50. Die Auflösung der Unterwelt beginnt

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Auf dem Platz vor dem Regierungsgebäude sammelten sich die Soldaten. Es waren Frauen und Männer des Aufklärungstrupps sowie der Mauergarnision, die uns in diesem Vorgehen auf Verlangen der Königin hin unterstützten. Kommandant Pixis kam auf mich zu und wank. Er griff in seinen Matel und nahm einen Schluck aus seinem bekannten Silberfläschen. Ich grinste ihm entgegen.
"Kommandant Pixis. Ich danke euch für eure Unterstützung." begrüßte ich ihn.
"Ah, -dNN-. Es ist schön euch zu treffen. Wie ich sehe, seid ihr wohlauf. In der letzten Zeit strahlt ihr ja förmlich." Pixis setzte die Flasche ein weiteres Mal an. Sein Blick lag auf mir. Genüsslich nahm er einen Schluck des Weinbrands, dessen Geruch mir entgegenschwall. Ich rumpfte die Nase. Es stichelte in ihr.
"Trinkt nicht so viel, alter Mann!" warf Levi ein, der sich zu uns stellte. Skeptisch überblickte er meinen Trupp. "Ich hoffe, die dreißig Mann reichen dir." Ich nickte.
"Wir wollen die Unterwelt ja nicht einnehmen. Da wird das schon reichen. Soll ich Mona ebenfalls hochholen?" Levi verschränkte seine Arme.
"Als würde die alte Frau sich dort wegbewegen wollen." Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Pixis sah zwischen uns immer wieder hin und her und schwieg. Wahrscheinlich fühlte er sich wie das dritte Rad am Waagen. "Pass auf dich auf, -dN-." sagte Levi noch kurz und machte sich auf den Weg zu seiner eigenen Mission. Auch er würde nun seinen Trupp begrüßen und mit dem Vorgehen beginnen. Seufzend sah ich ihm nach. Es würde Tage dauern bis ich ihn wiedersehen könnte. 
"Ihr habt einen eigenartigen Geschmack....." ergriff Pixis das Wort. Ich hielt meinen Zeigefinger an meine Lippen.
"Das sollte unter uns bleiben, Kommandant. Ich hoffe, ich habe eurer Wort." flüsterte ich. Der alte Mann nickte lächelnd. Er legte seine Hände auf seinen Rücken zusammen und sah meinem Trupp entgegen. Es war an der Zeit, das Vorgehen zu starten. Ernsthaft drehte ich mich zu den Frauen und Männern um, die ab jetzt unter meinem Kommando standen. "Ich heiße euch alle im Offensivtrupp willkommen, Soldaten! Ihr werdet heute mit mir nach Stohess reiten, um dort den Wunsch unserer Königin zu erfüllen: Sie will alle Kinder aus der Unterwelt befreien. Dazu werden wir das Gebiet durchsuchen und die Kinder nach oben begleiten. Einige von euch werden diese mit Karren zum Gehöf der Königin fahren, andere sich mit mir in der Unterwelt aufhalten. Ich möchte betonen, dass wir diesen Menschen dort zur Hilfe kommen werden und keinerlei respektloses Vorgehen geduldet wird." Ich salutierte vor der versammelten Gruppe. Mit einem "Jawohl" wurde mein Befehl bestätigt. Der Trupp bewegte sich zu den Ställen. Jeder machte sein Pferd bereit und stieg auf, um sich beritten vor dem Gebäude zu sammeln.
"-dN-, schön euch zu sehen." grüßte mich Jens. Er war in Begleitung von Bastian und Aurou.
"Ah, da seid ihr ja." Ich grinste sie an. "Ich hoffe, ich kann mich bei dem Vorgehen auf euch verlassen. Ich benötige euch als meine Augen. Jens, du wirst oben den gesamten Ablauf mit den Karren beobachten und koordinieren! Ich möchte, dass die Kinder vernünftig behandelt werden." Jens salutierte zur Bestätigigung. "Bastian, dich möchte ich für die Überwachung des Treppenaufgangs einsetzen. Dort wirst du mit zwei weiteren Soldaten den Überblick über die Hinaufgehenden behalten. Zudem bist du dabei der Kontakt zwischen uns unten und Jens oben."
"Jawohl." rief Bastian aus.
"Auruo, du wirst wie ich unten vorgehen. Ich werde dir einige Leute zuteilen." Auruo nickte. Zufrieden ging ich mit den drei Männern zu unseren Pferden und begab mich an die Spitze des Trupps. "Dann los!" befahl ich. Der Offensivtrupp begann seine nächste Mission.

In der Unterwelt von Stohess angekommen, nahmen meine drei Vertrauten ihre geplanten Plätze ein und steuerten so einen Teil des Vorgehens. Ich selbst suchte mir vier Soldaten der Mauergarnision aus, um mit ihnen gemeinsam die Stadt zu durchstreifen: Lisa, Paulina, Stefan und Olaf. Die Vier schienen einander sehr vertraut zu sein und strahlten eine gewisse Ruhe aus. Genau das Richtige um Menschen behutsam von sich zu überzeugen. Es vergingen Stunden, in denen wir Straße für Straße durchkämten und Kinder förmlich einsammelten, um sie zur Treppe zu bringen, wo Bastian geduldig wartete. Viele von unseren Fündlingen gingen ohne weiteres Fragen mit uns mit. Es war schockierend wie schnell sie Vertrauen fassten oder einfach nur ihrer Hoffnung nachliefen. Ihnen war alles Recht, solange sie etwas zu Essen versprochen bekamen. In meiner Brust breitete sich ein schmerzender Druck aus.
"Ihr seid alles Lügner!" schrie plötzlich ein Junge. Er musste bereits zwölf oder dreizehn Jahre alt gewesen sein und sah mich skeptisch an. Paulina blieb stehen. Sie sah den Aufständigen traurig an.
"Wir wollen euch nur helfen. Wie heißt du?" fragte sie mit ihrer sanften Stimme. Ihre Körpersprache und ihr Gesicht strahlten Freundlichkeit aus. Ich fragte mich ernsthaft, warum diese Frau als Soldatin diente.
"Tim..." sagte der Junge. Er strich durch sein langes rotes Haar und kratzte sich an der Nase. Seine Augen waren immer noch auf uns fixiert. Ungeduldig ergriff ich das Wort:
"Tim, wir bieten euch nur an, dass ihr mit uns nach oben kommt. Mein.... Ein Freund von mir hat sich dafür eingesetzt, euch zu helfen. Keiner von euch soll dabei gezwungen werden. Wenn du also unbedingt hier bleiben möchtest, kannst du das tun."
"Ihr seid Lügner! Warum solltet ihr uns plötzlich helfen wollen? Nach all den Jahren......" schimpfte der Rothaarige. Ich konnte ihm diese blinde Wut nicht verübeln. Ich selbst hatte dieses Gefühl damals an Levi ausgelassen, als mich die Wirklichkeit dieser Menschen eingeholt hatte. Ich selbst musste erst lernen, dass man Geduld und Verständnis für eine langanhaltene Situation haben musste. Wie sollte ein Kind wie er das verstehen, was ich als Erwachsene nicht konnte? Paulina ging langsam auf den Jugendlichen zu. Sie streckte ihre Hände nach ihm aus und lächelte.
"Komm.....!" forderte sie benah mütterlich. Doch dann zog Tim ein Messer und sprang ihr entgegen. Ich blickte zu der Soldatin. Sie hatte ihre Deckung aufgegeben und war von dem Handeln des Jungen überrascht worden. Mit einem kräftigen Sprung bewegte ich mich auf sie zu und zog meinen Dolch. Ich stieß die Frau zu Boden und wehrte gleichzeitig den Angriff des Jungen mit meiner Klinge ab. Ein lautes Klirren halte durch die Straßen. Immer wieder trafen unsere Klingen aufeinander. Tim steigerte sich in seine kochenden Wut hinein - sie ließ ihn beinah erblinden. Seine Aggression loderte in seinen Augen. Vielleicht war es einer dieser Momente, die dieser Junge brauchte, um seinem Frust freien Lauf zu lassen. Vielleicht war er auch einfach gewöhnt, jeden ihm nicht Passenden anzugreifen. Egal was sein Grund war - er war ein Opfer dieser Welt. Seine Angst und seine Zweifel waren das Ergebnis seines Darseins. Ich dachte an Levi. Wahrscheinlich hatte er eine ähnliche Wirklichkeit wie Tim erlebt und dennoch war er kein schlechter Mensch geworden. Auch dieser Junge hier vor mir, konnte es schaffen. Man musste ihm nur die Chance dazu geben. Ich würde sie ihm geben - wenn auch schmerzhaft. Genervt biss ich meine Zähne zusammen. Mit einer gekonnten Bewegung zur Seite wich ich dem nächsten Hieb des Jungen aus und trat mit meinem Knie in seinen Bauch. Er krampfte zusammen. Aus seinem Mund floss ein gelbliches Gemisch und er krümmte sich. Agressiv packte ich seinen Arm und drückte ihn zusammen. Seine Elle begann leicht nachzugeben. Es knackte laut. Der Junge schrie.
"Lass das Messer fallen!" fauchte ich und er tat es. Ich hatte ihn auf unangenehme Weise zurück in die Realität befördert. Angsterfüllt blickte er mir ins Gesicht. "Es tut mir leid." flüsterte ich und trat seine Waffe weg. Dann ließ ich ihn los und er ging zu Boden. "Paulina, kümmere dich um ihn!" befahl ich und ging weiter. Ich musste Abstand zu der Situation gewinnen. Zu oft hatte ich bereits erlebt, was geschah, wenn mich mein Zorn erobert hatte. Ich steckte meinen Dolch zurück und seufzte. War ich zu gewaltätig vorgegangen? Schwerfällig schluckte ich. Ich kannte die Antwort und sie tat unglaublich weh.


Grenzen vergessen Levi x ReaderWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu