136. Zurückkehren?

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Es dauerte nur einige Stunden bis sich das Militär erneut zusammenfand. Die Militärpolizei, ein Teil der Mauergarnison und der Rest des Aufklärungstrupps standen sich gegenüber, wobei auch die Azumabito am Treffen als unsere Gäste teilnahmen.

Die Luft im Raum stand. Ich atmete tief ein, während ich an Hanjis Seite stand. Auch wenn sie unglaublich gefasst wirkte, sagte mir ihr Auge etwas anderes. Es sah unsicher zu mir und trug Zweifel in sich. Diese Zweifel, die sie vor ein paar Tagen geäußert hatte. Diese Gedanken, dass Erwin die Situation besser gemeistert hätte, schwirrten wahrscheinlich noch immer in ihrem Kopf.

„Mehr als 100 Soldaten einschließlich Flocke Forster sind zusammen mit ihren Wärtern aus dem Gefängnistrakt verschwunden. Wir glauben, dass diese Soldaten Eren zur Flucht verholfen haben und desertiert sind. Und sie sind zweifelsohne auch für den Mord am General verantwortlich. Wir werden diese staatsfeindliche Organisation ab jetzt Jäger-Fraktion nennen. Und die Ziele der Jäger-Fraktion lauten wie, Hanji?" ,begann ein Militärpolizist das Gespräch.

Ich spürte bereits jetzt einen Kloss in meinem Hals, während ich zu meiner Kommandantin sah. Hanjis Blick wirkte entschlossen. Sie trat ein Stückchen vor, hielt ihre Hände auf dem Rücken und berichtete: „Ihr vorrangiges Ziel dürfte sein, Sieg und Eren zusammenzubringen. Danach planen sie wohl einen Umsturz mit Eren an der Spitze. Die Ermordung des Generals zeigt, wie entschlossen sie sind."

„Aber wie konnten sie sich innerhalb so kurzer Zeit ausbreiten und organisieren? Dass sie sich alle hinter Eren versammeln, bedeutet doch offenbar, dass viele Soldaten auf Siegs Unterstützung vertrauen!"

Hanji nickte dem Militärpolizisten zu.
„Ich denke, sie vertrauen Eren und Eren vertraut Sieg. Aber vor allem haben wir Sieg nur misstraut und sind keinen Schritt vorwärtsgekommen. Dabei bliebt uns gar nichts anderes übrig, als uns auf die Walze zu verlassen... So gesehen war es das Armeekorps, das wertvolle Zeit vergeudet und das Leben der Eldia aufs Spiel gesetzt hat. Kein Wunder also, dass viele Soldaten so denken. Aber der Auslöser war der Plan des Führungsstabs, den Urtitanen von Eren auf einen anderen zu übertragen. Und zwar ohne uns zu informieren."

Ich zuckte zusammen.
„Was?" , flüsterte ich ganz leise, wobei ich in die Runde sah. Von diesem Plan hatte ich noch nie gehört.

„Es war nicht schwer, sich auszumalen, was passiert wäre, wenn wir das getan hätten... Und ein Großteil der Jäger-Fraktion stammt aus dem Aufklärungstrupp. Übernehmen sie die Verantwortung dafür, Kommandantin Hanji?"

Meine Hände ballten sich bei den Worten der Militärpolizei zu Fäusten, während mein Puls in die Höhe sprang. Der Aufklärungstrupp wurde, wie erwartet, in die Zange genommen. Auch wenn ich die anderen Soldaten verstand - immerhin stammten sowohl Eren als auch Flocke aus unseren Reihen - es schmerzte tief in mir, solch eine Situation ertragen zu müssen.

Was hatten wir alles getan, um dieses Volk und damit auch unsere Kameraden die Freiheit zu zeigen. Was alles erduldet, um in die Welt hinauszukönnen. Während sie alle sich hinter den Mauern versteckt hatten, hatten wir unseren Freunden beim Sterben zugesehen. Während sie abgewartet hatten, welche neue Erkenntnis Erwin zu ihnen bringen würde, hatten wir Titanen bekämpft und so manchen Teil unserer Seele dabei geopfert.

Es war nicht fair. Dieses Gespräch war einfach nicht fair.

„Eine Unterwanderung des Militärs kann niemals an einer einzelnen Person festgemacht werden..." ,rief ich wütend aus. „Zudem hat der Aufklärungstrupp in den letzten Jahren Großes geleistet. Ihre Vorwürfe sind also mehr als geschmackslos!"

Ich konnte mich einfach nicht mehr zurückhalten. Auch wenn Hanji die Verantwortung für einen gewissen Ablauf trug, hatten einige Entscheidungen zu der jetzigen Situation geführt. Entscheidungen, die wir teilweise noch nicht einmal beeinflussen konnten. Die Kränkung unseres Trupps und die damit verbundene Demütigung all unserer Kameraden konnte ich nicht so stehen lassen.

Doch Hanji hob nur eine Hand, um mich abzubremsen. Sie sah kurz zu mir zurück und lächelte, so als wollte sie mir sagen, dass dieser Vorwurf nicht mein Problem war.

„Ich akzeptiere jede Strafe. Aber es gäbe nichts Unverantwortlicheres, als mich jetzt aus dem Korps zu entfernen. Zumal wir nicht wissen, wie viele Soldaten der Jäger-Fraktion sich noch in welcher Division verbergen" ,meinte sie ruhig.

„Richtig, vielleicht steht einer gerade vor mir." ,rief ihr Gegenüber aus.

Ein lauter Knall ließ plötzlich den Raum verstummen.
„Genug jetzt! Nicht vor unserem Gast!" ,befahl Kommandant Pixies, welcher mit einer Gruppe an Soldaten das Zimmer betrat. „Wir können uns jetzt keinen Streit leisten! Hanji, wie viele Leute wissen, wo Sieg festgehalten wird?"

„Levi und knapp 30 Soldaten, die ihn bewachen, drei weitere für ihre Versorgung und Kommunikation sowie ich und -dN-" , berichtete meine Kommandantin ohne zu zögern.

„Gut, dann werdet ihr, -dN-, jetzt meinem Befehl folgen!"

Ich sah zu Pixies, blickte in dieses vertraute Gesicht und nickte, nachdem Hanji mir ein Zeichen gegeben hatte.
„Was ist euer Plan?" ,fragte ich, während ich auf ihn zuging.
„Nun, nichts schweres und für euch eigentlich sogar eine Verschwendung... Aber ihr müsst dem Hauptgefreiten von der Gefahr berichten! Bereitet mit ihm alles vor, um der Jäger-Fraktion bei Ankunft eine freundliche Begrüßung darzubieten! Falls ihr es schafft, solltet ihr das Lager räumen! Wir sollten einen Weg finden, die Titanenkräfte, so schnell es geht, anderen Personen einzuverleiben."

Mein Blick senkte sich. Ich atmete tief durch.
„In Ordnung..." ,seufzte ich. „Ich werde mich gleich auf den Weg machen..."

„Nun, da schicke ich euch schon zu eurem Mann und ihr seid gar nicht dankbar... Euch werde ich wohl niemals für meinen Trupp gewinnen..." ,lachte Pixies auf. Er klopfte mir auf die Schulter, bevor er sich an die Militärpolizei wandte.

„-dN-, du solltest sofort aufbrechen!" ,rief Hanji nun. Sie kam auf mich zu, ihr Blick direkt in meine Augen gerichtet. „Ich verlasse mich auf dich. Levi muss von den Problemen, die hier herrschen, sofort erfahren!"
„Jawohl." ,meinte ich. Ich salutierte, sodass meine Kommandantin lachte.
„Pass auf dich auf!" ,verabschiedete sie mich, um sich daraufhin in die weiteren Gespräche einzumischen.

Meine Atem bebte, als ich losging. Meine Schritte führten mich nur zögerlich zu der Tür, die mir meinen Weg zu meinem Pferd eröffnen würde. Ich sah zurück, sah in die Gesichter meiner Kameraden, die so unglaublich sorgevoll wirkten. Wir alle mussten gerade viel Leid ertragen. Wir alle mussten den einen oder anderen Traum nun aufgeben, um gegen die jetzige Situation ankämpfen zu können. Ob Hanji, Mikasa, Armin oder ich – wir alle hatten heute einen Kameraden, vielleicht sogar einen Freund, verloren und einen neuen Feind vor Augen. Und wir mussten es ertragen, so wie wir die nun kommenden Konsequenzen aushalten mussten. Mein Treffen mit Levi wäre dabei keine Ausnahme.

Ich betrat den Stahl, in welchem Wolke auf mich wartete. Nachdem ich meine Ausrüstung angelegt hatte, sattelte ich sie eilig, strich ihr durch die Mähne und spornte sie bereits bei meinem Aufsteigen aggressiv an. Mir blieb keine Zeit. So schnell ich konnte, ritt ich mit ihr durch das Tor der Stadt. Wie von Pixies und Hanji befohlen, galoppierte ich über die Felder, um den Wald zu erreichen, in welchem Levi mit Sieg die letzten Tage verbracht hatte. Dort, im Schutz der Bäume, waren vielleicht unsere letzten Vertrauten in dieser sich selbst zermürbenden Armee. Und dort war er: Levi. Was sollte ich bloß sagen, wenn ich ihm gegenüberstehen würde? 

Grenzen vergessen Levi x ReaderDonde viven las historias. Descúbrelo ahora