63. Der versteckte Feind

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Galoppierend näherte sich der Aufklärungstrupp den Stadtmauern Shiganshinas. Die Soldaten schossen ihre Haken in die Mauern und begaben sich in die Luft. Wie von Kommandant Smith geplant, nahmen die Truppen die gesamte Mauer ein und stellten sich im Abstand von ca. 20 Meter auf, um einerseits einen Überblick über die Stadt zu ermöglichen und andererseits Ausschau nach Feinden zu halten. Der Offensivtrupp war wie einige Mitglieder des Elitetrupps für den nördlichen Bereich der Mauer eingeteilt, während Levi sowie Hanjis Trupp den südlichen Teil übernahmen und dabei Erens Schutz sicherstellten. Beunruhigt sah ich zu dem jungen Mann, der Levi über die Stadt hinweg folgte und blickte daraufhin zu meinen Truppenmitgliedern. Sie hatten ihre Position eingenommen und kontrollierten ihren Bereich auf Auffälligkeiten.
Plötzlich erkannte ich ein Winken. Armin machte auf sich aufmerksam. Er schaute zu mir und schien auf Unterstützung zu hoffen.
„Jens, überblicke bitte auch meinen Bereich! Ich bin gleich wieder zurück." befahl ich und begab mich zu dem Jugendlichen.
„Armin, was ist los?" fragte ich, als ich neben ihm landete. Doch es waren keine weiteren Worte nötig. Der Junge hatte offensichtlich eine Feuerstelle entdeckt, die nicht älter als zwei Tage alt sein konnte.
„Geh du hier runter und kontrolliere die Umgebung auf weitere Hinweise! Ich schieße eine Leuchtrakete und werde deinen Fund berichten." sagte ich zu Armin, der nervös nickte. Sein Fund war kein gutes Zeichen. Dies hatte auch er erkannt - seine Augen offenbarten es mir. Ich seufzte und lag meine Hand auf seine Schulter.
„Gut, dass du es entdeckt hast." lobte ich ihn und schoss die Leuchtrakete, um von den Auffälligkeiten zu unterrichten.
Wie von mir erwartet, kam Erwin zügig zu uns geflogen und sah mich fragend an.
„-dN-, ist etwas vorgefallen?" Ich nickte und zeigte auf die Brandspuren auf dem Boden. „Mmmh, das heißt, die Feinde sind bereits hier..." sagte der Kommandant und blickte Armin fragend an, als dieser mit einigen Utensilien zu uns kam.
„Ich habe diese Sachen unten entdeckt. Drei Tassen.... Also drei Gegner..." meinte der Jugendliche. Ich ergriff einen der Becher.
„Warm sind die nicht mehr..."
„Armin, du bist ein kluger Junge. Der Feind muss sich hier irgendwo versteckt halten. Wir brauchen jetzt deine Fähigkeiten!! Wo glaubst du, sind sie?" Erwin lag seine Hand auf die Schulter des jungen Mannes. Ich musterte seinen Gesichtsausdruck. Einerseits war Armin stolz darauf, so eine wichtige Rolle zu spielen, andererseits zweifelte er genau jetzt an seinem Können. Er war eben noch so jung – noch nicht einmal erwachsen, doch für den Kommandanten war dies nicht von Bedeutung. Jeder hatte seinen Platz einzunehmen – egal ob jung oder alt. Weise oder unerfahren. Stark oder schwach.
„In den Mauern....." äußerte Armin plötzlich. Er sah zu seinem Kommandanten auf und dieser nickte. Ohne eine weitere Nachfrage zog Erwin seine Leuchtschusspistole und gab das Zeichen. Das weitere Vorgehen wurde sofort abgebrochen. Der Aufklärungstrupp hatte sich nun beim Kommandanten zusammenzufinden, um den weiteren Ablauf zu klären.
„Was ist hier los?" fragte Levi als er neben mir landete.
„Wir haben eine Feuerstelle gefunden. Sicherlich befinden sich Gegner in der Stadt. Laut Armin könnten sie sich in der Mauer verstecken..."
„Scheiße...." Levi sah zu Erwin, der starr in die Ferne blickte. Ich seufzte.
„Was, wenn wir niemanden finden, Erwin?" fragte ich.
„Das werden wir. Armin ist einer unserer stärksten Waffen." erklärte Smith und fügte dann für alle hörbar zu: „Unsere Feinde befinden sich sehr wahrscheinlich schon in der Nähe. Wir werden die Umgebung absuchen und dabei vor allem die Stadtmauer auf Hohlräume kontrollieren! Verteil euch und beginnt die Suche!"
„Jawohl!" hallte es durch die Stadt. Die Soldaten ließen sich an der Innenseite der Mauern herunter und klopften an den Steinen. Unsicher blickte ich zu ihnen und beobachtete Einige unseres Trupps. Viele von ihnen schienen auf Grund des Vorgehens ängstlich zu sein. Doch sie vertrauten auf ihren Kommandanten und seine Einschätzungen. Immer wieder wanderte mein Blick von Levi zu Erwin und zurück, um zu erkennen, wie sie die Situation beurteilten. Doch keiner der Beiden zeigte eine Emotion in seinen Augen. Ich seufzte. Im Gegensatz zu ihnen konnte ich meine Unsicherheit kaum verbergen. Nervös fummelte ich an meinem Verband. Ich wünschte mir, mich an Levi anlehnen zu können, um seine Ruhe in mich einzusaugen – tief herunterzufallen in dieses Tal der Gefühlslosigkeit, in dem er sich hin und wieder befand. Es war dieser Schutzraum, den er sich geschaffen hatte. Dieser Ort, der ihm sein professionelles Handeln ermöglichte, obwohl er eine Selle besaß.
„Hier!!! Hier gibt es einen Hohlraum!!" schrie plötzlich ein Soldat. Ich schreckte auf. Gänsehaut überkam mich. Eilig rannten wir zu der Stelle, von der aus die Leuchtrakete geschossen wurde und blickten hinunter. Die Mauer öffnete sich langsam und ein blonder Mann stieg heraus.
„Rainer!" rief Armin. Seine Stimme bebte vor Angst. Es war die Angst, einen geschätzten Kameraden auf der Seite des Feindes zu sehen. Die Angst, die Konfrontation mit dieser Person suchen zu müssen und dabei sein Herz hinter sich zu lassen. Ich schluckte schwerfällig. Doch Levi schien dies alles nicht zu fühlen. Er sprang ohne zu Zögern die Mauer herunter, zog seine Schwerter und stach zu. Der Hals unseres Gegners wurde aufgespießt, doch irgendetwas stimmte nicht. Levi sprang zurück. Noch an der Mauer hängend, schrie er:
„Verdammt, ich war so dicht dran, aber ich konnte ihn nicht töten!"
Ein Blitz erhellte die Umgebung. Eine Druckwelle wehte uns entgegen und brachte diesen unangenehmen Duft in meine Nase. Ich hustete und hielt meinen Ärmel vor mein Gesicht. Seufzend blickte ich unserem Gegner entgegen. Ab nun mussten wir uns dem Gepanzerten Titan stellen.

Grenzen vergessen Levi x ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt