Zeit für Geschwister

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- Harrys Sicht, Freitagabend im Gemeinschaftsraum -

Ginny ... sie hatte sich verändert, seit dem Ende des Krieges. Vielleicht bereits während, oder sogar schon vor dem Krieg. Tatsache jedoch war, dass sie sich verändert hatte. Trotzdem liebte ich sie. Sie war wie ... wie ein loderndes Feuer, das mich warm hielt. So auch jetzt, während wir zusammen auf der alten Couch im Gryffindorgemeinschaftsraum saßen und einfach nichts taten, einfach nur aneinander gekuschelt waren und ins Feuer des Kamins schauten. Würde es in der Zukunft weiterhin so sein? Ich würde abends von der Arbeit kommen und Ginny würde da sein, wir würden zusammen essen und dann einfach nur entspannt vor dem Kamin sitzen? Es war eine schöne Vorstellung. Aber das war es auch schon, reine Vorstellung. Ginny würde nie so sein.

Nein, nicht meine Ginny. Sie war ein loderndes Feuer, das frei sein wollte, eine Karriere machen wollte, die Welt sehen wollte ... sie hatte ganz andere Vorstellungen von unserem Leben nach der Schule als ich. Doch ich verdrängte es immer, nur Hermine wusste, dass ich etwas anderes wollte. Eine Familie! Mehr nicht! Eine Familie und Ruhe! Ich hätte nie gedacht, dass es zu viel verlangt ... „HARRY!", rief auf einmal jemand und ich sah erstaunt zu einem der Gemälde. „Sir?", hakte ich schnell nach und war sogar aufgesprungen, sodass Ginny nun auf dem Boden saß. „Ginny ... tut mir leid, ich ...", begann ich mich bei ihr zu entschuldigen, als sie mich giftig ansah. Ihre blauen Augen funkelten böse zu mir hoch und ich ahnte bereits, dass ihr Temperament wieder mit ihr durchgehen würde, doch die Stimme des Portrait ließ mich alles vergessen: „Gehen Sie sofort ins Büro der Direktorin! Miss Granger sie ... sie braucht Sie, Mr. Potter!".

„Hermine? Was ... ist was passiert?", fragte ich aufgeregt und war schon drauf und dran loszulaufen. „Gehen Sie einfach!", knurrte der Mann im Bild und war schon wieder verschwunden. Ohne auf meine anderen Klassenkameraden zu achten, lief ich aus dem Gemeinschaftsraum, durch die endlosen Fluren Hogwarts, bis ich total außer Atem bei der Treppe ankam, die zum Büro von McGonagall führte. „Gehe Sie durch, Mr. Potter", sagte das Gemälde des Ritters, dass direkt neben dem Eingang hing. Ich nickte und eilte die freigewordene Treppe hinauf.


„Er kommt wieder ... ich kann nicht ... überall ... er ist überall ... sein Körper ... seine Krallen ... ich kann sie spüren ...", hörte ich deutlich die Stimme von Hermine flüsterten. Erschrocken stand ich im Büro. Sie saß auf einem Sessel, am Zittern und weinen, während ihre Augen weit aufgerissen waren. Sofort erkannte ich, was los war. Sie war in ihren eigenen Erinnerungen gefangen. „Ich ...", wollte McGonagall sagen, doch Hermine durchschnitt ihr jedes Wort: „Immer wenn ich meine Augen schließe, immer wenn ich träume, immer wenn ich daran denken, immer wenn ich Angst bekomme, immer wenn ihn rieche, den Tod ... immer, einfach immer ... IMMER IST ER DA!", schrie sie, stand auf und der Tisch mit dem Teeservice flog durch die Luft. Ich duckte mich gerade noch rechtzeitig, bevor die Tasse hinter mir an der Wand in duzende Scherben zersprang.

„Tun Sie was, Potter. Sie ... ich kann ihr nicht helfen, sie hört nicht auf", ließ McGonagall mich wissen, als Hermine schluchzend zu Boden ging. Sie hockte sich in eine Ecke und umklammerte ihre Beine. „Bitte ... bitte nicht", wimmerte sie und versteckte ihren Kopf hinter ihren Händen. Langsam ging ich auf sie zu. Nur einmal war sie so in Panik und in der Vergangenheit gefangen gewesen und das war, als Ron versucht hatte sie zu mehr zu drängen. Seit dem ist es nie wieder geschehen, soweit ich wusste. Normalerweise vermied Hermine alles, das solch eine Reaktion hervorrufen könnte.


„Hermine?", sagte ich sanft und kniete mich vor sie. Vorsichtig und ganz langsam streckte ich meine Hand nach ihr aus, dabei war mir bewusst, dass mich Professor McGonagall keine Sekunde aus den Augen ließ. Ich wollte es diesmal anders lösen, als das letzte Mal. Remus war auch dagewesen, aber wir hatten sie nicht wieder zurück in die Realität bekommen. Deshalb hatten wir sie mit einem Zauber betäubt, bis sie am nächsten Morgen wieder normal aufwachte. Diesmal sollte es nicht erneut so enden.

The Lioness Among The SnakesWhere stories live. Discover now