23. Pflicht einer Heldin

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Mit hoher Geschwindigkeit ritt unser Trupp entlang der Außenseite der Mauer Richtung Osten. Wir waren ein Großteil des Aufklärungstrupp sowie einige Soldaten der Mauergarnison. Es waren entweder die besonders Mutigen oder die besonders Dummen ihrer Gruppe, die sich unserem Kampf anschließen wollten, doch wir waren für jeden Kämpfer dankbar und fragten nicht nach ihrem Können.
"Da hinten sind sie." rief Erwin aus, der voranritt. Ich sah an Auruo vorbei nach vorn und erkannte Hanji oben auf der Mauer.
"Ich bin gleich zurück. Ihr könnt vor der Mauer warten!" sagte ich zum Offensivtrupp und sprang empor. Meinen Haken in die Mauer befestigt flog ich mit Schwung hinauf und landete neben der Braunhaarigen. Einige andere Soldaten, darunter auch Smith, machten es mir gleich.
"Erwin!" rief Hanji auf und salutierte.
"Wie ist die Lage?" Der Kommandant sah sich um. Viele des 104. Trupps waren verletzt oder immer noch geschockt. Der Kampf muss unglaublich gewesen sein - immerhin sprachen wir hier von drei Titanenwandlern. Dies wäre selbst mit dem vollständigen Trupp eine enorme Herausforderung gewesen.
"Wir haben einige Verletzte und glücklicherweise keine Toten. Jedoch haben sie Eren mitgenommen und sind dann Richtung des Waldes geflohen." Hanji zeigte zum Horizont.
"Gut. Alle, die Eren zurückholen wollen, sollten sich uns anschließen! Wir werden zum Angriff übergehen und zwar sofort." Der Kommandant drehte sich um: "Vor allem der Offensivtrupp sollte vollen Einsatz zeigen. Ihr habt versagt. Du hättest ebenfalls hier sein müssen, statt in Ehrmich abzuwarten." Unsicher fasste ich mir ins Haar. Er hatte Recht. Unbewusst war ich in Ehrmich geblieben und hatte auf Hanjis Befehl vertraut, ohne meine Aufgabe zu hinterfragen. Dies war nicht zu entschuldigen.
"Erwin, lass nur, Ich hatte den Befehl dazu gegeben, da ich hoffte, dass Pastor Nick bei ihr reden würde." ,warf die Braunhaarige nun ein. Ich klopfte ihr auf die Schulter.
"Ist schon gut. Erwin hat Recht, Hanji. Ich und der gesamte Offensivtrupp werden in dieser Mission alles geben, Erwin. Darauf gebe ich dir mein Wort." Er nickte und blickte mich mit seinen stahlblauen Augen an. Ein kalter Wind wehte mir ins Gesicht. Ich bekam Gänsehaut.
"Dann mir nach!" schrie Erwin und sprang von der Mauer. Der Trupp setzte sich in Bewegung. Die Pferde galoppierten über die Ebene und schnauften zufrieden. Ich saß wie zuvor mit Auruo auf dem Pferd und hielt mich krampfhaft an ihm fest.
"Bleib dicht hinter Smith! Wir müssen heute Leistung zeigen!" sagte ich zu ihm.
"Jawohl. Dann werde ich aber keine Rücksicht auf dich nehmen." rief er und sah ein wenig zu mir, ohne dabei seinen Blick nach vorn zu verlieren. Ich lächelte.
"Vorwärts!" schrie Erwin nun, als wir in den Wald hineinritten. Wir spornten unsere Reittiere an. Selbst hier durften wir nicht an Geschwindigkeit verlieren. Die Soldaten wurden unruhig. Viele sahen sich um. Jeder rechnete mit dem Schlimmsten, doch es war kein Feind in Sicht. Das Ende des Weges wurde nun erkennbar. Wir kamen aus dem Wald heraus. Die Ebene zeigte immer noch einige Baumgruppen oder Büsche auf, doch unsere Sicht war nun um einiges besser.
"Da hinten sind sie!" rief Bastian, der neben uns ritt. Ich erkannte es: Der gepanzerte Titan rannte vor uns weg. Sie versuchten einfach nur zu entkommen. Wahrscheinlich war Eren mit seiner Titanenfähigkeit Beute genug für sie.
"Angriff!" rief Erwin nun aus voller Kehle. Er erhöhte die Geschwindigkeit nochmals und zog sein Schwert. Triumphierend hielt er es hoch und zeigte dann mit der Klinge auf unsere Gegner. Ein Mann, eine Bewegung und ein Ruf - Smith war nicht einfach ein Kommandant. Er war der Anführer dieser Soldaten - ihr Prediger des Erfolgs. Seine Stimme brachte die Armee zum Beben. Sein Mut steckte sie an und erweckte das Potenzial eines Jeden. Nur mich erreichte seine Aura nicht, denn meine Abscheu für seine Person war zu groß - fast unüberwindbar. Ich selbst folgte ihm nur aus meiner eigenen Überzeugung für sein Ziel sowie aus Ehre und Pflichtbewusstsein. Diese Gefühle ließen mich immer wieder meine Klingen ziehen und motivierten mich sogar mein Leben zu geben.

Unerwartet tauchten weitere Titanen auf. Unsere Präsenz hatte sie angezogen und lockte sie aus ihren Verstecken. Ich biss meine Zähne zusammen. Grade jetzt konnten wir nicht noch weitere Feinde gebrauchen.
"Opfert eure Herzen!" rief Erwin. Die Soldaten schwärmten aus. Einige folgten ihrem Kommandanten weiter in Richtung der Titanenwandler, andere stellten sich den neu erschienenen Gegnern. Plötzlich, wir kamen an einer Baumgruppe vorbei, sprang ein Titan aus seinem Unterschlupf und schnappte nach Smith. Er ergriff den blonden Mann an seinem Arm und riss ihn von seinem Pferd. Auruo schreckte auf und wich aus. Doch Erwin zeigte nur weiter nach vorn und schrie ein weiteres Mal:
"Opfert eure Herzen!" Ich sah ihm nach und hielt inne. Was sollte ich jetzt tun? Ich war für Erens Rettung zuständig, doch Erwin zu verlieren, könnte dem Trupp enorm schaden.
"Scheiße..." fluchte ich und legte dann meine Hand auf Auruos Schulter.
"Offensivtrupp! Ich will, das ihr Eren um jeden Preis rettet! Setzt alles ein, was ihr habt! Ich werde Smith aus dem Maul rausholen." sagte ich und sprang vom Pferd. "Opfert eure Herzen!" rief ich aus, während ich meinen Haken in die Baumgruppe platzierte und mich damit nach oben katapultierte. Da war er: Der 3-Meter-Titan, der Smith in seinem Maul trug. Er lief mit seinem Opfer an der Baumgruppe entlang. "Zum Glück hat er ihn noch nicht verschluckt..." dachte ich und bewegte mich heran. Ich schoss einen zweiten Haken ans Ende der Baumgruppe und zog mich durch diese hindurch. Einigen Ästen ausweichend, bahnte ich mir meinen Weg hinaus und erschien vor meinem Gegner. Mit gezogenen Schwertern flog ich direkt am Maul entlang und holte aus. Es knackte laut und der Kiefer war durchtrennt. Der Mund des Titans öffnete sich leicht, sodass Smith herausfiel. Mit einem Aufschreien landete er auf seinen Rücken und blieb dort regungslos liegen. Er war schwer verletzt. Ich blickte besorgt zu ihm. Er durfte jetzt nicht sterben. Durch einen großen Sprung erlangte der Titan wieder meine Aufmerksamkeit. Er war plötzlich unglaublich nah und griff mit seiner Hand nach mir. Ich schwang mein Schwert ein weiteres Mal - diesmal durch seine Handfläche hindurch - und schrie auf. Seine Finger flogen mir einzelnd entgegen. Sein Blut spritze mir ins Gesicht und verdunkelte mir meine Sicht. Doch ich wusste genau, wo er sich befand. Ich konnte seine Bewegung förmlich spüren. Ohne zu Zögern schoss ich meinen Haken in seine Stirn und sprang auf seinen Kopf, um mich dann hinunter in seinen Nacken fallen zu lassen. "Stirb!" zischte ich und malte mit meinen Klingen zwei Linien an seinem Hals entlang. Es knackte und das Monster brach zusammen. Ich sprang von dem Riesen hinunter, steckte meine Schwerter zurück und wischte mir mit meinem Ärmel das Gemisch aus Blut und Schweiß aus dem Gesicht. Dann rannte ich zu dem Verletzten und kniete mich zu ihm. "Smith! Hey... Erwin!"
"Aah......"  antwortete er leise. Sein Stöhnen klang schwach. Ich sah an ihm entlang. Seinen rechten Arm als Fleischklumpen zu bezeichnen, war keine Untertreibung, denn viel mehr war davon kaum übrig gebleiben. Ich drehte Erwin auf die linke Seite. Seine Kleidung war voller Blut und Speichel des Titans. Es roch eitrig. Ich würgte fast, doch hielt ich das Geräusch zurück, um den Verletzten nicht zu verunsichern. Erwin stöhnte: "Was tust du? -dN-?" Ich seufzte.
"Den Arm wird keiner mehr retten können, Erwin...." Ich zog meinen linken Haken aus dem 3D-Maöver-Gerät heraus und schnitt mit meinem Dolch einen Teil des Seiles ab. Dann beugte ich mich vor den Verletzten und umwickelte seinen Oberarm mit der Schnurr. Meinen Fuß auf seine Hüfte setzend, zog ich das Seil kraftvoll zu. Smith schrie kurz auf, biss dann jedoch die Zähne krampfhaft zusammen. "Wir müssen die Blutung stoppen!" sagte ich und zog den Knoten noch fester zu. Der blonde Mann sah mich schmerzerfüllt an, doch er ertrug die Prozedur. Das erste Mal erkannte ich einen Hauch Angst in seinen Augen. Ich drehte ihn zurück auf den Rücken. "Das müsste so ausreichen." meinte ich.
"Warum bist du noch hier?" fragte er mich. Ich sah ihn erschrocken an.
"Na ja, irgendwer musste dich wohl retten."
"Nein, das meine ich nicht, -dN-. Du verabscheust mich und mein Handeln. Warum hast du nicht das Angebot von Pixels angenommen? In der Mauergarnision hättest du ehrenvoller kämpfen können...." Ich schüttelte den Kopf und stand auf. Mit gehobenen Haupt sah ich auf ihn herab.
"Ich bin kein Feigling, Erwin." Er lächelte.
"Ich weiß. Dennoch dachte ich, dass du einen anderen Grund hattest. Deine Loyalität..... Ich dulde so ein Handeln nicht, -dN-. Das solltest du wissen."
"Keine Sorge, Erwin. Ob du etwas duldest oder nicht, ist für mich nicht von Bedeutung....." Ich blickte zu der Baumguppe. Aus ihrer Richtung hörte ich die Kampfgeschreie meiner Kameraden. Wer von ihnen lag bereits am Boden? Wer von ihnen starb grade in diesem Moment? Wen würde ich noch retten können? Und warum verschwendete ich meine Zeit noch immer mit diesem Mann? In mir stieg die Wut auf und ich fügte hinzu: "Ich werde jetzt gehen und dir später Hilfe schicken.... Erwin." Seinen Namen sprach ich fast zimperlich aus und sah ihn direkt in die Augen. "Wie ich dich hasse." dachte ich und rannte los. Meine Wangen glühten. Ich musste jetzt schnell sein.

Grenzen vergessen Levi x ReaderWhere stories live. Discover now