𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟙𝟙𝟙

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»... und dann hat sie geweint.« , sagte Dag leise zu Vincent, als er am Wochenende mit ihm auf seinem Freisitz saß.

Katja und Isabelle waren noch drinnen beschäftigt mit dem Auspacken der Backwaren, welche die Blondine mal wieder mitgebracht hatte, denn heute sollte Çan zu Kaffee und Kuchen vorbeikommen.

»Weil du dir einen von der Palme gewedelt hast?« , fragte Vincent.

»Was? Nein. Davon weiß sie nichts. Ich hab' mir währenddessen einen gejodelt, während sie hier ... sie hat den Schwangerschaftstest gefunden, weißt du, und das hat sie sofort wieder runtergeschubst.«

»Hmm.«

»Ja. Hmm. Mir geht's so scheiße, das ich Idiot ans ficken gedacht habe, während sie hier lag und ...«

»Dag du bist auch nur ein Mensch. Wir alle haben Triebe. Und wenn dir der Saft schon aus den Ohren tropft, ist es nichts Verwerfliches selbst Hand anzulegen.«

»Trotzdem. Sie hat ja irgendwie Recht. Während ich weitergehe, fällt sie immer wieder aufs Neue ins Loch zurück.« Er sah zur Türe, um sicherzugehen, dass sie ungestört sprachen, doch da kam schon Nia hinaus. Dag wedelte mit seinem Zeigefinger herum. »Direkt wieder um in dein Zimmer.«

»Ich verstehe nicht, wieso Robin und ich nicht auch raus dürfen.« , meckerte sie.

»Ihr schaut doch einen Film oder nicht?!«

»Damit hast du jetzt nicht meine Frage beantwortet.« , sagte sie und runzelte ihre Stirn.

»Ganz einfach. Ich will es nicht. Ende der Geschichte.«

Nia stöhnte laut auf und ging wieder rein.

»Du machst nicht Falsches.« , meinte Vincent auf das Gesagte seines Freundes von vorhin.

»Irgendwie schon. Ich denk doch auch oft an Rio. Ich denke daran, wie er ausgesehen hat und wie gerne ich ihn hätte aufwachsen sehen, und natürlich hab' ich oft ein schlechtes Gewissen, weil ich ... weitermache, aber ein Stillstand würde es auch nicht rückgängig machen. Geschweige denn, ihn uns wiedergeben.«

Katja war die Erste, die hinaustrat, dicht gefolgt von Isabelle, die zwei Kaffeekannen auf den Tisch stellte. »Denk dran. Du benimmst dich Dag.« , sagte die Blondine und zeigte mit dem Finger auf ihn, als sie sich setzte. »Sonst bekommst du einen Maulkorb angelegt.«

»Ich werde mich so meinem Gegenüber geben, wie er es mir vorlegt.« , meinte er.

»Vier gegen einen. Sollte er wirklich noch ein Arsch sein, werden wir ihn alle fertig machen.« , sprach Vincent.

»Er ist anders.« , meinte Isabelle und setzte sich nun auch hin, als es klingelte. »Oh. Ich gehe.« Sie stand wieder auf und ging hinein.

»Selbst wenn er sich geändert haben sollte, was ich sehr bezweifle, mochte ich ihn schon vom ersten Augenblick an nicht und Isy kann von mir nicht verlangen, ihn jetzt zu mögen.«

»Das behauptet doch niemand. Sie will, dass du ihn akzeptierst und nicht mehr morgens meckerst, wenn sie zur Arbeit fährt.«

»Ich frag' mich eh, wozu sie da hinmuss. Es hat doch alles zu. Keine Schüler sind anwesend.«

»Die machen das online erstmal mit denen und schauen sich somit auch Fortschritte an.«

Isabelle war unterdessen die Erste, die wieder zu ihnen stieß. »Çan, ich glaube, ich muss dir keinen vorstellen.« Sie zeigte in die Runde.

Er lächelte anfänglich Dag an und begrüßte ihn, ehe er sich den anderen widmete. »Bist alt geworden.« , stellte Isabelles Mann fest, denn Çan sah in die Jahre gekommen aus. Selbst einige graue Haare schimmerten seitlich sowie in seinem Drei-Tage-Bart hervor.

»Ja. Ich weiß.« Er lächelte und setzte sich auf den Stuhl, den die Gastgeberin ihm anwies. »Aber ich bedanke mich, dass ihr mich eingeladen habt, trotz ...«

»Bedank' dich nicht zu früh.«

»Dag.« Seine Frau sah ihn pikiert an, als dieser Çan unterbrach.

»Nein. Ist okay, Isabelle. Ich verstehe Dag und glaub mir, ich bereue jede einzelne Tat.«

Dieser rollte mit den Augen und fing sich sofort wieder einen säuerlichen Blick seiner Frau ein.

»Also ... Çan, erzähl mal ... was hast du so getrieben, in all den Jahren?« , mischte sich Vincent in die Unterhaltung ein.

»Na ja. Nicht besonders viel. Ich bin erstmal sehr tief gefallen in die Alkoholsucht, dann war ich sogar eine Zeitlang obdachlos. Dank einer Einrichtung habe ich aber nachträglich Fuß fassen können. Ich hab' mein ganzes Leben umgekrempelt und meine jetzige Ex-Frau kennengelernt. Sie hatte schon einen Sohn Kaya, den ich später adoptiert habe.« Er sah zu Isabelle rüber und lächelte. »Sie schenkte mir noch zwei Söhne Salih und Malik, doch unsere Beziehung ging auseinander ... aber ich bin oft bei ihr. Wegen Kaya, weil er trotzdem mein Sohn ist.«

Dag runzelte die Stirn. »Und wegen deiner anderen zwei?« Er fand die Aussage komisch, dass er nur aufgrund des Ältesten, bei seiner Ex-Frau auftauchte.

Erneut blickte er zu Isabelle, ehe Çan sprach. »Meine Ex-Frau hatte einen schlimmen Autounfall und meine beiden Kleinen warten nun an einem besseren Ort, bis ich irgendwann wieder bei ihnen bin.«

Dag sah nun ebenfalls zu seiner Frau. Er verstand in dieser Sekunde, wieso sie Çan eine Chance gegeben hatte.

»Das tut mir leid.« , meine Katja aufmunternd. Auch Vincent nickte ihm zu.

Dag blieb still und musterte seine Frau, während Çan weitersprach. »Mir hat es damals sehr geholfen, mich Jugendlichen zu widmen, die Drogenprobleme haben. Nicht nur wegen meiner Vergangenheit, sondern auch aufgrund meiner gegenwärtigen, zukünftigen Schicksalsschläge.«

»Du hilfst ihnen?« , fragte Vincent.

»Ja. Aber mit Musik. Musik heilt vieles. Ich helfe ihnen kreativ zu sein.« , erklärte Çan. »Und ich bin ehrlich, ich hatte natürlich Hintergedanken, als ich hörte das mein Chef an Isabelle interessiert war und hab sie in den höchsten Tönen gelobt, weil ...« Er sah wieder zu ihr und lächelte. »... du wärst perfekt mich dabei zu unterstützen. Ich weiß, dass es viel Arbeit ist, aber es lohnt sich. Es hilft den Jugendlichen und es wird auch dir helfen. Deiner Psyche zuliebe, wenn du Gutes gibst.«

»Oh.« , war das Einzige, was diese über die Lippen bekam.

»Deswegen wollte ich auch dieses Treffen. Weil ich erst mit Dag ins Reine kommen wollte, ehe ich dich frage.«

»Das ... es wäre ... ich würd's gerne machen.« , meinte Isabelle.

»Das finde ich toll.« Çan strahlte sie an.

»Ehm, warte ... wann wäre das?« , wollte Dag wissen.

»Jedes zweite Wochenende für ein paar Stunden.«

Dag sah zu Vincent. Er wollte sagen, dass er das nicht will. Das er nicht vor hat, seine Frau noch weniger zu sehen. Doch Isabelle hatte ja bereits ihr Einverständnis gegeben und er wollte nicht wieder der Buh-Mann sein, der von Mal zu Mal etwas auszusetzen hatte, weshalb er nur nickte ... mit einem aufgesetzten Lächeln.

Ich bin der falsche Mann für die richtige Frau (Band 2)Where stories live. Discover now