7. Kampf um Trost

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In Trost angekommen, bezog ich ziemlich einsam das Quartier meines Trupps. Mit einer Krücke konnte ich sowohl mein Zimmer als auch Orte in der näheren Umgebung erreichen. Ich beschloss also die Zeit zu nutzen. Ich besorgte einige neue Reinigungsmittel, putzte das Haus - einen Vorwurf wollte ich mir bei der Ankunft des Teams nicht machen lassen können - und kaufte vom gemeinsamen Truppengeld Nahrungsmittel auf dem Markt ein. Zudem versuchte ich immer wieder an Informationen über die Unterwelt zu kommen. Doch dies stellte sich als schwierig heraus. Entweder wussten die Menschen in Trost nur wenig über dieses Gebiet oder sie wollten es verdrängen. Ganz egal, welchen Grund sie auch hatten, sie konnten mir zumindest verraten, dass diese Unterwelt unter den Bezirk Stohess lag. Mich erschauderte allein schon der Gedanke, dass es wohlmöglich eine Stadt unter einer Stadt war, welche anscheint gemieden wurde. Das verhieß nichts Gutes.

Die Tage vergingen und mich überkam die Langeweile. "Wenn ich nur diese blöde Schrift lesen könnte, dann würde ich wenigstens etwas Interessantes lesen." ,dachte ich mir genervt. Aber es war mir nicht gegönnt - selbst nach längerem Grübeln konnte ich nicht ein Schriftzeichen entziffern. So wurde das nichts. Ich musste mir neben dem täglichen Putzen eine andere Beschäftigung suchen. Ich zog mich um, mittlerweile lies ich mir selbst dabei viel Zeit, und machte mich ein wenig fertig. Dann brach ich in die Stadt auf. Mein erstes Ziel sollte der kleine Duftladen sein. Die alte Dame würde sich sicherlich über einen kurzen Besuch freuen und ich könnte mir die Zeit vertreiben.
Der Tag war wunderbar. Die Sonne schien. Fast ein wolkenloser Himmel war zu bestaunen. Ich atmete tief ein und ging behutsam, aber schon etwas flotter, mit meiner Krücke die Hauptstraße Richtung Markt entlang. Einige Kinder kamen mir entgegen. Sie lachten und schienen dabei in einem Fangspiel vertieft zu sein. Ich sah ihnen nach und dachte an Lina. Wie es ihr wohl in diesem Moment geht? Ob sie Seite an Seite mit Hanji kämpft? Wie sie sich dabei fühlt und was sie denkt? Ich hatte nicht nur Sorge, eine Freundin zu verlieren. Vielmehr hatte ich Angst, sie als Person komplett hinter mir zu lassen. In all den Jahren war sie mir so unglaublich wichtig geworden. Weder Petra noch irgendwer anderes würde diese Lücke füllen können. Plötzlich knallte es. Es war ohrenbetäubend. Menschen schrien und rannten wie eine wildgewordene Pferdeherde in alle Himmelsrichtungen. Am Südtor musste etwas passiert sein.
"Es ist schrecklich!" rief ein älterer Mann, der mir entgegenrannte. Er war außer sich und vollkommen desorientiert.
"Die Titanen kommen." rief eine weitere Person. Langsam begannen sich die Menschenmaßen Richtung Norden zu bewegen. Immer mehr verfiel die Stadt in Panik. Ich humpelte mit meiner Krücke an den Häusern entlang Richtung Süden. Vielleicht konnte ich etwas wichtiges in Erfahrung bringen oder zumindest irgendwie helfen.
"Es sind zu viele."
"Hilfe."
"Aus dem Weg....."
Die Stadt wurde immer lauter. Die Menschen immer rücksichtsloser. Ich seufzte. Sobald eine Gefahr drohte, erwachte der Egoismus der meisten Menschen. Selbst Kinder wurden hinfortgestoßen, um sich selbst als Erster in Sicherheit zu bringen. Ich entdeckte eine Seitengasse, welche von kaum jemanden zur Flucht genutzt wurde.
"Perfekt." dachte ich und bog ab. Als ich aus der Gasse auf eine der Hauptstraßen kam, sah ich erschrocken Richtung Süden. Die Straße war bereits blutgetränkt. Leichenberge türmten sich auf. Einigen fehlten Gliedmaßen oder Köpfe, andere waren zertreten worden. Ich sah am Südtor einige Titanen. Sie kamen durch das zerstörte Tor, wanderten fast gemütlich hinein und begannen ihr Spiel mit dem Tod. Andere waren bereits weiter in die Stadt vorgedrungen, wahrscheinlich mit bereits gefüllten Magen und jagten nun ihre nächsten Opfer. "Scheiße." fluchte ich. Ich musste irgendwas tun. Ich sah mich um und entdeckte einen toten Soldaten. Er schien von der Mauergarnison zu stammen. "Hast wohl auch schon bessere Tage erlebt." sagte ich spöttisch zu dem Toten und nahm ihm sein 3D-Maöver-Gerät ab, "es tut mir leid, aber das brauche ich jetzt." Das Gerät war wohl blutverschmiert, aber schien noch vollkommen in Takt zu sein. Ich legte es mir an, stellte es vernünftig ein und nahm die Waffen des Verstorbenen. "Die Krücke lasse ich dir hier." rief ich noch, als ich bereits in der Luft war. Ich schwang mich auf ein Dach, landete vorsichtig und verschaffte mir einen Überblick.
Die Lage war ernst, vielleicht sogar aussichtslos. Die Anzahl der Titanen war enorm. So viele hatte ich bisher noch nie auf einen Haufen gesehen. "Einfach anfangen." sagte ich zu mir selbst und suchte mir den erstbesten Titanen aus, "Dich werde ich mir schnappen!" Ich lief leicht humpelnd über das Dach. So ganz belasten konnte ich mein rechtes Knie noch nicht, aber es musste jetzt einfach reichen. Mit einem steilen Sprung nach unten, nahm ich an Geschwindigkeit auf, um den Titanen mit zwei Hakenschüssen zu erreichen. Er schien sich genauso sehr über unser Treffen zu freuen wie ich. Begierig griff er nach mir. Ich wich durch den Einsatz von Gas aus, schoss meinen Harken in seinen Hals und zog mich mit meinen Schwertern schwingend heran. Zwei saubere Schnitte später lag der 8Meter-Riese am Boden. Ich seufzte und begab mich auf ein weiteres Dach. Das Prozedere könnte ich wohl nun den ganzen Tag so weiter machen........ Viele Soldaten kämpften hier und da mit Titanen. Ich hörte Schreie und Verluste sowie Freude und Gewinne. Wir waren jetzt hier, wir würden es nun richten müssen. Ich und ihr, dachte ich und sah wie ein junges, schwarzhaariges Mädchen in dem Schlund eines Titanen verschwand. Sie musste eine Rekrutin gewesen sein, so jung wirkte sie. Ich sah hinweg. Ich durfte jetzt nicht verzweifeln. "Den nächsten töte ich für dich." dachte ich und warf mich einem 6-Meter-Titan entgegen. Er war ziemlich schnell auf den Beinen. Ich musste vorsichtig sein. Ich schwang mich hinauf, drehte eine Schleife wie ich sie bei Gunther gesehen hatte und ging zum Angriff über. Doch er hüpfte plötzlich herauf. Unsere Positionen näherten sich an. "Dann steche ich dir deine scheiß Augen aus!" schrie ich erzürnt. Ich schoss meinen Harken in seine Stirn und zog mich heran. Mit Schwung bohrte ich meine Schwerter in die beiden Glupschaugen. Der Riese kreischte. Ich sprang ab, umkreiste und erledigte ihn. Sein Blut spritzte mir ins Gesicht.
Erschöpft landete ich auf einem Dach und wischte mir das Gemisch aus Schweiß und Blut aus dem Gesicht. Ein ungewöhnliches Grüllen ertönte. Ich bekam Gänsehaut und sah erschrocken zu einem Titan, welcher andere Titanen angriff. Er griff sie voller Zorn an, schrie dabei und schlug sie mit seinen Fäusten nieder. "Der Attackierende Titan" flüsterte ich. Das musste er sein. Ich näherte mich dem Riesen langsam und entdeckte ein Mädchen. Sie sah asiatisch aus. Ich landete bei ihr. "Kennst du den?" fragte ich. Die junge Frau wirkte verwirrt und schüttelte den Kopf.
"Er greift die anderen Titanen an und lässt uns Menschen in Ruhe." Sie schien nicht zu wissen, dass dieser Titan ein Wandler war. Ich schwieg. "Ich muss meinen Kameraden helfen. Armin braucht sicher Hilfe" sagte sie nun und flog los.
Ich folgte ihr und schloss mich gemeinsam mit ihr einigen Rekruten an.
"Wir müssen unser Gas auffüllen, sonst sind wir verloren." erklärte mir die Gruppe. Ich versprach ihnen meine Unterstützung, indem ich die Titanen um das Hauptquartier angreifen würde.
"Durch diese Ablenkung müsstet ihr hinein kommen." erklärte ich.
Ein blonder, recht kleiner Jugendlicher warnte mich besorgt: "Das ist sehr gefährlich. Es sind einige."
Ich nickte bloß. "Nun los, wir können nicht warten." Ich sprang der Gefahr entgegen, nutzte die Geschwindigkeit des Fallens und schwang mich geschützt von einige Gebäuden zu unserem Ziel. Auch die Rekruten gingen zum Angriff über. Sie hatten sich in einige Gruppen aufgeteilt. Vor mir tauchte ein Titan der 9Meter-Klasse auf. Er wirkte fast schon menschlich mit seinem blonden Haar und seinen Proportionen. "Wer bist du wohl mal gewesen?" fragte ich mich. Ich hatte das Gefühl, manchmal zu vergessen, dass sie eigentlich Menschen waren. Doch sein Äußeres riss mich wieder zurück in die Realität. Ich flog auf ihn zu, fragte mich, ob er Familie gehabt hatte. Ich wich seinem Biss aus und hüpfte auf seinen Kopf - War er vielleicht ein liebender Vater gewesen? Einer dieser, die immer an der Tür erwartet wurden? Ich sprang hinunter zu seinem Nacken und schwang meine Schwerter - sicherlich würde ihn irgendwer vermissen. Ganz sicher.

Grenzen vergessen Levi x ReaderWhere stories live. Discover now