88. Vorbereitungen

255 18 0
                                    

Wenn die Einsamkeit jemanden einholt und die Stille dabei um sich greift, bemerkt man erst, wie sehr man an den Anderen hängt. Die kommenden Tage brachten diese Stille zu mir, indem Levi mit einem großen Trupp nach Shiganshina reiste und dort, wie von Hanji geplant, Titanenfallen an der Mauer anbringen ließ. Es waren Konstrukte, die in der nächsten Zeit Titanen kampflos beseitigen sollten, damit das Militär keine weiteren Soldaten verlor. Denn was wir dringend brauchten waren neue Rekruten und die Erfahrung der wenig Übriggebliebenen, um später Angriffen standhalten zu können. Jeder Krieger war mehr Wert denn je.

Beinah täglich ging ich mit Sasha und Mikasa joggen, um mich auch ohne weitere Einsätze fit zu halten. Beinah täglich stand ich auf der Mauer Mitras und starrte Richtung Süden – der Richtung, wo Levi irgendwo sein musste. Ich ließ den kalten Wind durch mein Haar streifen und sog die Luft in mich ein, um zu spüren, dass ich noch da war. Hier an diesem Ort, der mich durch Levi an sich gebunden hatte.

Es war eine belastende Zeit. Eine Zeit, die mir sagte, dass unsere Verbindung nicht selbstverständlich war, sondern wir immer wieder darum kämpfen mussten, einander festzuhalten – einander zu verstehen und zu vertrauen. Doch gleichzeitig fühlte ich mich von diesem Mann abhängig – auf eine emotionale Art und Weise – und es machte mir ein wenig Angst. Diese Abhängigkeit – sie würde durch das Kind in meinem Bauch gefestigt werden. Es war ein Gefühl, was ich nicht kannte. Ein Gefühl, welches meine Hände feucht werden ließ, auch wenn ich mich mittlerweile irgendwie darauf freute.

Es gab Tage, an denen ich in seinem Bett lag und weinte, weil ich nicht wusste, wohin mich die nächsten Momente des Lebens bringen würden. Aber auch Tage, an denen ich lachte, da ich durch meine Freunde alles vergessen konnte und ich mich als eine von ihnen fühlte.
An einigen Abenden grinste ich vor mich hin, da meine Hoffnung aufzublühen schien und an anderen fragte ich mich jedoch, wie unser Widersehen aussehen würde, nachdem wir nicht wirklich nach unserer Diskussion zusammengefunden hatten. Natürlich – wir hatten keinen Streit gehab. Dennoch hatte es sich anders angefühlt, als er gegangen war. Und genau dieses Anders tat weh.

Doch die Zeit vergingen nur langsam und die Wochen schlichen an mir vorbei, ohne auch nur ein Wort zwischen uns. Wochen, die auf eine ganz bestimmte Weise einsam waren.
Oft blickte ich in dieser Zeit auf meinen Bauch, der außer ein wenig größer zu werden, nichts wirklich tat. Und was erwartete ich überhaupt? Alles war zu früh, doch ich sehnte mich danach, endlich etwas zu spüren, um mich zu trösten. Aber dieser Trost – er blieb mir verwehrt.

Es war ein lautes Klopfen, welches mich aus einen meiner Mittagsschläfe herausriss. Immer häufiger gab ich der Müdigkeit nach. Dieser Müdigkeit, die nach mir griff und mir dabei zeigte, dass sich mein Körper veränderte. Eine Veränderung, die ich als genereller Langschläfer nicht unbedingt als belastend empfand.
„Herein!" rief ich und setzte mich auf. Meine Kommandantin stürmte förmlich das Zimmer. Seit einiger Zeit war Hanjis Laune wieder so wie früher. Sie hatte sich anscheint an die Belastung ihrer neuen Position gewöhnt, worüber ich mich einerseits wirklich freute, doch andererseits war sie nun so anstrengend wie immer.
„Ah, -dN-. Störe ich dich?" Ich schüttelte den Kopf und stand auf, um mir schnell eine Hose überzuziehen. „Ich wollte dir nur sagen, dass Levi übermorgen zurückkehrt und da in drei Tagen sein Geburtstag ist, wollte ich eine kleine Feier organisieren."
Hanji zwinkerte mir zu, doch mein Blick verfinsterte sich.

„Was? Er hat Geburtstag?"

Die Braunhaarige lachte auf.
„Ja, selbst der hat mal Geburtstag." neckte sie mich. „Ich wollte eine kleine Feier im üblichen Gasthaus machen. Kannst du ihn am Abend dann dorthin locken?"

Ein Seufzen entglitt mir. Im Endeffekt würde ich es irgendwie hinbekommen, mit ihm auszugehen, auch wenn ich nicht genau wusste, wie die Stimmung nach seiner Rückkehr zwischen uns sein würde. Doch ein weiteres Problem übermannte mich. Was sollte ich ihn bloß schenken?

Ich sah zu Hanji, die mich etwas fragend anstarrte.
„Das kann ich machen...." meinte ich relativ leise. Meine Gedanken kreisten bereits um die Möglichkeiten, die ich als Geschenk hatte. „Mmmh." gab ich dabei genervt von mir.

„Super." rief Hanji nun aus. Sie klopfte auf meine Schulter, sodass sie meine Aufmerksam erlangte. „Na, schon eine Idee?" Ich stöhnte. Mittlerweile kannte mich auch meine Kommandantin relativ gut und erkannte meist meine Gedankengänge.

„Nein und das nervt. Ich kann ihm ja keinen Besen kaufen, auch wenn ihn das wahrscheinlich am meisten freuen würde..." Wir lachten beide auf.

„Einen Goldbesen." warf die Braunhaarige ein.

„Ja, geflochten aus seltenstem Holze mit spezieller Fege-Kraft." Ich grinste.

„Und ich hatte gedacht, dass du ihm was anderes schenkst..."

„Was denn?"

„Na ja, was es zwischen euch noch offizieller macht. Ich meine, ihr habt doch diese Dolche oder nicht?"

Kurzzeitig sog ich meine Unterlippe ein und überlegte.
„Ich brauchte keine Hochzeit, Hanji."

„Aber ihr erwartet ein Kind. Ich weiß ja nicht, wie es in deiner Heimat ist, aber hier ist dieses Kind dann eben nur ein Bastard." Meine Kommandantin wirkte ernst.

„Dieses Kind hat, dadurch das Levi der Vater ist, genug Bekanntheit. Da können wir gut auf eine Heirat verzichten."

„Das klingt schon fast, als würdest du dich nicht an ihn binden wollen, -dN-."

„Darum geht es doch nicht... Es würde sich zwischen uns doch gar nichts ändern. Auch nach einer Hochzeit könnte ich einfach die Insel verlassen und abhauen. Es würde ihm doch gar keine Sicherheit geben – nichts würde es ihm geben." Ich schimpfte.

War es nur meine Wahrnehmung oder zweifelten nun einige daran, dass ich bleiben würde, nachdem wir das Meer erreichten? War dies der Grund, warum ich bleiben und mit Hanji unbedingt diese Karte fertig machen sollte? Befürchtete sie das Gleiche wie Levi? Oder bildete ich mir das alles ein? Ich wusste es nicht.
„Hanji, glaubst du, dass ich gehen werde?" fragte ich, doch es klang wie ein Vorwurf.

Meine Freundin schüttelte den Kopf.

„Nein, und ich glaube, dass keiner davon ausgeht. Aber ich glaube, dass Levi Angst davor hat."

„Das weiß ich bereits."

„Ach, du hast dir auch wirklich einen schwierigen Mann ausgesucht, -dN-."

„Nein, den Besten, Hanji." Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. So schwierig er vielleicht in manchen Dingen war. Ich selbst war es ebenfalls und das wusste ich. Er hatte meine Fehler erduldet und geschluckt – manchmal sogar ertragen. Genauso wie er es immer wieder tat, würde ich auch seine Probleme akzeptieren, auch wenn ich manchmal die Geduld dafür nicht besaß. Irgendwie würde ich es schaffen, denn ich bewunderte ihn nicht nur – ich liebte ihn. Die reine Leidenschaft, die ich vor allem zu Anfang in mir trug, sie lässt einen Menschen nur nach einem anderen greifen. Sie verlangt den Besitz, will das man niemals loslässt und entfacht dabei ein Feuer. Doch brennt es aus und verliert dabei nicht die Wärme, – glüht es vielleicht sogar noch – dann beginnt man zu lieben und das tat ich schon seit einiger Zeit. Dieser Gedanke machte mich glücklich. Er vertrieb meine Ängste vor all dem Unbekannten. Und eigentlich war ich mir sicher, dass er genauso empfand. Eigentlich war unsere Auseinandersetzung es nicht Wert, sich zu sorgen. Mir diese Kleinigkeit bewusst zu machen, half mir, mich auf unser Wiedersehen zu freuen und ich freute mich sehr.   

Grenzen vergessen Levi x ReaderWhere stories live. Discover now