86. Die Ehrung

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Es war der Tag der Ehrung. Der Tag, an dem die Mutigen oder viel mehr die Übriggebliebenen des Aufklärungstrupps für ihre Taten ausgezeichnet wurden.
Es sollte ein Tag der Dankbarkeit sein - ein Tag der Zuversicht. Doch ich stand zurückhaltend an einer Wand gelehnt und blickte unsicher zu Levi und Hanji, die bei mir waren. Keiner von uns war wirklich in einer feierlichen Stimmung, auch wenn jeder einzelne Soldat der Mauergarnison und der Militärpolizei zu unseren Ehren anwesend waren.
Ein Seufzen glitt mir von den Lippen. Meine Brust hob sich schwerfällig. Ich hatte ihnen meine Entscheidung noch gar nicht mitgeteilt, sondern bereits heimlich mit Historia gesprochen, um Diskussion aus dem Weg zu gehen.
„Ich weiß, dass du unbedingt Kommandant Erwin wiederbeleben wolltest." hörte ich plötzlich Armin sagen. Mit zusammengepressten Lippen blickte ich zu Levi, der ebenfalls lauschte. Seine Augen bebten.

„Ich finde, der Kommandant wäre die richtige Wahl gewesen, nicht du. Und ich bin nicht der Einzige, der so denkt. Jeder, der den Bericht gelesen hat, hat sich gefragt, wieso nicht Kommandant Erwin..." Flocke hielt inne.

„Und, was weißt du über Armin?" rief Eren aus. Die Diskussion wurde lauter, doch weder Hanji noch Levi machten den Anschein, eingreifen zu wollen. Beide hielten sich zurück.

„Ich weiß gar nichts über ihn." antwortete Flocke auf die Frage seines Kammeraden, „Weil ich weder sein Kindheitsfreund noch überhaupt sein Freund bin, aber ich weiß, warum Armin ausgewählt wurde. Weil ihr Beiden und Hauptgefreiter Levi euren Gefühlen nachgegeben, die Spritze an euch gerissen und eine irrationale Entscheidung getroffen habt. Und zwar, weil ihr das, was euch wichtig war, letztendlich doch nicht aufgeben wolltet..."

Es war ein Knall der durch die Halle schallte. Ein Knall, der Flocke, die Anderen des Trupps und auch einige Staatsmänner aufschrecken ließ. Meine Handfläche klebte im Gesicht des jungen Mannes, der seiner Kritik ohne überhaupt zu hinterfragen, hinausposaunte. Ich hasste solche Menschen. Mehr noch - ich verachtete sie.

„Was soll das?" schrie Flocke mich fast schon an.

„Du solltest deinen verdammten Mund halten! Weißt du, wie schwer eine solche Entscheidung sein kann und wie unsicher man sich sein Leben lang auf Grund dieser sein wird? Meinst du nicht, dass es immer leichter ist, danach alles schlecht zu machen? Ach... und was weißt du überhaupt über die Welt, dass du beurteilen kannst, wer uns wirklich weiterhelfen wird?" schimpfte ich energisch.
Mein Blut – es pulsierte in meinem Kopf. Meine Wangen fingen Feuer.

„Wie soll es denn jetzt ohne Kommandant Erwin weitergehen!? Außerdem, warum wurdet ihr überhaupt gerettet? Ihr habt doch genauso wenig wie Armin etwas Besonderes getan!"

Armin blickte erschrocken an mir vorbei. Ich sah zur Seite und entdeckte Levi, der an uns herantrat. Sein Blick war starr – beinah emotionslos. Es stach in meinem Herzen. Es war dieser Blick, den er zeigte, wenn er seine Gefühle in sich vergrub und jegliche Emotion verschluckte. Ich hasste es. Es offenbarte mir immer wieder, wie verletzlich er war und wie sehr ihn das Alles mitnahm. Ertragen – das war seine Devise. Doch einige Dinge wollte ich ihn nicht mehr ertragen lassen. Es war einfach genug.

„Richtig Flocke. Ich habe auch nichts wirklich Tolles bei der Mission hinbekommen... Du hast also vollkommen Recht, dass ich die Ehrung nicht verdient habe und ich nehme sie auch nicht an. Aber gegenüber Armin zu sagen, dass Erwin hätte Leben müssen, um uns irgendwann voranzubringen, ist ..."

Es kribbelte in meinen Augen. Mir kamen die Tränen. Unsicher sah ich auf. Die Jugendlichen starrten mich an und auch Levis Blick war plötzlich voller Sorge.

"Scheiße. Flocke, halte einfach deine Klappe!" sagte er und lag vorsichtig seine Hand auf meinen Kopf, während er mir ein Taschentuch reichte. Hastig nahm ich es und drückte es in mein Gesicht.

"Es tut mir leid....." flüsterte ich.

"Mach dir keine Gedanken. Erstmal müssen wir jetzt dein Gefühlschaos überstehen...." seufzte Levi schon fast. Hanji lachte zurückhaltend. Auch ihr sah ich die bedrückende Stimmung an, doch sie versuchte, sie zu überspielen.

"Das wird sicher einige Zeit dauern, Levi." meinte sie und klopfte liebevoll auf meine Schulter.

"Vielleicht haben wir ja Glück......" sagte der Gefreite und sah mich eindringlich an. Ich schlunzte. Sein Blick wurde skeptisch. "Wohl eher nicht."

Hanji umarmte mich.
„Habe ich das richtig verstanden, dass du nicht an der Ehrung teilnimmst?" flüsterte sie mir beinah ins Ohr.

Ich nickte und sah in die Runde. Nicht nur Hanji, auch Eren, Mikasa und Armin sahen mich erwartungsvoll an.
„Ich fühle mich nicht danach. Weder habe ich wirklich eine große Leistung vollbracht, noch bin ich eine von euch..."

„Die Gefangennahme des Karrentitan war dir nicht genug Leistung?" zischte Levi, der nun seine Arme verschränkte.

„Meine Entscheidung steht fest. Akzeptiert es einfach!" meinte ich nur und wischte dabei die letzte Träne aus meinem Gesicht. Levi seufzte.

„Gut. Rotznassen, reiht euch auf! Es wird Zeit." befahl er und beobachtete die Jugendlichen dabei, wie sie sich zum Thron begaben. „Manchmal verstehe ich dich nicht..." warf er noch ein und ließ seinen Kopf sinken.

„Musst du auch nicht..." meinte ich nur und schob ihn ein wenig vor. „Und nun geh! Du hast dir das mehr als verdient, Levi!"

Er sah zu mir zurück, doch schritt er voran zu seiner Königin. Ich lächelte, bis er vor ihrem Thron kniete und sich verbeugte. Nein – für mich war diese Geste weder gerechtfertigt noch nötig. Mit erhobenem Haupte hätte er dort stehen sollen – seinen Blick zum Himmel und nicht nach unten, wo er herkam, gerichtet. Levi aber auch unsere anderen Kameraden – für mich waren sie Helden, die schon viel zu viel ertragen hatten. Keine Ehrung, kein Schmuckstück und vor allem keine königliche Geste könnte dieses Leid, welches sie für das gesamte Volk erfahren hatten, begründen. Ich seufzte und spürte plötzlich eine Präsenz neben mir.

„Ah, -dNN-. Habt ihr euch nun doch entschieden, den Aufklärungstrupp zu verlassen?" Ich kicherte leise und grüßte Kommandant Pixies mit einem Klopfen auf die Schulter.

„Ich muss euch immer noch enttäuschen. Ich war nur nicht bereit, diese Ehrung anzunehmen."

„Auf Grund eurer Herkunft?" flüsterte er mir zu, um die Zeremonie nicht zu stören. Ich nickte.

„Unter anderem. Wisst ihr, diese königlichen Staatsdinge sind nicht so meins."

„Aber der Hauptgefreite nimmt sie an."

Ein Lächeln huschte über mein Gesicht.
„Ja, weil es ihm etwas bedeutet, glaube ich..." meinte ich und senkte meinen Kopf.

„Und? Stimmen die Gerüchte?" fragte Pixies nun. Er nahm leise seinen Flachmann aus dem Mantel und nahm vorsichtig einen Schluck.

„Nun, welche genau?"

„Ihr erwartet ein gemeinsames Kind mit dem Gefreiten? Soweit ich weiß, hat seine Kampfkraft etwas mit seiner Abstammung zu tun. Also ist es ein doppelter Grund zur Freude."

Ich blickte auf. Meine Augen weiteten sich. Pixies hatte den gleichen Gedanken wie Erwin – diesen Gedanken, dass dieses Kind ein mächtiger Krieger werden würde. Entstanden, um zu kämpfen. Geboren, um zu töten. In mir baute sich ein Druck auf. Warum nur dachte jeder bei diesem Kind an den Krieg, ohne ein einziges Mal an diese Seele, die dort heranwuchs zu denken? War die Kraft des Vaters Grund genug, diesem Kind jeglichen Weg zu versperren und es einem festen Ziel zuzuordnen? Ich schluckte schwerfällig.

„Eren?" hörte ich die Königin plötzlich rufen. „Eren?!"
Der junge Mann stand verwirrt auf. Mit einem „Entschuldigung..." nahm er Abstand und verließ den Thronsaal. Eilig wank ich Levi zu, dass sie weitermachen sollten und folgte ihm. Einer musste sich um das Opfer unseres Vorgehens kümmern und diese eine war, ob ich nun wollte oder nicht, ich. 

Grenzen vergessen Levi x ReaderWhere stories live. Discover now