99. Ein neues Team

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Es vergingen einige Tage, in denen ich immer wieder Gespräche mit Hanji, Levi und Pixies führte, um im späteren Verlauf der Verhandlungen Historia um die Erlaubnis der Aufnahme von Kenny im Aufklärungstrupp zu bitten. Sie willigte nach langen Erklärungen ein, befahl jedoch den Einsatz des Mannes in meinem oder Levis Team, um eine gewisse Kontrolle auszuüben. Ich stimmte dieser doch sehr kleinen Klausel zu.

„Gut und wer von euch will den Typen jetzt an der Backe haben?" fragte uns Hanji, als wir gemeinsam zu Mittag aßen. Levi blickte kurz zu Kuchel, die an mir gebunden schlief und sah dann zu mir auf. Ich seufzte.
„Ich möchte bald ein neues Team aufstellen, also würde es mir gelegen kommen, damit bereits ein effektives Mitglied zu haben." erklärte ich. Hanji nickte und sah zum Gefreiten, der ein Bein über das Andere schlug.
„So lange wie möglich bleibt der Alte in seiner Zelle. Nur bei Einsätzen werden wir ihn rausholen, -dN-." ergriff Levi das Wort. Seine Stimme klang bestimmend. Er duldete in diesem Fall keine einzige Widerrede – noch nicht einmal von mir.

„Das kann ja was werden..." seufzte Hanji und nahm ein Stück Käse, um es sich direkt in den Mund zu schieben. „Hast du einen Plan, wen du noch im Team haben willst?"
„Nicht wirklich. Ich denke, ich werde Kommandant Pixies um Unterstützung bitten, sodass ich vielleicht aus der Mauergarnison den ein oder anderen Soldaten übernehmen kann..."
„Mmmh, keine schlechte Idee..." meinte Hanji. Sie nahm ihr Kinn in die Hand und schien zu überlegen. „Wenn der Greis das mitmacht, wäre es für unseren Trupp ein großer Gewinn. Wir haben kaum noch Leute..."

„Wohl wahr..." seufzte ich und dachte an all diejenigen, die wir auf unseren Weg bis hierher verloren hatten. Erwin hatte hinter sich einen Leichenberg aufgestapelt, auf dem er schlussendlich selbst gelandet war. Auch wenn ich ihn für diese Vorgehensweise gehasst hatte, er hatte uns damit das Erreichen des Meeres ermöglicht und dabei die Tore der Welt für uns geöffnet. Nun lag es an uns, so schnell wie möglich diese Tore zu durchschreiten. „Wann werden die Arbeiter zum Strand entsandt?" fragte ich Hanji, nachdem mir aufgefallen war, dass ich lange nichts mehr zum Thema gehört hatte.

„Nächste Woche werden einige Karren losfahren. Sie werden zunächst ein Lager errichten und dann ein paar Gebäude direkt an der Bucht errichten, um Unterkünfte zu haben."
„Und wann beginnen Sie mit den Schutztürmen?" Ich wurde nervös. Allein die Priorisierung der Aufgaben gefiel mir bereits nicht.
„Vielleicht in drei Monaten..."
„Hanji, das ist viel zu spät! Wir brauchen den Schutz jetzt und nicht erst in ein paar Jahren. Eigentlich müssten wir die Meerenge schmaler machen, um großen Schiffen den Zugang zu versperren, dann bräuchten wir Türme mit den besten Kanonen, die wir herstellen können, und eine Armee, die den Hafen besetzt." erklärte ich aufgebracht.
„Scheiße..." fluchte Levi leise und blickte auf den Tisch. Er vertraute meiner Einschätzung und erkannte wie Ernst es mir war. Doch nicht nur er – auch Hanji sah mich konzentriert an.
„Vielleicht können wir die Arbeiten durch die Titanen beschleunigen." schlug sie plötzlich vor. Meine Augen weiteten sich. Ich schaute prüfend zu Levi, der etwas skeptisch dreinblickte, doch wie ich es nicht sofort ausschloss.
„Das ist vielleicht die Idee..." meinte ich.


Nach unserer ausgiebigen Diskussion und dem reichlichen Essen verabschiedete ich mich von meinen beiden Gefährten. Levi wollte nach seinem Team schauen und mit ihnen unsere Idee besprechen, während Hanji ihre Aufgabe als Kommandantin wahrnahm und den General traf. Ich ging gemeinsam mit Kuchel zu Pixies. Vielleicht konnte ich ihn mit der Niedlichkeit meiner Tochter ein wenig einstimmen, um dann mein Anliegen vorzutragen und ihm diese doch sehr große Bitte aufzutischen – immerhin waren fähige Soldaten zurzeit sehr gefragt und jeder Kommandant sah mit Hoffnung den neuen Rekruten entgegen.

Ich klopfte zurückhaltend, als ich an Pixies Büro herantrat und wartete auf die Bitte einzutreten. Der Kommandant der Mauergarnison saß an seinem Schreibtisch und las einige Unterlagen. Sein Flachmann stand dabei griffbereit neben ihm – wahrscheinlich hatte er schon einige Schlucke genommen, um die Langeweile zu vertreiben.

„Guten Mittag, -dN-. Schön euch zu sehen." begrüßte er mich und fügte dann lächelnd hinzu: „Wie ich sehe, habt ihr eure Tochter mitgebracht." Nickend trat ich ein und ließ die Tür hinter mir ins Schloss fallen.
„Nun, ihr hattet mich ja um einen Besuch gebeten." warf ich ein, während ich das Tuch löste. Kuchel strampelte freudig. In letzter Zeit wurde sie immer agiler.

Konzentriert trat der Kommandant an uns heran und nahm mir das Kind ab.
„Ha, was für ein süßes Mädchen." meinte er und legte sie auf das Sofa zwischen einige Kissen. „Ihr seid nicht nur zum Zeigen der kleinen Dame hier, oder?" fragte Pixies nun. Ich grinste. So alt und dauerbetrunken dieser Mann doch war, seine Scharfsinnigkeit durfte man niemals unterschätzen.

„Ihr habt Recht... Ich möchte euch um Unterstützung bitten, Kommandant! Ich benötige für mein Team zwei, vielleicht drei fähige Soldaten. Die nächsten Rekruten werden noch etwas auf sich warten lassen... Daher ist meine Frage, ob ihr mir jemanden aus eurer Garnison zur Verfügung stellen könnt?" Meine Hände wurden feucht.

„Mmmh." Der Kommandant lag seine Fäuste auf den Rücken und wanderte langsam zum Fenster. Er schaute ein wenig gedankenvoll heraus, wobei seine Glatze leicht im Sonnenlicht schimmerte. „Nun, die Mauergarnison hat sich oft auf euch verlassen, -dN-. Daher werde ich eure Bitte nicht abschlagen können. Ich fordere jedoch etwas Geduld, da ich mit einigen meiner Frauen und Männer sprechen werde, um geeignete Kandidaten für euch zu finden."

„Ich danke euch, Kommandant Pixies."
Mit einem lauten Jauchzen unterbrach mich meine Tochter. Eilig blickte ich zu Kuchel, die sich zu drehen versuchte.
„Ein willensstarkes Mädchen habt ihr da. Sie gibt nicht auf." warf der alte Mann herüberschauend ein. Ich nickte und packte das kleine Etwas zurück auf meinen Arm. Ihr Strampeln verriet mir, dass sie eigentlich noch nicht fertig mit ihrem Versuch war und dennoch blickte sie mich zufrieden an. Ein Lächeln huschte mir über das Gesicht. Allmählich fühlte ich eine Art Stolz, wenn ich sie ansah. Einen Stolz, den ich sonst nur für mich selbst empfand.

„Dann warte ich darauf, dass ihr euch bei mir meldet." verabschiedete ich mich bei Pixies und ergriff bereits die Türklinke. Der Kommandant nickte zustimmend. Es war also an der Zeit für mich, endlich ein neues Team zusammenzustellen. In meinen Fingern kribbelte es. Ich freute mich darauf, neue Soldaten im Aufklärungstrupp willkommen zu heißen und in einer festen Gruppe Übungen durchzuführen. Endlich würde ich wieder die Verantwortung im Trupp übernehmen, die ich auch vor meiner Pause innehatte. Es gab mir das Gefühl, wieder ein Stück mehr zurückgekehrt zu sein. Wieder dabei zu sein, obwohl ich eigentlich niemals weggewesen war. 

Grenzen vergessen Levi x ReaderWhere stories live. Discover now