40. Mona - eine alte Vertraute

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Es war eine langwierige Wanderung durch die Straßen der Unterwelt. An jeder Ecke standen Menschen, die uns auf Grund unseres Aussehens beobachteten oder gar ansprachen. Sie bettelten um Essen, Medizin oder Gold - alles würden sie nehmen, denn alles war besser als das was sie hatten - nichts. Viele von ihnen hatten große Augen, einige sogar ein Gesicht, was bereits den Schädel des Todes offenbarte. Es war grausam, doch ich verstand Levis Ignoranz. Es war wie im Krieg. Wir konnten nicht alle retten. Der Eine wird sterben, der Andere dank ihm überleben. Unser jetziges Eingreifen würde daran nichts ändern. Ich akzeptierte es nun. Zumindest bis zur Krönung der neuen Königin.
"Historia, du wirst dafür verantwortlich sein. Du wirst sie retten müssen." dachte ich und sah das Gesicht der jungen Frau vor mir. Sie musste etwas ändern, egal wie. Ein Nein würde ich nicht akzeptieren.Levi blickte prüfend zu mir als er vor einem zweistöckigen Holzhaus stehen blieb. Es wirkte wie eine Art ausgebauter Schuppen und dazu recht neu. "Ist es das?" fragte ich. Levi nickte. Er ging einen kleinen Treppenaufsatz hinauf und öffnete die Tür. Vorsichtig schaute er hinein und gab mir dann ein Zeichen: Ich sollte ihm folgen. Eine Rauchwolke kam uns entgegen und trug den Duft von Zigarren und Alkohol. Ich hustete kurz und sah mich um. Die Bar war liebevoll eingerichtet. Kissen lagen auf einigen Holzbänken, die Stühle besaßen Stoffbezüge und selbst die Hocker waren mit Leder überzogen. Alles schien eher funktional gelöst worden zu sein, doch mir gefiel dieser Styl. Es hatte so etwas kreatives an sich.
"Willkommen." rief eine Frau uns entgegen. Ihre Stimme war rau und tief - eine typische Raucherstimme. Wir gingen einige Schritte in Richtung Tresen. Ich musterte die Gäste der kleinen Bar. Drei Männer und zwei Frauen saßen verteilt im Raum und tranken krügeweise Bier. Niemand schien ein wirkliches Interesse an uns zu haben. Niemand außer die Frau an der Theke, die plötzlich laut aufschrie: "Levi, das ich das noch erleben darf!" Erschrocken blickte ich auf, doch der Gefreite reagierte kaum. Er setzte sich auf einen der Hocker und nahm den Rucksack ab.
"Mona, immer noch so laut.... Langsam solltest du mal auf dein Herz achten, alte Frau." spottete Levi und lächelte. Ich setzte mich neben ihn und sah zu der alten Dame, die mich freudig angrinste. Sie hatte tiefe Falten und trug ihr graumeliertes Haar zu einem Zopf geflochten. Ihre hellbraunen, leicht geröteten Augen leuchteten mir förmlich entgegen und spiegelten ihre Intelligenz wider. Auch wenn diese alte Dame schon fast senil wirkte, sollte man sie nicht unterschätzen.
"Dein Mädchen?" fragte sie nun und reichte mir ihre Hand.
"Das ist -dN- -dNN-. Sie ist wie ich Soldatin im Aufklärungstrupp." erklärte Levi kurz.
"Und dein Mädchen?" Levi blickte genervt weg.
"Wenn du das so nennen willst...." Ich wurde rot, während mir Mona wild die Hand schüttelte.
"Ach, das ist ja freudig, Levi. Erst kehrst du zurück und dann hast du auch noch eine junge Dame dabei." Levi fuhr sich durchs Haar. Er war genervt. Ich konnte es in seinem Blick erkennen. Gleichwohl hielt er sich zurück und zeigte sich geduldig. Wahrscheinlich war diese Frau weder gewöhnlich noch eine namenlose Dame dieser Stadt.
"So, ihr Lieben, nun müsste ihr mir aber erstmal sagen, ob ihr Hunger und Durst habt. Ich habe wunderbares Brot gebacken und zudem eine gute Flasche Wein da." Die Frau griff unter ihren Tresen und holte einen Weißwein hervor. "Ein guter Jahrgang - eigentlich habe ich ihn für Carlos Hochzeit aufgehoben, aber das heute muss gefeiert werden." erklärte sie, während sie die Flasche öffnete. Ich blickte unsicher zu Levi. Noch immer schwieg er und ließ die Alte ihren Monolog führen. "Hier euer Wein. Einen Moment, ich hole mal eben das Brot aus der Küche." Hastig zog Mona an ihrer Zigarre, legte diese auf einen kleinen Teller ab und humpelte los. Es klackte laut. Verwirrt sah ich herunter und entdeckte ihr Holzbein, welches den linken Fuß ersetzte. Levi seufzte.
"Lass sie erstmal reden! Die Alte muss sich erstmal beruhigen." meinte er und griff das Weinglas. Ich lächelte.
"Sie scheint dich gut zu kennen."
"Ja, ich habe schon recht früh gemeinsam mit anderen Kindern für sie gearbeitet. Sie kaufte gestohlene Ware zu einem guten Preis ab und gab auch hin und wieder Nahrung als Vorschüsse. Ich weiß nicht, wie oft ich krepiert wäre, wenn sie nicht da gewesen wäre." Ich schluckte. Diese Wahrheit schnürte mir den Hals zu."Du brauchst deswegen nicht so zu schauen, -dN-." Levi reichte mir das Weinglas. Ich nahm es und spülte das bedrückende Gefühl hinunter. Er hatte Recht. Ihn zu bemitleiden, brachte weder ihm noch mir etwas. Es wäre der Ausdruck des Bedauerns, entstanden aus dem Blickwinkel einer Erhabenen. Doch damit würde ich seiner Person niemals gerecht werden. Im Gegenteil - ich würde ihm seine Würde nehmen und ihn gleichzeitig niemals respektieren. Am Ende musste ich einfach nur froh und stolz darüber sein, dass er nun als das, was er war, vor mir saß. Ihn damit achten und seine Vergangenheit akzeptieren. Denn es waren das Geschenk des Schicksals und ein Wink des Glücks im Chaos dieser Welt, die uns zusammengeführt hatten. Egal woher und egal warum - wir waren gemeinsam hier. Ich lächelte und berührte seine Hand.
"Entschuldige." sagte ich leise. Seine Augen weiteten sich und es trat eine angenehme Stille zwischen uns ein.
"Ach ihr seid ja putzig." rief Mona aus und stellte uns einen großen Teller mit frischen Brotscheiben hin. Gierig ergriff ich eine Scheibe und biss zufrieden hinein, während Levi einen weiteren Schluck Wein nahm. Die Stulle war warm und saftig - ein wahrer Segen für meinen Körper. "Da fällt mir ein....." Levi sah nun etwas erschrocken auf und unterbracht die Alte. So langsam schien er nun doch genug zu haben.
"Mona, wir sind auf der Suche nach jemanden." ergriff er das Wort. Mona blinzelte.
"Ach so ist das. Name?" fragte sie und wirkte wie ausgewechselt.
"Peter Trommler." warf ich ein und biss ein weiteres Stück Brot ab.
"Mmmmh....." Die Frau überlegte und zündete sich dabei eine neue Zigarre an. Mit einem starken Zug zog sie den Qualm in ihre Lunge und stöhnte auf. "Ja, der sagt mir was."

Grenzen vergessen Levi x ReaderWhere stories live. Discover now