89. Wiedersehen

244 13 0
                                    

Im Gegensatz zu all den anderen Tagen, die hinter mir lagen, vergingen die zwei darauffolgenden förmlich wie im Fluge. Wie sollte es auch anders sein? Sobald man etwas erledigen musste und noch dazu nach einer Idee dafür suchte, fühlten sich die Stunden wie Minuten an und ehe man sich versah, war es bereits Abend. Ich rannte durch Mitras, um einige Sachen für dieses eine Geschenk zu besorgen und diskutierte mit Hanji über die Gästeliste, die für meinen Geschmack viel zu lang war. Denn jemanden wie Flocke sah ich nicht unbedingt als nötig an, auch wenn er zu unserem Trupp gehörte. Am Ende setzte ich mich durch und konnte meine Freundin dazu bewegen, nur die engsten Leute, mit denen Levi zu tun hatte, einzuladen. Immerhin war es sein Abend und den sollte er mit Menschen verbringen, die er zumindest leiden konnte.

Bevor ich mich versah, war Levi bereits mit einem Großteil des Trupps in die Kaserne zurückgekehrt und erstattete Bericht.
„Die Konstruktionen sind vorbereitet und teilweise aufgebaut. Wir haben ein kleines Lager errichtet, in welchem einige Arbeiter bleiben, um das Ganze zu Ende zu bringen." erklärte er, während er eine Tasse Tee zu seinem Mund führte und ganz leicht daran nippte. Ich starrte ihn an, das wusste ich. Viel zu lange hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Viel zu lange nicht mehr berührt. Seine Rückkehr entfachte meine Sehnsucht nach ihm.

„Gut. Laut Pixies wird er einige Soldaten der Mauergarnison ebenfalls in Shiganshina stationieren und auch einige Menschen möchten bereits zurückkehren. Ich denke, die Stadt wird sich ganz langsam wieder mit Leben füllen. Auch ich werde sobald ich einige Gespräche hinter mich gebracht habe, dorthin reisen, um mir alles anzusehen." meinte Hanji und blickte grinsend zu mir.

Es war dieses Lächeln, welches mir verriet, dass sie genau wusste, was ich wollte. Ich seufzte. Natürlich wartete ich darauf, mit ihm allein zu sein. Natürlich wollte ich ihn fragen, wie seine Zeit war, ihn umarmen und küssen. Doch Levi wirkte im Gegensatz zu mir immer noch konzentriert und wartete weitere Befehle unserer Kommandantin ab.

„Ich werde den General sowie Historia Bericht erstatten. Bitte schreib noch mal alles auf, Levi! Dann spare ich mir den Aufwand."

„In Ordnung." antwortete der Gefreite und schlug dabei ein Bein über das andere.

„-dN-, auch von dir benötige ich noch eine Zusammenfassung deines Wissens! Wir sollten alles aufschreiben, bevor wir wichtige Punkte..."

„Sie kann nicht schreiben... Vergesse das nicht ständig!" unterbrach Levi die Braunhaarige und wirkte dabei sichtlich genervt. Er sah zu mir rüber – das erste Mal nach dieser langen Zeit trafen sich unsere Blicke. Seine Augen sprachen zu mir, ohne dass er es wirklich zu wollen schien. Doch sie sagten mir einfach, wie sehr sie meinen Anblick vermisst hatten und dass sein Körper genauso empfand wie mein eigener. Das alles in ihm nach mir suchte, als sei ich schon viel zu lange fort gewesen. Es kribbelte in meinem Bauch. Ich konnte sie förmlich hören, diese Rufe seines Herzens.

„Ach ja..." stöhnte Hanji heraus und sah nun ebenfalls zu mir. „Dann schaut, ob ihr es gemeinsam aufschreiben könnt! Ich werde das selbst in der nächsten Zeit nicht schaffen. Außerdem sollten es schon deine Worte sein, -dN-! Du kannst alles viel genauer beschreiben."

„Okay. Ich versuche mich so kurz und präzise wie möglich zu fassen." meinte ich zu Hanji, obwohl ich damit eher Levi beruhigen wollte. So wie es aussah, würde er in der nächsten Zeit einiges an Schreibarbeit zu erledigen haben. Aufgaben, die nicht grade zu seinen Lieblingsbeschäftigungen zählten.


Ohne viel zu sagen, begab sich Levi zu seinem Zimmer, öffnete die Tür, um sie gleich wieder zu schließen. Sein Blick wurde finster.
„Wann hast du das letzte Mal aufgeräumt?" fragte er mich. Ich war ihm gefolgt – natürlich nicht ganz unauffällig und stand nun, an meinem Fingernagel fummelnd, da.

Scheiße.

„Vor ein oder zwei Wochen..." stotterte ich. Durch den ganzen Stress der letzten zwei Tage hatte ich komplett vergessen, nochmal aufzuräumen. Dabei hatte ich es mir vor seiner Abreise fest vorgenommen und war wie selbstverständlich quasi in sein Zimmer eingezogen. „Gib mir einfach eine Stunde, dann ist alles wie vorher..."

„Das schafft keiner in einer Stunde!" Seine Augen waren ernst – vielleicht sogar wütend. Das Rufen seines Körpers verstummte. Ich seufzte innerlich.

„Entschuldige..."
Mein Blick wanderte zum Boden, dort wo meine Stimmung sich nun ebenfalls befand. Doch ich spürte seine Hand auf meinen Kopf, die mich zärtlich streichelte, als wollte er mich trösten.

„Dann machen wir eben zusammen sauber. Um so schneller kann ich mit den Berichten anfangen."

Levi betrat das Zimmer. Sein Blick war starr nach Vorn gerichtet. Er ignorierte die Unordnung und griff zu einer Schürze und einem Haarschutz, um sich fürs Putzen anzukleiden. Unsicher fragte ich mich, wie viel seines Soldes er wohl für Reinigungsmittel und andere Utensilien ausgab, doch ich verdrängte den Gedanken und sammelte eilig die Kleidung auf, die ich in den letzten Tagen einfach auf den Boden geworfen hatte. Nervös brachte ich sie in mein eigenes Zimmer und schmiss sie dort in die Ecke – ja, wir waren in solchen Sachen recht verschieden, auch wenn ich generell Ordnung halten konnte. Es war eher dieses Interesse daran, was mir fehlte.

Wir wischten Staub, bezogen das Bett, schüttelten Kissen aus und lagen alles wieder feinst säuberlich auf seinen Platz, so als würden wir die Spuren meines Daseins verschwinden und gleichzeitig ihn zurückkehren lassen. Als Levi endlich den Putzmarathon als abgeschlossen ansah, schmiss ich mich erleichtert aufs Bett und stöhnte laut auf.

„Du staubst alles wieder ein!" schimpfte er schon beinah, doch ich schloss einfach meine Augen und atmete tief durch. Hin und wieder waren selbst kleine Aufgaben - und dazu zählte ich diese Aktion eher nicht – für mich anstrengend. Es war dieses Gefühl von Schlappheit, welches mich dann einfach ergriff und mir zuflüsterte, dass Faulenzen doch auch eine schöne Tätigkeit sei.
„Bist du in letzter Zeit viel müde?" hörte ich ihn fragen und spürte gleichzeitig seine Hand auf meiner Stirn. Sein Körper bewegte sich auf mich zu, sodass er schon bald neben mir lag und mich wärmte.

„Ja, ich schlafe immer mehr..." seufzte ich und öffnete meine Augen, nur um in seine zu starren. Levi presste seine Lippen auf meine – vorsichtig nicht fordernd – und ließ seine Hand unter meine Bluse rutschen, um über meinen Bauch zu streichen. Wohltuende Wärme – das war, was er mir gab. Ich griff in seinen Nacken, spielte mit seinem Haar und genoss es. Dieses Ineinanderverharen, was mich das Rufen unserer Sehnsucht hören ließ. Er war mittlerweile zu einem Schrei geworden, welcher sich in unsere Seelen einbrannte, so wie Levi es so oft in mir getan hatte. Ein Seufzen entglitt mir, doch dann blickte ich in sein Gesicht und entdeckte erst jetzt seine tiefen Augenringe. Sie schlugen tiefe Schatten.

„Hast du wieder kaum geschlafen?" fragte ich und strich über seine Wange.
Er musste mir nicht antworten. Schon lange wusste ich, dass sein Schlafverhalten weder gesund noch normal war. Besonders in letzter Zeit hatte ich das Gefühl gehabt, dass er sich immer öfters zwang, sich zu mir zu legen und so hin und wieder mehr Schlaf als üblich fand. Doch wahrscheinlich war er in den letzten Wochen wieder seiner alten Gewohnheit nachgegangen und hatte sich kaum hingelegt. Es deprimierte mich.

Langsam drehte ich mich ein wenig auf die Seite, sodass Levi mich fragend ansah. Ich lächelte, rutschte noch weiter an ihn heran und strich durch sein Haar. Er schloss seine Augen. Da war sie also – die Entspannung, die seiner Müdigkeit Einkehr verschaffte. Ich entdeckte sie und streichelte sie in sein Gesicht hinein, um ihn zu zwingen, es einfach zu tun – zu schlafen.

Meine Umarmung – sie ließ seinen Atem langsamer werden. Mein Duft berauschte ihn und meine Hände führten ihn zur Ruhe, die er so dringend brauchte. Er schlief ein und ich liebte seinen Anblick dabei. Seine entspannten Gesichtszüge, die ihn so zart wirken ließen und mir zeigten, dass er mir vertraute und sich geborgen fühlte. Ich lächelte zufrieden und spürte dabei selbst die Müdigkeit in meinem Nacken. Auch mich zog sie hinab in die Welt der Träume, die nicht immer schön für uns war. Doch gleichzeitig zeigte sie mir, dass es manchmal einfach genug war, einander zu wärmen.    

Grenzen vergessen Levi x ReaderWhere stories live. Discover now