27. Bedrückende Gedanken

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Djel Sanes erzählte uns alles, was wir wissen wollten. Er begann beim jetzigen König, welcher als Platzhalter diente, um die Familie Reiss vom Thron fernzuhalten und erzählte daraufhin von den Intrigen. Auch die Spionage gegenüber dem Aufklärungstrupp durch Regierungssoldaten war ein Thema. So wie es aussah, war ein Angriff auf uns bereits jetzt wahrscheinlich, würde aber gewiss sein, sobald sie von Historia erfuhren. Denn sobald die echte Königin den Thron besteigen würde, würden Personen, die jetzt über Macht verfügten, um ihre Position in der Gesellschaft bangen müssen. Es war das typische Bild einer korrupten Führung.
"Scheiße." sagte Levi und blickte zu Hanji und mir herüber. Ich zuckte mit den Schultern und löste die Fesseln des Gefolterten.
"Du musst noch hier unterschreiben. Es ist das Geständnis, was du uns zugesagt hast. Gern kannst du darin nochmal nachlesen, was du Pastor Nick angetan hast." sagte ich und reichte ihm einen Füller. Diesen ergriff er und kritzelte sein Kürzel auf das Papier. Mit einem resignierten Blick gab er mir das Papier zurück und sagte:
"Jede Rolle wird in unserer Welt ersetzt. Ihr ersetzt die meine." Ich schüttelte den Kopf und nahm das Geständnis an mich.
"Nein, ich kann euch nicht ersetzten, denn ich war schon vorher so...." Genervt wandte ich mich ab.
"Gut, lasst uns erstmal hochgehen!" schlug Hanji vor und hielt uns die Tür auf. In der kleinen, verkommenen Küche angekommen, ging Levi an den Herd und kochte Wasser auf.
"Ich hätte auch gerne einen Tee....." sagte ich und setzte mich an den Tisch. Ich stützte meinen Kopf mit meiner Hand. Die Rolle der Folterin war nicht unbedingt meine liebste Rolle und das Gewissen plagte mich.
"Ich wusste nicht, dass du so brutal bist...." sagte Levi, während er den Tee aufkochte.
"Das bin nicht ich. Das ist nur ein Schauspiel...." gestand ich. Ich hatte gelernt, Grenzen zwischen meinem wahren ich und dem, was ich im Krieg tat, zu ziehen. Sie dienten dem Selbstschutz. Was ich tat, um anderen zu schaden, sollte mich selbst nicht zerstören. Die Effektivität einer Spionin musste immer gewährleistet sein. Ich seufzte. Es war schmerzhaft zu erkennen, was ich war und ich spührte, wie die Grenzen sich langsam lösten. Eine Angst überkam mich. Was wenn ich mich selbst nicht mehr schützen könnte?
"Mmmh, immerhin haben wir das Geständnis. Ich werde es nachher der Militärpolizei vorlegen. Schwarz auf weiß werden sie es nicht ignorieren können." erklärte Hanji. Sie nickte Levi zu, als er drei Tassen auf den Tisch abstellte. Ich zog einer dieser zu mir und schnupperte. Es roch nach Minze und Zitrone. Levi setzte sich.
"Gut, wirst du Erwin davon berichten?" Hanji bejahte dies und nahm einen Schluck. Wir schwiegen. Der Tee war heiß und frisch zugleich. Er entspannte mich und gab mir trotzdem Kraft.
"Der ist wirklich gut. Wo kaufst du ihn?" fragte ich Levi, als ich meine Tasse bereits geleert hatte.
"Ich mische ihn selbst." sagte er und nippte förmlich an seinem Tee.
"Levi ist ein Tee-Freak." sagte Hanji nun und lachte.
"Halt die Klappe, Vierauge. Der einzige Freak, der in diesem Raum ist, bist du." konterte der Gefreite. Ich grinste. Die Stimmung zwischen den Beiden war immer leicht angespannt, aber niemals eskalierend. Es war, als seien sie Freunde und nicht nur Kameraden.
"Ähnlich wie Basti und Jens oder Lina und ich...." dachte ich. Mich überkam ein bedrückendes Gefühl. Ob sie es geschafft hatte? Ob sie nun Zuhause war? Zuhause - solch einen Ort kannte ich nicht mehr, denn da wo ich geboren wurde, war ich nicht mehr willkommen. Ich hatte die Hoffnung hier in Paradies ein neues Zuhause zu finden. Doch all jene, die mir dieses Gefühl von Zuhause gaben, waren nicht mehr unter uns. Es war wie ein Fluch, der auf mir lag.
"Alles in Ordnung?" fragte Levi plötzlich. Er sah mich interessiert an.
"Ja, ich habe nur an Petra und Gunther gedacht. Und an Eld und auch an Lina...." Levi bewegte seine Hand auf mich zu. Ich wusste, was er vor hatte, denn immer dann, wenn ich bedrückt war, legte er seine Handfläche auf meinen Kopf. Es war seine Art Trost zu spenden. Doch er hielt inne und senkte seinen Kopf.
"Du wirst sicher irgendwann darüber hinweg kommen." sagte er nur. Ich sah ihn enttäuscht an. Selbst damit hielt er sich zurück. Hanji sah ebenfalls bedrückt zu uns und meinte dann genervt:
"Wie schwer kann das eigentlich sein!?" Wir blickten zu ihr.
"Du hast doch keine Ahnung, Vierauge." zischte Levi und sammelte die Tassen ein.
"Ich werde nun gehen und mich mit meinem Trupp zu eurem Lager aufmachen. Wir sehen uns dann dort." sagte ich und machte mich auf den Weg zu meinem Trupp.

Grenzen vergessen Levi x ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt