42. Unkraut

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Ein lautes Klopfen riss mich aus dem Schlaf. Levi lag noch immer dicht an meinen Rücken gedrückt und stöhnte leise auf.
"Scheiße...." fluchte er und setzte sich auf. Er fasste an seine Stirn und blickte verschlafen zu mir.
"Seit ihr schon wach?" rief Mona vor unserer Zimmertür stehend. Als Wecker machte sie eine enorm gute Figur - ihre Lautstärke war kaum auszuhalten.
"Einen Moment, wir kommen gleich." sagte Levi nun und stand auf. Er kleidete sich an und sah zu mir. Selbst nach dieser Nacht waren seine Augenringe immer noch leicht sichtbar.
"Guten Morgen." grinste ich ihm entgegen, stand auf und zog mich an. Gemeinsam öffneten wir die Tür und gingen hinunter in die Bar, welche wie ausgestorben wirkte. Mona stand an ihrem Tresen. Sie rechnete etwas zusammen und lächelte uns entgegen.
"Ich habe noch Äpfel, wenn ihr mögt." bot sie an und zeigte auf eine Schale. Ich griff erfreut zu und aß.
"Kannst du uns nun sagen, wo Trommler zu finden ist?" fragte Levi und setzte sich an die Bar. Mona nickte und wühlte nervös in ihrer Schürze.
"Ich habe es gestern noch aufgemalt. Es ist nicht sehr weit von hier. Mehr als 25 Minuten werdet ihr nicht brauchen. Peter ist nicht grade der, der Leute um sich scharrt. Es besteht also eine hohe Chance, dass er allein Zuhause ist." erklärte Mona und lag den genannten Zettel auf den Tresen.
"Gut. Ich kenne die Gegend." meinte Levi und packte die Skizze in unseren Rucksack. Ungeduldig blickte er zu mir.
"Ich bin gleich fertig." entgegnete ich und biss hastig in meinen Apfel. Er war so unglaublich erfrischend und saftig. Ein "Mmmh" konnte ich mir nicht verkneifen. Mona lachte.
"Du solltest ihr mehr zu essen geben, Levi. Sie ist eh schon viel zu dürr." kritisierte die alte Frau. Ich blickte sie verwirrt an und sah an mir herab. Sie hatte Recht. Die vielen Kämpfe und das Training hatten an meinem Körper gezerrt. Zudem war auch an Essen kaum mehr zu denken gewesen. Wie viele dieser komischen Energiegebäcke hatte ich in mir reingeworfen, um wenigstens halbwegs bei Kräften zu bleiben und den Hunger zu verdrängen? Auf die Dauer konnte meine weibliche Figur dem nicht standhalten. Ich seufzte.
"Lass uns gehen!" forderte Levi als ich meinen Apfel aufgegessen hatte und dankte Mona für die Herberge. Auch ich verabschiedete mich von der alten Dame und folgte ihm zu unserem nächsten Ziel.

Wir kamen an das beschriebene Haus und sahen uns um. Es stand in einer kleinen abgeschiedenen Gasse, in welchem ein Gebäude dem Anderen glich. Nichts an dieser Straße war auffällig - weder die Häuser noch die Menschen, die vor ihnen herumlungerten. Levi drückte mir eine Stahlkette in die Hand. Ich blickte ihn verwirrt an.
"Vielleicht müssen wir den Typen fesseln oder sonstwas tun, um ihn zum Reden zu bringen." flüsterte er schon fast.
"Verdammt, dann hätte ich Wanzen mitbringen sollen....." warf ich ein und grinste ihm entgegen. Sein Blick trübte sich.
"Die Dinger sind echt abartig. Vielleicht solltest du davon mal Abstand nehmen...." Ich lachte. Ihn damit aufzuziehen, löste ein Kribbeln in meinem Bauch aus. Ich konnte es nicht verdrängen. In diesem Moment empfand ich ihn schon beinah als süß. "Was?"
"Schon gut......Soll ich klopfen?" wechselte ich das Thema und ging die drei Holzstufen zur Tür hinauf. Levi nickte mir zu und hielt etwas Abstand. Konzentriert schlug ich gegen die Holztür. Wir warteten ab.
"Moment....." hörte ich eine tiefe Stimme rufen. Die Tür knarrte und öffnete sich einen Spalt weit. Ein müdes Auge blickte durch diesen hindurch und starrte mir entgegen. Es musterte mich.
"Was willst du, Puppe?" grüßte der Mann. Ich überlegte kurz und blickte zu dem Auge. Diese Position war mehr als ungünstig für ihn. Mit voller Wucht trat ich gegen die Tür. Es knallte. Die Türkante stieß in den Kopf des Mannes, schleuderte ihn ein Stückchen zurück und hinterließ einen Graben in seiner faltigen Stirn. "Ah." stöhnte er und fasste sich mit beiden Händen an den Kopf. Levi und ich stürmten das Gebäude. Der Gefreite zog den Fremden in den Raum hinein, während ich die Tür langsam schloss. Wir setzten ihn auf einen Stuhl und fesselten ihn. Schweigend standen wir vor ihm und warteten, bis er seine Orientierung wiedergewonnen hatte.
"Was wollt ihr?" fragte er nun. Sein Blick war auf mich gerichtet. Ich ging ein paar Schritte auf ihn zu. Fast schon vorsichtig schob ich die fettigen Strähnen auf seiner Halbglatze zurecht und antwortete entspannt:
"Wir wollen nur wissen, wo Kenny ist."
"Könnt ihr vergessen." zischte der Alte und spuckte auf meinen Pullover. Peter Trommler war kein ehrenvoller Mann. Das konnte ich bereits in den ersten Sekunden unseres Treffens erkennen. Sein Gesicht spiegelte einen rauen Lebensstil wider - Frauen, Alkohol und Gewalt waren in diesem sicherlich von großer Bedeutung gewesen. Doch dieser Mann hatte seine besten Jahre hinter sich gehabt. In Gegensatz zu Monas waren seine Augen trüb und sein Blick trostlos. Doch auch die Entschlossenheit seiner alten Tage konnte ich erkennen. Ihn zum Reden zu bringen, würde nicht einfach werden.
"Widerlicher Typ." meinte Levi. Er stellte sich ebenfalls direkt vor dem Alten und verschränkte seine Arme. "Peter Trommler, richtig?" Der Mann schwieg. Levi fasste sich durchs Haar. Ich sah die Ungeduld in seinen Augen. Auch er erkannte, dass wir diesen Mann stark bearbeiten müssten, um unsere gewünschten Informationen zu erhalten. Seufzend zog er sich seine weißen Handschuhe an und zupfte konzentriert den Stoff zurecht. Seine schmalen Finger ballte er zu einer Faust und setzte zum ersten Schlag an. Ein dumpfer Knall hallte durch den Raum. Tromlers Gesicht rötete sich und schwoll an, doch Levi schlug immer wieder darauf ein. Jeder Schlag ließ die Haut des Mannes aufplatzen. Blut und Schweiß vermischten sich und hinterließen einen rötlichen Schleicher auf die Handschuhe des Gefreiten. Er biss seine Zähne zusammen. Wahrscheinlich packte ihn der Eckel, doch er sah darüber hinweg. In diesem Moment ging es in seinem Leben wieder draum, wer der Stärkere oder Mächtigere war. Darum den Anderen niederzuschlagen, um den eigenen Vorteil herauszupressen. Levi packte Trommler am Kragen seines Hemdes und zog ihn an sich heran. "Rede!" fauchte er. Seine Augen waren hasserfüllt. Diesen Blick sah ich nur selten an ihm. Er wollte diese Information unbedingt. Trommler hustete und spuckte Blut.
"Vergiss es..." stöhnte er heraus.
"Ach ja?" Levi trat in den Bauch des Alten. Der Stuhl began zu wanken und rückte ein Stückchen nach hinten. Trommler krümmte sich. Er hustete wild. Doch sein Blick war immernoch starr. Um ihn zu brechen, musste es mehr sein. Ich griff nach meiner Kette und positionierte mich hinter ihn. In beiden Händen gehalten, zog ich das Eisengebilde in seinen Mund und drückte sie kräftig nach hinten. Der Mann schrie. Seine Zähne klimperten daran.
"Ich werde sie dir bis zu den ohren ziehen." kündigte ich an und drückte sie noch weiter in sein Maul. Speichel floss aus dem offenen Mund und befeuchtete seinen Hals. Langsam begann seine Haut nachzugeben. Die ersten Risse in seinen Wangen breiteten sich aus und er japste hastig. Levi verstand, warauf ich hinaus wollte. Sein nächster Tritt würde die Organe des Mannes direkt treffen, denn ein schützendes Beugen war nun nicht mehr möglich. Ich drückte meinen Körper gegen den Stuhl, um ihn zu stabilisieren. Ein Tritt nach dem Anderen platzierte der Gefreite auf den Körper des Mannes. Trommlers Augen rollten langsam nach oben und begannen zu tränen. Er stöhnte, japste und hustete aufgeregt. Immer wieder wurde die Luft aus seinen Lungen gedrückt. Immer wieder seine Organe zwischen dem Holz und den Stiefeln des Gefreiten zusammengequetscht. Mich überkam ein Lächeln. Dieser Anblick war einfach zu komisch. Der Körper zuckte immer wieder auf. Ich zog den Kopf noch weiter nach hinten und genoss den Druck, der gegen meinen Körper klopfte. Dieses Gefühl von Macht verdrehte mir den Kopf. 
"-dN-, er erstickt an seiner Spucke." rief Levi nun und griff meinen Arm. Ich sah ihn erschrocken an. Seine Augen blickten in mich hinein. Er erkannte ihn - meinen Wahn, der immer wieder erwachte, wenn ich die Qual anderer beobachtete. Es war dieses Unkraut, was langsam in mir herangewachsen war und nun erblühte. Ich ließ die Kette los. Klirrend fiel sie auf den Holzboden.
"Scheiße." fluchte Levi und sah sich Trommler an, indem er sich vor ihn hockte. "Hey alter Mann, wach auf!" Unsicher schüttelte er ihn. Stöhnen richtete sich unser Opfer auf. Er blickte Levi ängstlich an. Wir hatten es geschafft: Er war gebrochen. "Los beantworte uns unsere Frage!" forderte der Gefreite.
"Die rote Perle." krächzte es aus dem Alten heraus.


Grenzen vergessen Levi x ReaderWhere stories live. Discover now