54. Die Gier nach ihm

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Noch vor Einbruch der Dunkelheit kamen wir auf dem großen Gehöf nordwestlich der Stadt Stohess an. Es war ein gut ausgestatteter Hof mit einigen Feldern, welche zur Zeit brach lagen. Inmitten dieser standen einige impulsante, meist zweistöckige Gebäude sowie zwei kleine Ställe. Das Gebiet bot viel Platz und noch mehr Arbeit für die Kinder, die sie erlernen konnten. Ich sah überzeugt zu meinen drei kleinen Freunden. Ihre Augen starrten in die Weite. Sie staunten wahrscheinlich über die Freiheit, die sie nun umgab. Ab heute durften sie endlich erfahren, wie riesig diese Welt sein konnte.
"Du bist müde!" hörte ich eine Frau schimpfen und blickte auf eines der Felder. Einige Meter von uns entfernt standen Mikasa, Eren und Historia und schienen sich zu unterhalten. Mikasa entriss Eren einen Sack und trug ihn lässig auf der Schulter. Ich musste grinsen. Diese junge Frau war wirklich eine überzeugende Soldatin. Kräftig spornte ich Wolke an und ritt den Jugendlichen entgegen. Historia war die Erste, die mich bemerkte. Sie wank mir zu.
"-dN-, hallo!" rief sie herüber. Ich stoppte vor der Königin und stieg ab.
"Hey. Ihr scheint ja schon richtig am Arbeiten zu sein." äußerte ich und blickte zu Eren, der Mikasa zum Haupthaus folgte. Historia nickte. Sie hob ihren braunen Rock leicht hoch und zeigte mir ihre Lederstiefel.
"Ja, mir tun die Füße auch schon richtig weh....." jammerte sie und lachte. Ich lächelte sie an. Sie war immer noch die gleiche selbstlose Frau wie vor einigen Wochen. Ihr neuer Titel hatte daran zum Glück nichts verändert.
"Gib mir ruhig den Sack. Du hast genug für einen Tag geschufftet." sagte ich und nahm ihr den Beutel ab.
"Vielen Dank. Sagt, warum seid ihr hier, -dN-? Wollt ihr den Hauptgefreiten sprechen?" Ich sah überrascht auf. Mein Herz sprang mir beinah aus der Brust.
"Ist er hier?" Historia nickte. Sie sah mich konzentriert an. Ihr Blick war scharfsinnig. Unsicher drehte ich mich weg und befestigte den Sack auf Wolkes Rücken. Das Pferd schnaupte dabei.
"Kommt, wenn ihr Glück habt, ist er noch im Haupthaus." 

Gemeinsam mit Historia betrat ich das besagte Anwesen. Es war ein großes Holzhaus mit Strohdach und einer geräumigen Eingangshalle, welche einen Kamin besaß. Der Großteil der Räume war mit Holz verkleidet und bot hochwertige Polstermöbel und Schaukelstühle zum Ausruhen. Es duftete nach Kräutertee - ein kleiner Hinweis darauf, dass Levi nicht weit entfernt sein konnte.
"Hauptgefreiter, schaut, wen ich mitgebracht habe!" sagte Historia selbstsicher und grinste frech. Ich stand errötet hinter ihr und klammerte mich an den Sack, den ich für sie trug. Anscheint hatte ich diese junge Frau unterschätzt: Innerhalb von Sekunden hatte sie mich durchschaut. Ein Seufzen entglitt mir, als Levis mich ansah und seine Augen sich kurz weiteten, dann aber wieder seinen gewohnten Blick trugen. In Sachen Selbstkontrolle war er mir weit überlegen.
"-dN-, was machst du hier?" fragte er auf dem Sofa sitzend. Seine Tasse hielt er, wie gewohnt, mit seinen Fingern am Rand fest. Er trug unsere Unifrom und hatte seinen Matel über einen Stuhl gehängt. Wie es schien, machte er grade eine Pause, bevor er wieder aufbrechen würde. Ich stellte den Sack ab und lehnte ihn an einen Sessel.
"Ich wollte mir ein Bild von dem Gehöf machen. Unsere Mission in Stohess ist abgeschlossen. Der Trupp wird morgen nach Mitras zurückkehren." Levi nahm einen Schluck seines dampfenden Getränks. Sein Blick wanderte von mir zu Historia und wieder zurück.
"Nun, ich werde mich weiter um die Kinder kümmern. Ihr solltet bald wieder zurückreiten!" ergriff Historia das Wort und verließ das Gebäude, sodass mein "Jawohl" im Nichts landete.
"Und wie ist die Mission in Stohess gelaufen?" fragte Levi neugierig. Zurückhaltend setzte ich mich neben ihn und erzählte ihm von den vielen guten Ereignissen aber auch den problematischen Vorfällen. Auch er nannte einige Probleme aus Mitras. Die Situationen schienen ähnlich gewesen zu sein.
"Levi, du musst unbedingt die drei Kinder, die ich grade begleitet habe, kennenlernen! Sie waren total begeistert, als ich ihnen von dir erzählt habe." sagte ich aufgeregt, nachdem wir unseren Austausch über die Mission abgeschlossen hatten.
"Du redst manchmal zu viel" beschwerte er sich. Ich lächelte leicht, doch gleichzeitig bedrückte mich seine Aussage. Wehmut machte sich in mir breit. Es war das Gefühl, was ich auch in meinem Traum empfunden hatte - in diesem einen Moment, als er mich darin zum Schweigen gebracht hatte.
"Vielleicht hast du mir deswegen im Traum den Mund gestopft......"
"Was?" Levis Augen weiteten sich.
"Ach, es war nur ein Traum, aber ich muss ständig daran denken." seufzte ich heraus.
"Du machst dir zur Zeit viel zu viele Gedanken, -dN-." Levi stellte seine Tasse gemeinsam mit der Untertasse auf einen kleinen Tisch und rückte ein Stück zu mir. Er strich mit seiner Hand an meiner Wange entlang und musterte mich. Beschämt ließ ich meinen Blick sinken und griff vorsichtig an das Tuch an seinem Hals. Seine Lippen kamen mir näher. Ich errötete als er sie dicht an mein Ohr hielt und flüsterte: "Du solltest lieber an andere Dinge denken....." Mir wurde heiß.
"Das habe ich.....letzte Nacht....." stotterte ich heraus und dachte daran, wie ich es mir selbst besorgt hatte. Ich bekam Gänsehaut. Die Idee es vor ihm zu tun, ließ mich brennen. Meine Augen tasteten seinen Körper ab. Sein Hemd betonte seine Figur. Die Riemen zeigten mir, wie schmal er an der Hüfte war. Mir wurde schwindelig. Levi sah direkt in mein Gesicht. Sein Blick war skeptisch. Wahrscheinlich erkannte er meine Lust, die er so einfach entfachen konnte. Er wusste genau, wie mein Körper auf ihn reagierte und wie wild es mich innerlich machte, mit ihm allein zu sein.
"Und? Was hast du dabei gemacht?" fragte er nun und presste seine Lippen auf meine. Ohne zu zögern, drückte ich ihm meine Zunge in den Mund und spürte wie warm mein Körper im Gegensatz zu seinem war. Meine Nase berürte seine kühle Wange. Wie errötet musste ich bereits gewesen sein? Lustvoll ließ ich meine Hand über seinen Oberkörper gleiten. Er drückte seine Brust gegen meine Hand und kam mir ein Stück entgegen. Auch sein Körper erwärmte sich - auch er konnte in diesem kurzen Moment nicht widerstehen. Doch dann griff Levi vorsichtig meinen Kinn und löste unseren Kuss. "Ich muss zurück nach Mitras, -dN-." Ich biss mir auf die Unterlippe und nickte. Auch ich hatte meinen Ritt nach Stohess noch vor mir. Seufzend stand ich auf und blickte zu Levi zurück. Er richtete konzentriert sein Tuch, indem seine feinen Hände förmlich mit dem Stoff spielten. Ein Stechen breitete sich in meinem Schoss aus. Genervt von meinen Gedanken wandte ich mich dem Beutel zu.
"Wann reitest du zurück?" fragte ich, während ich in die Hocke ging.
"Sofort. Erwin will mich heute Abend noch sprechen."
"Mmmmh......" Ich hob den Sack auf meine Schulter. "Erwin mal wieder...." Levi lächelte und stand auf. Er griff nach seinem Mantel und zog ihn sich über.
"Bist du eifersüchtig?" Ich starrte ihn überrascht an. Warum sah er mich bei dieser Frage so an?
"Ja, bin ich......" gab ich seufzend zu. Mein Herz klopfte. Ich empfand sie schon so lange - diese Eifersucht gegenüber dem Kommandanten. Der Gedanke, wie er es einfach entscheiden konnte, wann er Levi sah, machte mich wütend und traurig zugleich. Ich wollte es auch - ihn immer wieder zu mir rufen und über ihn wachen. Ihn bewachen und beherrschen. Ich biss meine Zähne zusammen. Meine Eifersucht war wie ein Sieb. Sie ließ all meine Zuneigung und Liebe für Levi hindurchfallen und entblösste die Gier in mir. Ganz allein zeigte sie sich und machte mir bewusst, wie durchtrieben ich war. Levi öffnete die Haustür und sah mich an.
"Wenn du es nicht wärst, wäre ich schon fast enttäuscht..." sagte er nun. Sein Lächeln war immer noch da. Es strahlte mir entgegen. Ich blickte Levi verwundert an. "Komm! Du wolltest mir doch jemanden vorstellen."

Grenzen vergessen Levi x ReaderWhere stories live. Discover now