𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟙𝟚𝟠

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»Ich versteh' die Reise immer noch nicht.« , meinte Katja und schlürfte ihren Milchkaffee.

»Musst du ja auch nicht. Das ist für die Kinder.« , bemerkte Isabelle.

»Kinder?! Manche davon sind schon zwanzig.«

»Du weißt, wie ich das meine. Die haben nichts. Gar nichts.«

»Ja aber ... fühlst du dich dadurch besser?«

»Durch meine Arbeit? Natürlich.«

Katja schüttelte den Kopf. »Na ja. Ich weiß nicht, ob dir das schon aufgefallen ist, aber du entfernst dich immer mehr ... von allem.«

»Quatsch. Nur weil wir uns in letzter Zeit nicht mehr so oft alleine getroffen haben, heißt das nicht, dass ...«

»Ich spreche nicht nur von uns. Kennst du zum Beispiel den jetzigen Freund deiner Tochter?«

»Jenaro?«

»Nein. Die sind mal wieder auseinander.«

»Das kannst du mir aber nicht vorhalten. Nia wechselt so oft ihre Meinung. Da blicke ich gar nicht mehr durch, ob sie den jetzt liebt oder hasst.«

»Hmm. Okay. Da gebe ich dir Recht. Ehm, aber wie läuft es mit Dag?«

»Gut.«

»Sicher?«

Isabelle runzelte die Stirn. »Klar. Wir streiten uns nicht.«

»Liegt vielleicht daran, dass ihr euch kaum noch seht.«

Sie lachte kurz auf. »Wir leben zusammen. Natürlich sehen wir uns. Aber wir sind keine Teenies mehr. Ist doch normal, dass wir nicht Tag und Nacht zusammenhocken.«

»Na ja. Damals war das für dich ein Weltuntergang.«

»Was?«

»Du weißt, was ich meine. Damals als ihr in eure erste Wohnung zusammengezogen seid. Du hast tagsüber gearbeitet und er nachts noch zusätzlich gekellnert.«

»Du warst doch gar nicht da, um es richtig zu beurteilen.« , meinte Isabelle.

»Nein, aber du hast es mir erzählt.«

»Damals war ich noch jung.«

»Wo war er gestern den ganzen Tag.«

Isabelle zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Im Studio?«

Katja schüttelte den Kopf. »Nein. Er war beim Parkour und danach war er keine Ahnung wo.«

»Und was willst du mir jetzt damit sagen?«

»Das er nur noch irgendwo herumrennt, statt nach Hause zu gehen.«

»Seit wann ist es eine Pflicht, nur noch zu Hause zu hocken?«

»Das meine ich nicht, aber ... ich hab Angst um euch.«

»Was?« Isabelle lachte.

»Ihr entfernt euch voneinander. Du bist glücklich, wenn du arbeitest. Wenn du beschäftigt bist ... und er scheint auch happy zu sein und ausgeglichen, laut Vincent. Aber wenn ihr zusammen seid, da ... funkelt es nicht mehr.«

»Was funkelt nicht mehr?«

»Ihr zwei. Ihr wart immer ... so glücklich, weil ihr euch hattet, aber mittlerweile ... es kommt ein wenig so rüber, als ...« Sie rutschte näher. »Hör zu Süße. Du weißt, ich rede offen, also nimm das nicht böse auf, aber ... kann es sein, dass ihr alleine glücklicher seid?«

»Was redest du da für einen Blödsinn? Dag und ich sind glücklich ... zusammen.«

»Und warum machst du dann diesen Trip ohne ihn?«

»Weil er nicht zur Gruppe gehört.«

»Okay, andere Frage ... wieso hast du mit ihm nicht so einen Trip gemacht? Nur ihr zwei.«

»Was soll das jetzt? Beurteilen wir jetzt die Ehe anderer Menschen?« Isabelle wurde schnippisch.

»Nein. Ich will dir nur helfen. Euch.« Sie legte ihre Hand auf die ihrer Freundin. »Ich hab ein gutes Auge ... und auch wenn ihr auf irgendeine Art und Weise glücklich seid, verliert ihr euch.«

»Wir verlieren uns nicht. Niemals. Ich liebe Dag.«

»Aber es ist anders, als ... damals.« Sie wollte ihren Verlust nicht ansprechen, geschweige denn hervorholen, aber sie musste Isabelle an ihr Leben davor erinnern.

»Wir werden auch älter. Menschen ändern sich.« Sie stockte selber ab, weil ihr diese Worte so bekannt vorkamen. Das Gespräch mit Marc damals in Andis Bar und ihre Frage an Dag, ob sie sich auch irgendwann jeder in eine andere Richtung entwickeln würden.

Taten sie das gerade?

Hatten sie sich bereits jeder in eine andere Richtung entwickelt.

Wollten sie noch dasselbe?

»Isabelle, vielleicht würde es euch guttun, wenn du mal zu einer Reise mit ihm alleine bereit wärst. Wenn ihr Zeit für euch habt, in der ihr zu euch finden könnt.«

»Ich ... ich ... ich kann das nicht.«

»Was? Wieso?«

»Ist doch egal.«

»Nein. Ich bin deine Freundin. Du kannst mit mir über alles reden.«

»Es ist egal.« Sie wurde lauter.

»Nein. Lass dir doch helfen.«

»Weil ich nicht mit ihm schlafen kann.« , schrie sie es schon fast heraus.

»Was?« Katja runzelte ihre Stirn. »Ich versteh' nicht ... du hast doch gesagt, das wäre vorbei. Ihr hättet das überwunden.«

Isabelle schüttelte den Kopf. »Ich hab's gesagt, damit ich mit dem Thema in Ruhe gelassen werde. Dag hat es jedem erzählt. Dir. Vincent. Dem Therapeuten. Ich hab' ihm gesagt, er soll jeden sagen, dass wir ein normales Sexleben führen und das er dann das Thema nie wieder auf den Tisch bringen soll.«

»Ihr schlaft nicht miteinander? Gar nicht? Ihr macht nichts?« Wiederholt schüttelte sie den Kopf. »Aber wie ... ich versteh' nicht wieso?!«

»Ich kann es nicht.« , erklärte Isabelle. »Ich schaffe es nicht. Sobald er mir zu nahe kommt, denke ich an den Schmerz, den ich ...« Sie zog die Lippen ein und presste ihre Augen zusammen. »... du warst dabei. Er hat nicht geschrien. Sich nicht bewegt ...« Sie atmete tief ein und schluchzte dann los. »Rio hat mich nie gesehen Katja. Nie.« Die Blondine rutschte näher und nahm sie in den Arm. »Ich will nicht, dass er mich anfasst. Ich kann die Nähe und Liebe von ihm nicht mehr zulassen. Ich ertrage es einfach nicht.«

»Du hast Schlimmes durchgemacht. Das ist emotional sehr belastend.«

»Ich liebe ihn. Ich liebe ihn wirklich Katja, aber irgendwas in mir blockiert, sobald er mir zu Nahe kommt.« Sie fummelte in ihrer Tasche herum und schnäuzte ihre Nase.

»Ich glaube dir. Aber du musst dir Hilfe suchen. Es gibt Therapien.«

»Ich will keine Therapien mehr Katja. Ich bin es leid ständig an meinen Verlust erinnert zu werden. Wenn ich arbeite, denke ich an komplett andere Sachen. Mir geht's gut.«

»Verdrängung heißt nicht, dass es dir gut geht.«

»... aber mir geht's besser, als darüber nachzudenken.«

»Trotzdem. Du und Dag ihr müsst euch deswegen Hilfe suchen. Sex gehört zu einer Beziehung dazu. Ich sag ja nicht, du sollst jeden Tag pimpern, aber wenn du gar keine Nähe mehr zulässt, was habt ihr dann für eine Bindung zueinander? Hast du denn überhaupt kein Verlangen?«

»Doch natürlich«

»Aber nicht nach ihm?«

»Doch. Aber ... ich bekomm' den Kopf nicht frei in dem Moment.«

»Red' mit deinem Therapeuten Isabelle. Und zwar auf dem schnellsten Weg.« Katja sah nach rechts. »Und jetzt verschwinde kurz auf Toilette und mach' dich ein bisschen frisch. Nia muss dich so nicht sehen.«

Isabelle nickte und verschwand, bevor ihre Tochter den Tisch erreicht hatte.

Ich bin der falsche Mann für die richtige Frau (Band 2)Where stories live. Discover now