95. Ruf der Freiheit

281 12 0
                                    

Geschwind schritt ich durch die Kaserne Mitras und nickte dem ein oder anderen Soldat zu, während ich unauffällig meine Bluse auf Milch- und Sabberflecke kontrollierte. Ich war mal wieder zu spät und dennoch kaum bereit für die anstehende Besprechung, doch wie von Hanji versprochen, wurde ich seit der Geburt von Kuchel in die meisten Entscheidungen miteingebunden. Tief durchatmend klopfte ich einige Male an der Tür meiner Kommandantin und trat ein. Auch Generel Zackley und Kommandant Pixies waren anwesend und blickte auf, als ich zu der Braunhaarigen herüberhuschte.

„Ah, -dN-. Wir haben auf dich gewartet!" rief diese aus und erklärte dann: „Seit nun zwei Monaten ist kein einziger Titan mehr an die Mauer Shiganshinas herangekommen. Wir gehen also davon aus, dass wir sie vollständig ausgelöscht haben."

„Was macht euch so sicher?" fragte der General nach. Hanji blickte zu mir.

„Nun ja. Die Titanen werden von einer Menschenmenge angezogen. Da Shiganshina wieder besiedelt ist, sollten auch die restlichen Titanen so langsam ihren Weg dorthin gefunden haben. Diese Insel ist nicht so groß, dass sie dafür Jahre brauchen würden." ergriff ich das Wort.

„Das heißt, die Insel sollte von ihnen befreit sein. Wir werden morgen mit dem Aufklärungstrupp ausreiten und die Gegend kontrollieren. Wenn alles so ist, wie -dN- uns erzählt hat, sollten wir den riesigen See erreichen können." meinte die Kommandantin. Ich nickte bei ihren Worten und bekam gleichzeitig Herzklopfen. Der Tag war also gekommen. Levi und die Anderen würden es nun auch endlich sehen, riechen und hören können, um einen Hauch der Freiheit zu entdecken. Das Meer – es rief bereits nach ihnen. Ich konnte es förmlich hören. Es war der Ruf der Frieheit.

„Gut. Ich erwarte einen umfangreichen Bericht! Nach eurer Erkundung sollten wir zudem so früh wie möglich damit beginnen, dieses Ding namens Hafen zu bauen. Die Mauergarnison soll dann unterstützend tätig werden, Kommandant Pixies!" befahl Zackley.

„Jawohl." äußerte Pixies und griff dabei in seine Jacke. Natürlich – sein Flachmann durfte auch heute nicht fehlen.

„Super. So machen wir das. Ich würde die Herren dann gern darum bitten, zu gehen. Ich möchte gern noch etwas mit -dN- allein klären, wenn es ihnen nichts ausmacht." Hanji wies zur Tür.

„Natürlich." meinte Kommandant Pixies nachdem er einen Schluck Weinbrand genommen hatte und nun seine Flasche behutsam zudrehte. „-dN-, ihr müsst übrigens unbedingt mal mit eurer Tochter bei mir vorbeischauen! Man hört ja ständig, wie niedlich sie sein soll."

Ich lächelte gezwungen.
„Ja, gern." verabschiedete ich die beiden Herren und seufzte erleichtert, als sich die Tür hinter uns schloss. „Niedlich....wenn der wüsste...."

Hanji grinste.
„Ist sie immer noch so schlimm?"

„Hör auf! Alle zwei Stunden wacht sie auf und hat irgendwas. Ich dachte ja, dass es nur die ersten paar Wochen so ist, aber jetzt ist sie schon vier Monate alt. Ich bin vollkommen fertig."

„Irgendwann wird sich das legen."

„Ja, hoffentlich... Aber sag, wann wollen wir morgen aufbrechen?"

Hanji richtete ihre Brille.
„Ich hätte am späten Morgen gesagt. Ich werde Levis Trupp in Kenntnis setzen. Wir treffen uns am Stall. Wer von euch wird mitkommen, -dN-?"

Ich sah überrascht auf. Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet, denn für mich war es von Anfang an klar gewesen, dass weder Levi noch ich hierbleiben würde. Keiner von uns durfte dieses Ereignis verpassen – diesen entscheidenden Moment.

„Wir werden Beide mitkommen. Ich werde Kuchel mitnehmen."

„Was? Du willst..."

„Ja. Sie soll doch auch das Meer sehen, Hanji." Ein Lächeln huschte über meine Lippen. Auch wenn der Blick meiner Kommandantin ein wenig Skepsis aufwies, nickte sie zustimmend.

„In Ordnung. Wenn es für euch okay ist, sie mitzunehmen, ist es das auch für mich. Aber ich will sie dann auch mal halten! Sie muss doch auch ihre Tante Hanji mal kuscheln!"

Ich lachte laut auf.
„Das wird sie bestimmt."


Eilig öffnete ich unsere Zimmertür und sprang förmlich in den Raum. Die Besprechung hatte länger als gedacht gedauert und obwohl Levi mir alle Zeit der Welt geben würde, hatte ich das Gefühl, zu spät zu sein. Immerhin wusste ich, wie anstrengend es sein konnte, mit Kuchel auf sich allein gestellt zu sein. Dieses kleine Wesen trieb uns seit ihrer Geburt an den Abgrund unseres Könnens. Weder Levi noch ich hatten jemals so tiefe Augenringe gehabt noch das Bedürfnis verspürt, jeden freien Moment zum Schlafen zu nutzen und dennoch – wir liebten dieses kleine Monster.

Auf dem Sofa angelehnt saß Levi einfach nur da und entspannte. Seine Augen waren geschlossen. Sein Kopf in den Nacken gelehnt. Ich sah seinen ruhigen Atem, der Kuchel beinah wiegte. Sie war auf seinem Oberkörper liegend wohl endlich eingeschlafen, nachdem sie uns die ganze Nacht wachgehalten hatte.

Vorsichtig kam ich auf die beiden zu. Ich betrachtete sie. Levis Haar glänzte im Sonnenlicht. Seine Nase ließ diesen typischen kleinen Schatten auf sein Gesicht fallen und betonte die Müdigkeit, die daraus zu lesen war. Musternd wanderte mein Blick über ihn hinweg. Mittlerweile hatte ich nicht mehr dieses wilde Herzklopfen, wenn ich ihn betrachtete. Ich war nicht mehr aufgeregt oder gar nervös. Vielmehr breitete sich in mir ein angenehmer Druck aus. Er war warm und ließ meinen Schoss kribbeln, während ich gleichzeitig die Anmut von ihm entdeckte und bewunderte. Selbst mit den tiefsten Augenringen und einem sabbernden Kind auf der Brust verehrte ich das Sein dieses Mannes - meines Mannes und des Vaters meiner Tochter.

"Was starrst du so?" fragte er nun und öffnete verschlafen ein Auge.
Ich lächelte ihn an und strich durch sein Haar.

"Ich verehre dich doch nur." flüsterte ich und blickte prüfend zu Kuchel. Sie ließ sich von unserer Unterhaltung nicht stören und schlief seelenruhig weiter.

Levi streckte seine Hand zu mir aus und berührte meine heiße Wange. Er führte mein Gesicht an seines heran und küsste mich. Eine warme Welle lief durch meinen Körper hindurch. Ich löste meine Lippen von seine und er legte das Kind vorsichtig auf das Sofa neben sich.

"Levi, wir müssen noch was besprechen!"

"Gleich..."

Er zog mich auf seinen Schoss und leckte mit seiner Zunge über meine Lippen. Ich lächelte, während er meine Bluse öffnete. Seine Hände griffen an meine Brüste und strichen über meinen Bauch. Mittlerweile waren wir recht schnell was Sex betraf, um es überhaupt miteinander tun zu können. Immerhin konnte in jedem Moment das Aufwachen unserer Tochter das gezwungene Ende unserer Nähe bedeuten – wir hatte es oft genug schon erlebt – und dabei die gesamte Stimmung des Tages verderben.

Es blieb also keine Zeit für Romantik und auch keine Zeit für lange Spielchen. Ich empfing seine Hand in meinem Schoss. Eilig drückte ich mein Gesicht in seinen Schal, um mein Stöhnen zu unterdrücken, und genoss seine Berührungen. Sein Duft, seine Wärme und sein Atem – ich verlangte nach ihnen, drückte mich immer stärker an ihn heran – fast so als wollte ich mit ihm verschmelzen.

„Levi..." hauchte ich in sein Ohr. „Ich will dich!"

Doch ich bekam ihn nicht.
„Levi! Wir müssen noch was...." rief eine uns bekannte Stimme über den Flur hinweg. Ich schrak auf, sprang von seinem Schoß, sodass ich beinah fiel, und fluchte genervt, während ich mir meine Bluse zuknöpfte.

„Ist es die eine nicht, nervt die Andere..." stöhnte Levi und blickte zur Tür. Wie erwartet, dauerte es nur Sekunden, bis diese aufgeschlagen wurde und Hanji in unserem Zimmer stand. Von Anklopfen hatte sie noch nie etwas gehalten.
Verdutzt sah sie sich um – selbst sie musste merken, dass die Stimmung im Raum etwas angespannt war.

„Was gibt's, Hanji?" fragte der Gefreite und schlug ein Bein über das andere. Im Gegensatz zu mir wirkte er gefast, zumindest bis das erste Jammern zu vernehmen war. „Verdammt..."

Kuchel begann zu weinen. Eifrig zappelte sie mit ihren Beinen und tat damit ihren Unmut über den Krach kund. Ich seufzte und hob sie hoch, um sie ein wenig zu schaukeln, doch ihr Schmatzen verriet, dass sie etwas anderes wollte.

„Könnt ihr das draußen besprechen? Ich muss Kuchel wohl füttern..." fragte ich. Levi nickte. Wie von mir erbittet, schob er Hanji aus dem Zimmer und schloss hinter sich die Tür.

„Da hätte ich die Bluse wohl gleich offen lassen können..." meinte ich zu dem kleinen Etwas in meinem Arm. Sie sah mich erwartungsvoll an – mit diesen blauen, ernsten Augen, die sie wohl oder übel von ihrem Vater hatte. Ich grinste. Manchmal war es doch gar nicht so schlecht mit ihr allein zu sein und sie einfach nur zu betrachten. In ihr Levi zu erkennen und zu wissen, dass auch ein Teil von mir in ihr war, war ein unglaubliches Gefühl. Ein Gefühl, was ich bisher nie verstehen konnte und nun selbst empfand, so als sei es das normalste der Welt.

„Morgen siehst du das Meer, Kuchel." erklärte ich ihr und lag sie an. Die Milch schien ihr wichtiger zu sein, doch insgeheim hoffte ich, dass sie bei unserem Ausflug irgendwie Spaß haben würde – wenn auch auf ihre eigene Art und Weise.

Grenzen vergessen Levi x ReaderWhere stories live. Discover now