118. Sommerluft und eine Frage

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Nachdem ich die gesamten Vorkommnisse gedanklich durchgegangen war, indem ich mich für einige Momente zurückgezogen hatte, kam Lina auf mich zu, um uns unsere Herberge für die nächsten Tage zu zeigen. Es war ein Hotel direkt am Strand gelegen – modern, pompös und edel ragte es in den Himmel hinein, um zu verdeutlichen, dass es die neue Art des Verweilens war.

„Das ist ja unglaublich" ,rief Hanji aus, als wir die Eingangshalle betraten. Gold- und Smaragdtöne blendeten unsere Augen, während sie vom Reichtum erzählten. Ich starrte auf den Boden. Der Marmor vervollständigte diesen glamourösen Eindruck, welchen ich schon jetzt nicht mochte. Es hatte etwas Perfektes, vielleicht sogar Kaltes.

Prüfend sah ich zu Levi. Er hielt Kuchel auf dem Arm, die gerade schlief, und schien dabei genauso wenig begeistert wie ich zu sein.
„Ich habe für euch ein Familienzimmer und für dich, Hanji, ein Einzelzimmer gebucht. Hier sind die Schlüssel."
Lina reichte uns die Bündel, während sie hinzufügte: „Die erste Zahl ist das Stockwerk. Dort findet ihr dann die entsprechende Zimmernummer. Ich selbst werde nach Hause fahren und in zwei Tagen wieder zurücksein."

„Treffen wir uns dann wieder auf dem Schiff?" ,fragte ich noch sicherheitshalber.
„Ja, seid einfach übermorgen Mittag dort! Wir werden schon nicht ohne euch ablegen."
Meine frühere Freundin verabschiedete sich von uns, woraufhin Hanji, Levi und ich kurz den weiteren Ablauf klärten. Wir setzten eine Uhrzeit und einen Treffpunkt für den nächsten Morgen fest und winkten zum Abschied. Während wir auf Grund von Kuchel bereits in unser Zimmer gehen wollten, beschloss unsere neugierige Freundin ein wenig die Gegend zu erkunden. Ich musste grinsen. Es war eben typisch Hanji.

„Verlauf dich nicht!" ,rief Levi ihr noch hinterher, doch Hanji verließ bereits das Gebäude. Sie war wahrscheinlich im Entdeckermodus. „Wenn die so weiter aufgeregt ist, bekommt sie noch einen Herzstillstand" ,meinte Levi nun, während er mir folgte. Nach kurzer Zeit der Orientierung – dieses Hotel war wirklich enorm groß – entdeckte ich einen Fahrstuhl. Unser Zimmer befand sich im neunten Stock und meine Lust auf Treppensteigen war begrenzt, sodass ich mich für die moderne Art und Weise der horizontalen Fortbewegung entschied. Levi würde es sicher nichts ausmachen.

„Was ist das?" ,fragte er dennoch, als sich die Eisentür öffnete.
„Eine Art Aufzug." Levi sah mich skeptisch an. „So wie ein fahrender Raum" ,fügte ich noch hinzu und trat ein. Er machte es mir gleich, auch wenn seine Augen nicht unbedingt Begeisterung ausstrahlten.
„Hast du Angst?" ,neckte ich ihn.
„Nein."
„Wollen wir dann morgen auch mit einem Automobil fahren?"
„Nicht nötig."
„Also hast du doch Angst" ,warf ich ein, als ein Klingeln bekanntgab, dass wir im gewünschten Stockwerk angekommen waren.

Wir stiegen aus und liefen den Flur entlang. Levi schwieg zu meiner letzten Aussage. Wahrscheinlich war dieses Gespräch nicht das, was ihn zurzeit interessierte. Vielleicht beschäftigten ihn ganz andere Themen, wobei ich erahnen konnte, was genau da durch seinen Kopf ging. Immerhin war mein Vater sicherlich auch bei ihm hängen geblieben. Doch ich sehnte mich nach nichts anderem als dem Verdrängen des Treffens. Ein wenig Ärgern – vielleicht auch flirten – hoben meine Stimmung enorm, auch wenn es zugegebener Weise auf seine Kosten stattfand. Ich hoffte, er würde es irgendwie verstehen.


Im Zimmer angekommen, öffnete ich zunächst die Balkontür und lüftete etwas, während Levi Kuchel in das vorhandene Einzelbett legte. Er zog ihr die Schuhe aus und deckte sie nur leicht zu, denn die warme Sommerluft war immer noch drückend.

„Lina hat wohl den guten Ausblick gebucht" ,sagte ich beiläufig, während ich den Balkon betrat und aufs Meer blickte. Die untergehende Sonne verlieh dem Wasser einen rot-orangenen Schimmer. Es sah von hier oben wundervoll aus.

„Hätte nicht gedacht, dass dein Vater so ein alter Sack ist..." ,meinte Levi, als er mir Gesellschaft leistete. Der Moment war also gekommen. Ich hatte bereits damit gerechnet, dass er das Treffen ansprechen würde, doch auf einen späteren Zeitpunkt gehofft. Dass er mir nur so wenig Ruhe gab, zeigte, wie sehr es ihn beschäftige. Ich seufzte.
„Ich hatte es dir doch erzählt..."

Er trat vor und lehnte sich mit seinen Unterarmen auf das Geländer. Sein Haar getaucht in den Farben des Himmels, erinnerte mich an die Nächte, in denen es verspielt schwang und mir seinen Takt offenbarte. Es waren Erinnerungen, die sich mir nun förmlich aufdrangen, nur um mich von dem bevorstehenden Gespräch abzulenken oder gar zu trösten.
„Meinst du, der Wichser macht bei deiner Idee mit?"

Levi blickte zu mir herüber. Er wirkte ruhig und gefasst. Auch wenn er meinen Vater mit jedem Satz beleidigte, waren in seinen Worten keinerlei Hass zu hören. Diese Wut, die er auf dem Schiff offenbart hatte, war wie weggeblasen.
„Ich hoffe es, aber einschätzen kann ich es nicht..." ,erklärte ich, während ich an der Wand lehnte und meine Arme an diese drückte, um sie ein wenig zu kühlen. Ich senkte meinen Blick. Obwohl ich mir selbst einreden wollte, dass sich diese Reise gelohnt hatte, konnte ich ihm keine Hoffnung geben. Ich konnte ihn nicht anlügen.

„Machst du dir Sorgen wegen den Plänen deines Vaters?" ,fragte er nun. Ich sah auf und entdeckte seine Hand, die er nach mir ausstreckte. Vorsichtig legte ich die meine in seine und kam seiner Aufforderung damit nach. Er führte mich ans Geländer – näher zu ihm – und musterte mich. „Vergesse nicht, dass es dein Leben ist, egal was der Scheißkerl sagt."

Ich nickte.
„Ich weiß..."
Es war mehr ein flüstern, vielleicht sogar ein Jammern, welches ich von mir gab. Levi führte meine Hand an seinen Mund und küsste sie.
„Du bist doch sonst immer so stolz" ,meinte er, während seine Lippen immer noch meine Hand erwärmten. Es kribbelte in meinem Bauch. Seine Geste erwärmte mein ausgekühltes Herz, so als würde sie mich aufwecken. Ich starrte jede einzelne Strähne seines Haares an, zählte förmlich seine einzelnen Wimpern, die ihn plötzlich so feminin wirken ließen und fragte mich dabei, wie viele Seiten ich noch nicht an ihm entdeckt hatte. Und wie viel er mir noch offenbaren würde – in dieser unbekannten Zeit, die uns noch blieb.

„Wenn er dich mit irgendeinem Arsch verheiraten will, dann komme ich ihm vor" ,sagte er nun und blickte mich konzentriert an. Ich nickte ein wenig gedankenvoll - immer noch verträumt von seinem Anblick – bis ich plötzlich verstand, was er meinte. Meine Augen weiteten sich.

„Du weiß aber schon, dass du mich das fragen musst!" , stotterte ich heraus. Meine Hand wurde in seiner unangenehm feucht. Ich presste meine Lippen zusammen, starrte noch immer in sein Gesicht, so wie er in meines sah, bis ich so sehr grinsen musste, dass meine Wangen schmerzen.

„Selbst nach dem komischen Gesicht, was du jetzt machst?" ,warf er ein, wobei er seine Stirn an meine legte. Seine Augen zeigten mir sein Lächeln, bevor ich seinen zarten Kuss auf meinen Lippen spürte.
„Levi, eigentlich bin ich nicht..." ,flüsterte ich, nachdem ich mich von ihm gelöst hatte. Ich wollte noch so viel sagen, doch er ließ mich nicht.
„Ich weiß. Ich auch nicht" ,unterbrach er mich einfach und küsste mich ein weiteres Mal, viele Male – überall.

Der Sommerwind kühlte meinen Schoss als er mich dort mit seiner Zunge erwärmte. Den Rock leicht hochgehoben, um ihm dabei anzusehen, ließ ich ihn meinen Verstand rauben.
„Ich will dich!" ,seufzte ich dabei so oft, bis er mich erhörte.
„Bist du dir sicher? Mich und nicht diesen reichen Wichser?" ,fragte er herausfordernd und sah dabei zu mir hinauf. Wie er da kniete, mir fest in den Oberschenkel kniff und darauf wartete, dass ich ihm antwortete, ließ in mir das Gefühl von Macht aufkommen. Gern hätte ich ihn warten lassen, gern mit ihm in diesem Moment gespielt – ihn vielleicht unsicher machen wollen, um noch mehr von seinem Drang nach mir zu entdecken – aber ich konnte nicht. Mein Körper schrie viel zu laut nach ihm. Meine Lust verlangte bereits viel zu sehr, nach dem Gefühl, was er in mir auslöste, wenn er sich in mir einbrannte.

„Ja, nur dich."

Als ich es leise herausseufzte, lächelte er. Seine Zunge glitt ein letztes Mal an mir entlang, um mich aufstöhnen zu lassen. Er stand auf, drückte mich an die Wand und nahm eines meiner Beine, welches er auf das Geländer positionierte, um tief in mich einzudringen. Ich erstickte mein Seufzen in seinem Nacken, griff nach seinen Schultern und genoss seine Lust, seinen Körper – nur ihn.

Mein zweites Bein nehmend, quetschte er mich noch stärker zwischen ihn und die Wand, nur um mich noch intensiver zu erleben. Ich sah auf, stöhnte ihm ins Gesicht, bis er mich mit seinen Lippen verstummen ließ. Der letzte Sonnenstrahl verschwand. Die Nacht kam und mit ihr der Schauer, der durch meinen Körper glitt, hinein in mein Hirn, um mich blind vor Verlangen zu machen.

Ich blickte in sein Haar, spürte die sich langsam erwärmende Wand in meinen Rücken und seine Lust, die ihn ebenfalls in jedem Moment überfallen würde.
„Ich will nur dich..." ,widerholte ich, während ich die Träne spürte, die an meiner Wange herunterglitt, als er sich in mir verlor. Ein tiefes Seufzen gab er dabei von sich. Ich starrte in sein Gesicht, blickte in die Augen, die so voller Gier waren, nur um zu beobachten, wie er die Grenze des Bewusstseins kurz überschritt. Er war so wunderschön dabei.

„Du brauchst nicht weinen..." ,flüsterte er, nachdem er seine Sinne zurückgewann. Vorsichtig ließ er meine Beine nacheinander herunter, sodass ich nicht das Gleichgewicht verlor.
„Aber ich will dich nicht verlieren..." ,stotterte ich.
„-dN-..."

Mit seinem Daumen wischte er meine Träne hinfort, so als wollte er meine Zweifel verdrängen. Dann umarmte er mich einfach, drückte mich an sich und hielt inne. Ich grub meine Nase in sein Hemd und schnupperte. Sandelholz – wie oft hatte es mich schon in Wallungen gebracht und wie oft beruhig? Wie oft hatte er mich schon geliebt und wie oft damit getröstet? Er war nun schon so lange an meiner Seite als mein ein und mein alles. Jemand, den ich nicht mehr hergeben konnte, egal für was oder für wen.

„Irgendwann wird es auch mein Vater einsehen..." ,dachte ich mir, während ich seine Wärme genoss. Auch wenn die Nacht kalt werden könnte, auch wenn irgendwann wieder der Winter über uns hereinbrechen würde, selbst wenn der Tod nach uns greifen sollte – ich würde niemals frieren. Nicht solange er bei mir war.  

Grenzen vergessen Levi x ReaderWhere stories live. Discover now