dieses Theater nicht mehr hören.

»Warum?« , fragte er.

»Warum ich Schluss gemacht?«

»Nein. Warum du diesem Volltrottel immer wieder neue Chancen gibst?!« Er war so genervt von diesem On-Off-Ding was seine Tochter da durchzog.

»Lass mich doch.«

Er hob die Hände entschuldigend in die Höhe. »Ich hab' nichts gesagt. Zieh' dein Ding durch, aber ich wäre froh, du würdest dein Auge mal auf einen netten Jungen werfen.« Er erinnerte sich an Ilay und Jonas, die zwischenzeitlich mal in waren, als sie mal wieder getrennt von Jenaro war.

Auch die zwei passten ihm nicht. Und das lag nicht daran, dass diese sichtbar auf seine Tochter standen. Es war ihre Art, ihre Lebensweise ... einfach alles.

Vincent hatte es da leichter, gemäß Dags Ansicht. Denn Robin war seit gut acht Monaten mit dieser Selina wieder zusammen. Sie war ein liebes Mädchen. Ein wenig zu lieb, hatte Dag schon oft gesagt, weil er fand, Vincents Spross benötigte eine Freundin an seiner Seite, die eine Winzigkeit mehr Pep besaß.

»Die sind langweilig.« , meinte seine Tochter.

»Nette Jungs?«

»Ja. Da schläft man ein. Da hat man keinen Spaß.«

»Ach ich vergaß ... wie viel Spaß du doch hast, dich Nacht für Nacht in den Schlaf zu heulen. So eine Klamotte aber auch.«

Nia sah ihn streng an. »Du bist kein Mädchen. Du verstehst das nicht.«

»Ich war immer zuvorkommend zu deiner Mutter und bin keineswegs langweilig. Wir hatten immer unseren Spaß.«

»Früher hattet ihr den vielleicht, aber heute doch nicht mehr.« , meinte sie und schlurfte zurück Richtung Flur.

Dag beließ es dabei. Er hatte keine Lust, sich seiner Tochter gegenüber zu rechtfertigen.

Es klingelte an der Haustüre und er ging ebenso in den Flur, um diese zu öffnen.

Vincent grinste ihn an. »Ich glaube, wir sollten doch ins Studio. Mir kam über Nacht voll die gute Idee.«

Dag griff nach seinem Schlüssel. »Ich bin weg Nia. Schließ nachher die Türe hinter dir ab.«

»Jaaaaa.« , rief sie genervt zurück.

Wiederholtes Augenrollen von Dag, ehe er die Wohnung verließ und mit Vincent zu seinem Auto marschierte.

Ich bin der falsche Mann für die richtige Frau (Band 2)Where stories live. Discover now