80. Etwas Schund und Leidenschaft

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„Ach was, der Knirps und seine Schnecke...." stöhnte Kenny als er Levi und mich an der Gittertür seiner Zelle entdeckte. Es war nicht grade die Begrüßung, die ich mir bei meinem Vorschlag, diesen Mann zu besuchen, vorgestellt hatte. Doch in dem Moment als ich sein hämisches Grinsen entdeckte, fragte ich mich überhaupt, was ich erwartet hatte. Levi seufzte. Nach Kennys Festnahme war es das erste Treffen zwischen den Beiden.
„Sie hat auch einen Namen." meinte der Gefreite, während er die Tür aufschloss und mit mir eintrat. Ich schloss diese hinter mir und lehnte mich daran an. Auch wenn wir nur ein Gespräch suchten, mussten wir bei diesem Mann Vorsicht walten lassen.
„Was wollt ihr?" zischte Kenny und setzte sich auf seinem Bett auf. Er musterte uns.
„Vielleicht die ein oder andere Gute-Nacht-Geschichte..." meinte Levi. Er griff nach einem Stuhl und setzte sich mit verschränkten Armen seinem Onkel gegenüber. Sein Blick war starr, doch ich konnte an seiner Körperhaltung erkennen, dass er unsicher war. In meiner Brust stach es. Um ihn herum schwebte ein Schatten aus der Angst enttäuscht oder verletzt zu werden. Dieser Mann war noch immer das Einzige, was Levi mit seiner Familie verband. Er war diese eine Tür, die er öffnen konnte, um mehr über seine Herkunft zu erfahren. Bliebe sie verschlossen, würde er für immer im Dunkeln stehen und niemals mehr eine weitere Chance erhalten. „Dann bleibt ihm nur der Blick in die Zukunft..." dachte ich und berührte meinen Bauch. Auch dieses Wesen könnte ihm vielleicht auf die eine oder andere Art etwas über ihn selbst offenbaren. Dieses Kind, was er gezeugt hatte, und nun mit mir erwartete.
„Nun Levi.... Ich bin nicht hier, um dir irgendwelche Geschichten zu erzählen. Aber vielleicht ändere ich meine Meinung, wenn du mir ein gutes Angebot machst." warf Kenny nun ein und kaute dabei auf einem Halm. Er sah zu mir herüber und zwinkerte. Ich seufzte angeekelt.
„Was willst du, Kenny?" fragte Levi. „Was könnt ihr mir bieten?" Ich überlegte kurz.
„Alkohol, gutes Essen, den Gang ins Bordell – sowas?" fragte ich. Der alte Mann grinste.
„Letzteres wäre schon mal ein Anfang. Aber da gibt es noch etwas: Ich schulde einem alten Freund noch einen Gefallen." „Einem alten Freund?" flüsterte ich und sah zu Levi. Seine Augen weiteten sich. Wahrscheinlich dachte er an Erwin und sein Versprechen. Warum musste Kenny grade jetzt dieses Thema ansprechen?
„Was für ein Freund?" warf Levi nun ein.
„Jemand, dem ich lange gedient habe." Levis Blick senkte sich. Er beugte sich nach vorn und stützte sich mit seinen Ellenbögen auf seine Beine ab. Ich beobachtete, wie seine Schultern von der Last, die ihm sein Kommandant hinterlassen hatte, erdrückt wurden. Wie er nachgab und beinah einknickte. Unsicher ging ich auf ihn zu und lag meine Hand auf seinen Rücken. Er blickte zu mir auf, doch ich wandte mich an Kenny:
„Dann sag, was das für ein Gefallen ist! Wir werden schauen, was wir tun können, aber dafür erzählst du uns alles, was du über die Ackermann-Familie weißt!" Es war keine Bitte, die ich stellte. Es war eine Forderung. Mein Puls raste bereits und pochte mir in den Ohren. Es war kein lautes und dennoch betörendes Geräusch. Doch ich versuchte es zu ignorieren.
„Seid ihr schon beim Wir angekommen." lachte Kenny plötzlich auf, doch das Lachen blieb ihm im Halse stecken, als Levi meinte:
„Wir erwarten ein Kind, Kenny." Ich sah erschrocken zu ihm herunter. Meine Wangen erhitzten sich. Besonders vor diesem skrupellosen und schwer durchschaubaren Kerl war mir meine Schwangerschaft mehr als unangenehm. „Seit wann das denn?" rief Kenny aus. Seine Augen waren starr auf mich gerichtet. Er schien geschockt, doch plötzlich entdeckte ich in seinem Blick noch etwas anderes. War es Sorge? Kam diese eine Seite, die er gezeigt hatte, als er mich gerettet hatte, wieder in ihm hoch? Levi horchte auf. Er schien genauso wie ich die Veränderung in Kennys Ton zu bemerken.
„Seit deiner Festnahme, vermute ich. Warum fragst du?" antwortete Levi kühl. Kenny schwieg. Eine Stille kehrte in der Zelle ein. Eine Stille, die mir Levis Seufzen offenbarte.
„Erzähl uns von diesem Gefallen. Dann werden wir schauen, was wir tun können!" fügte der Gefreite nun hinzu.
„Es ist keine schwierige Aufgabe, aber ich habe mich immer davor gedrückt – wahrscheinlich wollte ich dieses eine Gebäude niemals mehr betreten..." flüsterte Kenny schon fast und schien gedanklich abzudriften. Ich erkannte diese Art und Weise, wie er plötzlich sprach. Auch Levi hatte diesen Blick und diesen Ton, wenn er über Erwin oder sein Versprechen redete. In diesem Punkt schienen sich die Ackermanns zu gleichen. „Nordwestlich von Trost gibt es ein Anwesen der Familie Reiss, welches zurzeit verlassen sein müsste. Dort hatte Urie im nördlichen Turm ein Zimmer, welches er als Ort zum Nachdenken und Dichten nutzte. Er schrieb einiges für eine gewisse Frau. Briefe und Schriftstücke, die er ihr niemals gegeben hatte. Kurz vor seinem Tod hatte er mich gebeten, ihr diese Papiere zu geben, doch ich habe es bis heute nicht getan."„Und jetzt plagt dich das Gewissen..." warf Levi ein. Kenny grinste.
„Als besäße ich so etwas... Ich habe es nur nicht gern, offene Rechnungen nicht beglichen zu haben, Knirps." meinte er.
„Für wen sind die Schriftstücke?" fragte ich, um das Gespräch voranzutreiben.
„Daniela Cook. Sie ist eine Frau von edlem Blut aus Mitras. Lasst euch von ihr als Beweis einen Brief mit dem Wappen ihrer Familie geben. Dann erzähle ich euch gern die ein oder andere spannende Story."


Wir taten das, was Kenny von uns verlangt hatte und ritten am nächsten Morgen zu dem genannten Anwesen der Familie Reiss. Es war sicherlich nur eines von vielen Häusern, die diese Familie besaß. Ein Gebäude mit drei turmartigen Anbauten, welches eher durch seine Größe als durch seinen Baustil auffiel. Wie von Levis Onkel beschrieben, war keine Menschenseele zu sehen. Wir sollten als ein recht leichtes Spiel haben, die Dokumente zu beschaffen.
„Welcher Turm ist es?" fragte ich Levi als wir von den Pferden abstiegen und sie an einem Baum festbanden.
„Ich denke, der da drüben..." sagte er und zeigte auf einen der doch recht kleinen Gebäude. Wir spazierten in Ruhe dorthin – eilig hatten wir es ohnehin nicht. Vorsichtig versuchte der Gefreite die Tür zu öffnen, doch sie war verschlossen.
„Scheiße..." fluchte er und zog seinen Dolch. Levi kniete vor dem Knauf und begann feinfüllig mit der Klinge zwischen der Tür und ihrem Rahmen entlang zu streichen. Ich beobachtete ihn und blickte dabei erstaunt auf seine Hände. Sicherlich war es nicht das erste Mal, dass er so in ein Gebäude einbrach und trotzdem wirkte er ein wenig gestresst. Doch plötzlich klackte es. Der Gefreite steckte sein Dolch zurück und schob mit der anderen Hand die Tür auf. Ein kleines, aber hochwertig eingerichtete Turmzimmer bot uns Einkehr, welches vor allem mit großen Holzregalen und Polstermöbeln ausgestattet war. Das hereinfallende Sonnenlicht offenbarte uns die herumschwebenden Staubkörner sowie den leichten Schleier, der sich auf den Möbel abgesetzt hatte. Es musste schon einige Jahre her sein, dass eine Person in dieses Zimmer einen Fuß gesetzt hatte – so viel stand fest.
„Hätte ich mal meine Maske mitgebracht..." beschwerte sich Levi und betrat mit mir zusammen den Raum. Ich lächelte und ging gespannt zum Schreibtisch, der trotz der vielen Papierstapel ansonsten recht aufgeräumt wirkte. „Levi, hier liegt einiges..." meinte ich und reichte ihm einen Stapel. Levi musterte die Zettel und blätterte darin. „Das sind nur Befehle oder Vermächtnisse...." erklärte er und stellte sich zu mir. Hier und da blickte er zwischen den Papieren, doch auf dem Schreibtisch lag nichts, was der Beschreibung von Kenny ähnelte. Also begann er einige Schubladen zu öffnen, in welchen sich vor allem Federn, Tinte sowie weitere Schreibmaterialen von hohem Wert befanden. Ich seufzte.
„Hätte Kenny uns nicht einen Tipp geben können?" fragte ich genervt und ging zu einem der Bücherregale, um zu schauen, ob dort ein Gedichtband oder ähnliches zu finden war. Ich zog einige auffällige Bücher heraus. Der Staub kitzelte in meiner Nase und brachte mich zum Husten. Verärgert hielt ich meine Hand vorm Mund, doch dann entdeckte ich eine Papierrolle, welche mit einem roten Band gebunden und hinter einigen Büchern versteckt lag. Vorsichtig zog ich sie heraus und öffnete das Band. Es waren handschriftliche Texte.
„Levi, ich habe was gefunden, glaube ich..." Der Gefreite kam genervt zu mir.
„Du musst unbedingt lernen, unsere Schrift zu lesen!" schimpfte er und riss mir die Zettel aus der Hand, um kurz darüber zu lesen. „Das muss es sein..."„Oh, lese was vor!" forderte ich. Ich blickte mich kurz um und entdeckte eine Polstercouch an einer Wand gestellt. Eilig zog ich Levi dorthin und setzte mich. In meinem Bauch kribbelte es. Ich war so neugierig darauf, was diese Texte beinhalteten. Es wirkte schon fast wie ein Geheimnis, welches nur von uns gelüftet werden konnte. Levi verdrehte die Augen.
„Ist das dein Ernst?" Ich nickte und klopfte auf das Sofa neben mir. Eine kleine Staubwolke stieg auf und brachte mich zum Niesen. Der Gefreite seufzte, sah noch einmal auf die Couch und setzte sich dann resigniert. Er lehnte sich an, lag einen Arm auf die Lehne ab und schlug ein Bein über das andere. Konzentriert hielt er das Papier ins Licht. Dann atmete er tief durch und begann:
„Wie ein Juwel, so klar und rein – Dein feines Licht war mein ganzes Sein – Wollte dich ins Herzen fassen – Doch was nicht lieben kann, muss lassen – Und dieses Funkeln deiner Augen – Wird die Seele aus mir saugen.... Was für ein Schund...."
beschwerte er sich, nur um daraufhin meine geröteten Wangen zu entdecken. Es war nicht unbedingt der Text, der die Hitze in mir aufsteigen ließ. Es war diese Art und Weise gewesen, wie er konzentriert geblickt und gesprochen hatte. So einfühlsam und gleichzeitig niedlich genervt – eben so wie ich ihn kannte und bewunderte. Peinlich berührt presste ich meine Lippen zusammen.
„Stehst du etwa auf so was?" fragte er etwas unsicher. Ich schüttelte den Kopf.
„Eigentlich nicht, aber du...." Ich brach den Satz ab und lehnte mich vor, um ihn einfach zu küssen. Es zeigte ihm mehr, als ich jemals sagen konnte. Wollend streckte ich ihm meine Zunge entgegen und saß mich auf seinen Schoss.
„Soll ich nicht weiterlesen?" flüsterte er, doch wir küssten uns ein weiteres Mal. Es war Antwort genug. Levi schmiss das Papier zur Seite und griff in mein Haar, um seine Zunge in meinen Rachen zudrücken. Zärtlich strich er mit seinen Händen über meinen Rücken hinunter zu meinem Po und schob dabei meinen Schoss über seinen. Ich seufzte auf und sah tief in ihn hinein. Dann biss ich mir lächelnd auf die Unterlippe und zog mir die Hose aus. Auch er öffnete seine Hose und zog mich zurück auf ihn.
„Willst du nicht....?" Doch er drückte mich bereits auf ihn und glitt in mich hinein. Ich stöhnte auf.
„Nicht hier...." seufzte er und stützte sich mit seinen Händen nach hinten ab. Seine Stöße versetzten mich in Wallungen. Über ihn hockend hielt ich mich an der Lehne des Sofas fest und beobachtete seine Bewegungen. Diese Anspannung seines Körpers. Diese Kraft, die er selbst jetzt ausstrahlte. Sein Blick wanderte immer wieder zu meinem Schoss. Seine Wangen röteten sich leicht. Ich stöhnte leise vor mich hin, doch mein Atem wurde schneller. Unsicher ließ ich meine Hand in meinen Schoss rutschen und betrachtete ihn dabei, wie er seine Lust steigerte. Er seufzte angestrengt und sah mich an.
„Ich will mit dir zusammen kommen...." hauchte ich und spielte an mir selbst. Die Lust lauerte bereits. Sie wartete nur auf den einen Moment meinen Körper zu erfüllen. Ich stöhnte vermehrt auf. Levi wandte seinen Blick von mir ab. Er biss seine Zähne zusammen. Doch ich wollte mehr von ihm sehen. Ich wollte in ihn hineinblicken, wenn er sich selbst verlor. Etwas grob zog ich sein Gesicht vor meines und starrte ihn an. Dieser Blick, der so orientierungslos war. Sein Haar, was vor seinen Augen tanzte. Der leicht offene Mund, der mir entgegenstöhnte. Alles an ihm ließ mich pulsieren. Alles, was an ihm so begehrenswert war. Mein gesamter Körper wartete auf ihn – auf ihn und seine Lust, die plötzlich in mich hineinlief und mich seine Hitze spüren ließ. Mein Kopf fiel in den Nacken. Ich ließ meiner Stimme freien Lauf – stöhnte wollend auf. Levi packte mich am Rücken und stützte mich. Er zog mich zurück an ihn und küsste mich, um mein letztes Seufzen zu verschlucken. Dann löste er seine Lippen von mir und hielt kurz inne. Wir seufzten, um unser Gemüt abzukühlen. Einige Sekunden -vielleicht auch Minuten – sahen wir uns einfach nur an, bis er auf einmal unzufrieden nach unten blickte.
„Warte, bleib so!" meinte er und kramte ein Taschentuch aus seiner Hosentasche, was er mir in die Hand drückte. „Pass auf, dass du mich nicht befleckst!" Ich lachte auf.
„Keine Sorge, dass bekomme ich schon irgendwie hin." Vorsichtig stand ich auf und zog mich an. Levi sah mir dabei zu und richtete selbst seine Kleidung. Er nahm die Zettel an sich und blickte genervt auf den Text. Ich entriss ihm das oberste Blatt.
„Was hast du vor?" fragte er.
„Eines mehr oder weniger wird sicher nicht auffallen." erklärte ich und faltete es zusammen, um es in meine Hosentasche zu stopfen. Der Gefreite lächelte.
„Also stehst du doch auf so einen Schund..." äußerte er. Ich grinste ihm entgegen. Nein, das direkt war es nicht. Und trotzdem – ich hoffte darauf, dass er es mir irgendwann noch einmal vorlesen würde. So wie an jenem Tag als wir diesen Schund entdeckt hatten.

Grenzen vergessen Levi x ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt