125. Ein Versprechen

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„Wie war dein Tag?" ,fragte mich Levi, als ich aufatmend das Zimmer betrat. Er stand im Badezimmer vor dem Spiegel, die Schere in der Hand und schnitt in Ruhe sein Haar. Ich lehnte mich in den Türrahmen. Mein Blick musterte seinen freien Oberkörper und diese präzisen Hände, die jede einzelne Strähne sauber kürzten. Nicht ein Zittern offenbarten sie, so konzentriert war er.

„Na ja, es ging. Zuerst ist Riku in einen Puppenladen gestürmt, dann waren wir im Kino... um ehrlich zu sein, dachte ich erst, dass Phil es nicht überlebt... Doch er kam doch noch heile raus, nur um dann mit uns Pizza zu essen, bis ich erfuhr, dass er allergisch auf Hefe reagiert... Hefe... Der Typ kann noch nicht mal ein Bier trinken" ,erzählte ich.

Levi ließ die Schere sinken und grinste mich an.
„Kein Wunder, dass Pixies ihn loswerden wollte..." ,neckte er mich. Doch ich lächelte nur zurück. Sein Anblick tröstete mich über diesen anstrengenden Tag hinweg, auch wenn ich ihm noch nicht alles erzählt hatte.

Ich hielt kurz inne, wartete, bis ich das Schnippen wieder hörte und ergriff dann ein weiteres Mal das Wort:
„Wir haben zudem jemanden getroffen, den ich kannte..."
„Wen?" Levi sah nicht auf. Er schenkte dieser Bemerkung kaum Aufmerksamkeit, auch wenn ich das Jemanden extra betont hatte. Ich presste meine Lippen zusammen.
„Na ja... Ein Soldat, mit dem ich mal was hatte... Ich hatte die Sorge, dass er von meiner früheren Festnahme wusste. Also habe ich ihn in eine Falle gelockt, nur um dann zu bemerken, dass er mich ebenfalls ausschalten wollte.... Ich habe ich ihn eliminiert" ,erklärte ich.

Die Schere schnippte ein weiteres Mal.
„Scheiße..." ,fluchte Levi kurz, um sie daraufhin abzulegen. Er sah zu mir – überlegend – und fügte dann hinzu: „Kann es gefährlich für unser Vorgehen werden?" Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, ich denke nicht. Ich werde es morgen trotzdem Hanji berichten."

„In Ordnung." Er sah mich wartend an, so wie ich ihn anblickte. „Was?"
„Ich dachte vielleicht, dass es dich stört... deswegen gucke ich wahrscheinlich so blöd aus der Wäsche..." Ein Grinsen überkam mich. Meinen Kopf am Türrahmen angelehnt, sah ich auf seinen Körper und hielt inne.
„Mach dir keine Gedanken! Mich interessiert das Vorher nicht... Und bei deiner offenen Art..." Er kam auf mich zu und strich mir durchs Haar. „Vergiss es!" ,hauchte er noch, bevor er mich küsste, um mir zu zeigen, was wirklich wichtig war.

Das Jetzt. Er und ich. Vielleicht auch das Knistern, welches ich auf meinen Lippen spürte, während er über sie hinwegleckte. Ich lächelte, während ich eine seiner Strähnen zwischen meinen Fingern nahm und drehte.
„Die sind frisch geschnitten..." ,schimpfte er, doch sein Lächeln verflog nicht. Verspielt strich ich über seine Brust.
„Dann muss ich dich eben woanders..."

Es klopfte. Levi sah kurz zur Tür, küsste mich auf die Wange und gab mir dann ein Zeichen, dass ich öffnen sollte.
„Es müsste Hanji sein... Ich räume erstmal das Bad auf" ,meinte er, während er schon ein Putztuch hervorholte. Genervt verdrehte ich die Augen, starrte noch einmal auf seinen muskulösen Rücken, nur um mich dann ein weiteres Mal zu ärgern und endlich die Zimmertür zu öffnen.

„Ah, -dN-, du bist ja auch schon zurück" ,grüßte mich meine Freundin. Sie trug Kuchel, welche fest zu schlafen schien, auf ihrem Arm. „Die Kleine ist vollkommen übermüdet, dabei habe ich ihr nur ein paar Geschichten erzählt." ,fügte Hanji noch hinzu, wobei sie sich an mich vorbeiquetschte.
„Leg sie einfach aufs Bett!" ,rief ich ihr nach. Mein Blick wanderte zurück ins Bad. Ich lehnte mich hinein, suchte Augenkontakt zu dem Mann, der gerade seiner Leidenschaft oder seinem Zwang – manchmal wusste ich wirklich nicht, was es vom beidem war – nachging und schaffte es durch ein Winken, seine Aufmerksamkeit zu erlangen.

„Levi, wollen wir die Tage ausgehen?" ,fragte ich einfach. Seine Augen weiteten sich.
„Wohin?"
Ich zuckte mit den Schultern.
„Egal..." , meinte ich nur und lächelte. Er erwiderte es. Das war zumindest kein Nein.

Eilig ging ich zu Hanji, die Kuchel gerade zugedeckt hatte.
„Sag mal, könntest du die Tage uns Kuchel nochmal abnehmen?"
Hanji sah mich verdutzt an.
„Ja, wieso?"
„Erzähle ich dir später. Übrigens..."

Ich berichtete Hanji von den Ereignissen des Tages, nannte die kleinen Probleme meines Teams aber auch das Treffen mit Tim, dessen Leiche zum jetzigen Zeitpunkt sehr wahrscheinlich schon gefunden worden war. Meine Kommandantin legte ihre Hände ineinander, während sie sich setzte.
„Wie viele kennen dich denn hier in Marley?" ,fragte sie mich.
„Was heißt kennen? Das kommt ganz drauf an... Einige haben mich nur gesehen und bestimmt schon längst vergessen. Mit anderen hatte ich eben zu tun..."

„Mmh..." Sie überlegte. „Dann solltest du wenigstens nicht allein unterwegs sein... Und Lina am besten auch nicht... Sie wird doch das gleiche Problem haben, oder nicht?" Ich nickte. „Gut, ich spreche mit ihr."

Hanji verließ unser Zimmer. Ich blickte ihr kurz nach, bemerkte, dass ich Gewissensbisse hatte, und seufzte. Natürlich konnte ich mein früheres Handeln nicht mehr ändern. Am Ende hatte ich einfach meine Aufgabe erledigt und viele Informationen, die ich auf diesem Wege damals gesammelt hatte, hatten auch Paradies ein wenig geholfen. Doch trotzdem fragte ich mich, ob ich hätte vorsichtiger sein müssen. Eine Frage, die ich mir selbst niemals beantworten könnte.

„Was grübelst du so?"
Levi kam aus dem Bad. Der Putzmarathon war wohl abgeschlossen. Ich blickte zu ihm auf, entdeckte den grauen Pullover, den er sich übergezogen hatte, und sah enttäuscht zum Boden.
„Ach, ich glaube, ich war einfach zu naiv..."

Seine Hand strich über meinen Kopf.
„Als wäre das etwas Neues."
„Hey..." Mit ernster Miene blickte ich ihn an, nur um dieses Lächeln zu entdecken, mit dem er mich einfach ansteckte. „Du bist gemein..." ,flüsterte ich noch, bevor seine Arme mich bereits an ihn zogen. Wie sehr er mir mit dieser Geste gerade das gab, was ich brauchte, war ihm wahrscheinlich gar nicht bewusst. Doch ich genoss sie einfach – diese Ablenkung, die mir diesen Scheißtag am Ende doch noch versüßte.


Die Tage in Marley waren lang. Gefüllt mit einigen Besprechungen, Diskussionen über unsere Möglichkeiten oder anderen Terminen gingen sie mir relativ schnell auf die Nerven. Hinzu kam eine kurze Krankheit von Kuchel, die mich und Levi zusätzlich forderte. Sie zeigte uns schmerzlich, dass Carolin bei dieser Reise wirklich fehlte, doch was sollten wir machen? Am Ende blieb uns mal wieder nur das Abarbeiten unserer Pflichten, was viel zu schnell in den Fokus rückte.

Ich wartete auf diesen einen Samstag, an dem ich endlich mit Levi allein einen Ausflug machen konnte, wie ein Kind auf den Schulschluss. Auch wenn wir den Termin um eine Woche verschieben mussten, war es für mich ein kleiner Lichtblick am Horizont, auf den ich förmlich hinarbeitete.

Als Hanji dann am besagten Tag Kuchel abholte, um mit ihr in den Park zu gehen und uns sogar versprach, sie ins Bett zu bringen, sprang mein Herz umso höher.
„Lasst euch alle Zeit der Welt!" ,meinte sie noch grinsend zu mir, als sie meine Tochter an die Hand nahm und sich gemeinsam mit ihr auf den Weg machte.

„Und wo willst du jetzt hin?" ,fragte mich Levi. Er trug einen grauen Anzug mit passendem Hut und weißem Hemd.
„Ich kenne ein schönes Lokal am Pier. Vielleicht haben wir Glück und es ist noch dort..."

Levi und ich schritten Hand in Hand durch die Stadt. Ich hatte sie mir einfach gepackt und nicht mehr losgelassen, um voller Vorfreude mein Ziel anzusteuern. Das Lokal, welches ich für uns ausgesucht hatte, war ein wahrer Trendladen. Bekannt in der ganzen Stadt, vielleicht sogar im gesamten Land, hatte ich es früher immer wieder gern besucht, um mit der Zeit zu gehen. Immerhin trug man dort, wie ich es auch heute tat, bereits etwas kürzere Kleider und tanzte Foxtrott zu meist schneller Musik.

Wie ich vermutet hatte, war der Pier bereits gut besucht. Ein paar Stühle und Tische waren draußen platziert, sodass man dort etwas essen oder trinken konnte, während im Innenraum Livemusik von einer fünfköpfigen Band gespielt wurde, die wirklich ins Ohr ging. Es war kein Wunder, dass die Tanzfläche tobte.

„Wollen wir erst was essen?" ,fragte ich Levi direkt ins Ohr. Selbst draußen, war die Musik noch ziemlich laut. Er nickte. Sich immer noch umsehend, folgte er mir zu einem Tisch direkt am Geländer des Steges. Hier, wo das Meerrauschen die Musik leise bereicherte, konnte man sich wenigstens normal unterhalten.

„Ich muss eure Schrift lernen..." ,zischte Levi, als er die Speisekarte in der Hand hielt.
„Was bekomme ich denn dafür, wenn ich es dir beibringe?"
Ich grinste vor mich hin, während ich selbst die Liste überflog. Wie üblich boten sie saisonale Speisen an, wobei zurzeit das Motto Pilze anstand.

„Die Erleichterung, dass du mir nicht alles vorlesen musst" ,meinte er, während er die Karte zur Seite legte. „Such mir einfach etwas aus!"
Ich blätterte ein wenig.
„Wein? Rot oder weiß?" ,fragte ich.
„Du weißt, dass ich so ein Zeug eigentlich nicht trinke..."
„Aber heute ist ein besonderer Tag. Da musst du mal einen Wein mit mir trinken..." ,rief ich aus, als der Kellner bereits an mich herantrat. Ich bestellte einfach eine gute Flasche und zwei Gerichte, welche irgendwie zu passen schienen.

„Was für ein besonderer Tag?" ,fragte Levi. Ich lächelte.
„Na ja...Wir haben einfach mal Zeit für uns. Das ist schon was Besonderes, oder nicht?"
Es fiel mir schwer, ihn ein wenig anzuflunkern. Immerhin hatte ich mir seit nun fast zehn Tagen darüber Gedanken gemacht, ob ich ihn wirklich nach einem genau Zeitpunkt für das Einlösen seines Versprechens fragen sollte. Letztendlich hatte ich mich dafür entschieden und es mir fest vorgenommen, auch wenn ich jetzt schon aufgeregt war. Der Wein sollte mir dabei Abhilfe verschaffen.

Levi sah mich kurz skeptisch an. Sein Blick wanderte zum Meer, der Sonne entgegen. Er hielt kurz inne, nur um dann anzumerken:
„Man merkt dir an, dass irgendwas ist..."

Ich seufzte, ließ den Kellner uns einschenken und genoss die leise Musik im Hintergrund. Allein dieses nur gemeinsame Herumsitzen wirkte mittlerweile so unglaublich kostbar. Die Gedanken nur auf ihn fixiert zu haben, um dabei den reinen Moment zu erleben, war für mich zur Seltenheit geworden. Ich überlegte ein wenig vor mich hin, kreiste mit meinem Zeigefinger über den Rand des Weinglases, um ihn dann einfach zu fragen:

„Wann wolltest du das eigentlich machen? Das mit der Hochzeit?"
Levis blick weitete sich. Er starrte mich kurz an, fing sich jedoch relativ schnell.
„Ist das eine ernst gemeinte Frage?"
Ich nickte.

Fast schon zu leise wirkte die Umgebung plötzlich. Ich hatte das Gefühl, die Zeit blieb stehen. Mein Herz raste. Irgendwie hatte ich es einfach gesagt und merkte erst jetzt, wie sehr ich davor Angst hatte, dass er es auf ein Später schieben würde.

Auch wenn ich ihm auf dem Balkon keine direkte Bestätigung gegeben hatte. Auch wenn ich mir in diesem Moment sogar unsicher gewesen war, ob ich eine Heirat wirklich wollte, so mehr Zeit vergangen war, desto öfter hatte ich mich dabei erwisch, darauf zu warten, dass es konkret wurde. Doch das Thema kam und kam nicht auf, sodass ich mich nun hier bei einem Glas Wein gezwungen fühlte, die Initiative zu ergreifen. Ich wollte einfach nicht mehr warten.

„Willst du etwa jetzt schon?" ,fragte er nun. Er senkte seinen Blick. Die Wangen leicht gerötet. Ich spürte das Kribbeln in meiner Brust.
„Wenn es dir etwas bedeutet... dann schon..." ,sagte ich leise. Meine Hände griffen einander. Innerlich zweifelte ich langsam an mir selbst. Fühlte ich mich doch plötzlich wie ein junges Mädchen, was das erste Mal verliebt war und Angst vor einem Korb hatte. Dabei war ich doch schon längst aus dem Alter raus und fragte nach etwas, was mir vor einiger Zeit noch kaum etwas bedeutet hatte. Doch nach all den Ereignissen und seinen Worten an jenem Abend hatte sich dies geändert.

„Verdammt, -dN- ich hätte das..."
„Einmal gefüllte Pilze mit Hack und einmal Pasta." ,sagte der Kellner freundlich. Ich schrak auf. „Werte Dame, was ist für Sie?"
„Stellen Sie einfach hin... Wir wollten es eh aufteilen..." ,meinte ich energisch. Der Kellner befolgte meine Anweisung und ging. Ich hatte es ihm wohl deutlich genug gezeigt, dass er störte. Levi lächelte.
„Lass es uns planen, wenn wir zurück auf Paradies sind..." ,meinte er, wobei er nach einem der Teller griff. Ich sah ihn fragend an.
„Wirklich?"
„Sonst würde ich es nicht sagen..." ,zischte er nun.
„Dann musst du heute mit mir tanzen!"
„Was hat das damit jetzt zu tun?" Während er den ersten Happen nahm, schmunzelte ich vor mich hin.
„Ist so eine Tradition bei uns."
„Und das soll ich dir glauben?"

Wir grinsten. Levi legte sein Besteck ab, woraufhin er aufstand, um mir die Hand zu reichen.
„Bei so einer traditionellen Frau wie dir kann ich das wohl nicht verneinen, oder? Aber erwarte nicht, dass ich dieses komische Gehopse da drinnen kann..." Ich legte meine Hand in seine und folgte ihm. Mein Herz klopfte. Ich wusste genau, dass Tanzen oder andere festliche Aktivitäten nichts für ihn waren. Das er mir am heutigen Tag diesen einen und auch einzigen Tanz unserer Beziehung gab, das hatte mir unglaublich viel bedeutet. Es war einer der Dinge, die ich niemals vergessen würde. Einer der Momente, die mir zeigten, wie viel ich ihm bedeutet hatte. Auch wenn wir unser Versprechen, welches wir uns an jenem Tag bei Sonnenuntergang am Pier gegeben hatte, niemals erfüllen würden. 

Grenzen vergessen Levi x ReaderTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang