69. Zusammenhalt

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Es dauert nicht lang bis Hanji gemeinsam mit Levi, Mikasa und Eren zu uns zurückkamen und uns von ihrem Fund erzählten. Eren hatte drei Bücher seines Vaters entdeckt, in welchem die Entstehungsgeschichte der Titanen sowie des gesamten Volkes Ümir beschrieben wurden. Auch das Leben in Marley hatte er niedergeschrieben und ein Foto beigefügt, welches Eren uns zeigte. Die Jugendlichen staunten.
„Wie ist so etwas möglich?" fragte Armin, der das Foto in der Hand hielt. Ich lachte.
„Das ist eine Fotographie. Dafür gibt es Geräte, vor die man sich stellt." erklärte ich, während ich die Hände unserer Gefangenen fesselte.
„Unglaublich..." riefen die Jugendlichen aus.
„Einer dieser Maschinen?" fragte Levi, der an mich herantrat.
„Etwas ähnliches..." meinte ich nur. Levi zog eines seiner Schwerter. Mit Schwung schlug er der Wandlerin ein Bein ab. Die Schwarzhaarige zuckte zusammen, blickte jedoch nicht auf. Sie wusste, dass dies bereits eine milde Vorgehensweise war. Sie hatte gesehen, zu was mich mein Hass getrieben hatte. Am Ende war es ihr Glück gewesen, dass Levi so schnell eingetroffen war und mich davon abgehalten hatte, sie vollkommen zu zerstückeln. Ich schluckte schwerfällig. In diesem Moment war ich im Wahn meiner Rachegelüste versunken und nicht mehr ich selbst gewesen. Seufzend sah ich zum Gefreiten auf, der sich genervt umschaute.
„Was glotzt ihr alle so?" fragte er die Jugendlichen, sodass ich unsicher an ihm vorbeisah, um die roten Gesichter zu entdecken.
„Sie wissen über uns Bescheid, Levi...." flüsterte ich und spürte nun selbst die Hitze in meinen Wangen. Levis Augen weiteten sich kurz, doch dann steckte er sein Schwert zurück und ignorierte die Situation.
„Packt alle Sachen zusammen! Wir brechen sobald wie möglich nach Trost auf!" befahl er seinem Trupp. Ein „Jawohl" hallte über die Mauer. Eilig packten die, die es konnten, an und brachten alles Nötige zu den Aufzügen. Auch Sasha transportierten sie so hinunter, um sie für die Reise auf einen Karren zu legen. Ich sah dem Trupp bei der Arbeit zu und überwachte Pieck, die wir als letztes hinunterfahren wollten.
„Jetzt hast du die Grünschnäbel total überfordert." beschwerte sich Levi, als er zu mir kam, um uns abzuholen. Ich fummelte an meinem Verband und starrte der untergehenden Sonne entgegen.
„Entschuldige. Ich hätte es gern dir überlassen, aber es wurde erraten... Da wusste ich nicht...."
„Schon gut. Hanji wollte es so. Es ist wahrscheinlich das einzige Aufmunternde, was sie grade verkünden konnte." unterbrach mich Levi. Ich nickte und sah dem Schlachtfeld entgegen. Die Titanen waren bereits verdampft. Nichts von diesen Monstern war übriggeblieben. Doch unsere Kameraden – sie alle lagen dort verstreut und tranken den Boden mit Blut, bis auch der letzte Tropfen ihren Körper verlassen würde. Heute Nacht würden wir sie zurücklassen und darauf hoffen, sie zu einem späteren Zeitpunkt bergen zu können. Wir würden sie verlassen und dennoch nicht vergessen. Ich seufzte. Von einigen dieser Opfer kannte ich noch nicht einmal den Namen. Sie waren grade erst rekrutiert worden und gehörten nun bereits der Vergangenheit an.
„Hier." Levi reichte mir drei Abzeichen des Aufklärungstrupps. Verwundert sah ich ihn an – sah in die Augen, die plötzlich so müde erschienen. „Sie stammen von deinem Trupp... Ich dachte, du willst sie aufheben." erklärte er. Vorsichtig griff ich danach. Meine Hand blieb kurz auf seiner. Ich presste meine Lippen zusammen und spürte die Traurigkeit in meinem Nacken. Auruo, Jens und Bastian – es waren ihre Abzeichen. Ihre Flügel der Freiheit. Doch am heutigen Tage wurden ihnen diese Flügel ausgerissen und mit ihnen ihr Leben genommen. Ein Schluchzen überkam mich. Levi seufzte kurz und umarmte mich. Unsicher drückte ich mein Gesicht auf seine Schulter. Da war er also: Dieser Moment der Erkenntnis darüber, dass es vorbei war. Ich gewährte meiner Traurigkeit die Einkehr in meine Seele. Ich wusste es war nicht das erste Mal, dass ich über den Verlust meiner Kameraden weinte und es würde auch nicht das letzte Mal sein. Doch es war ein Schritt, dieses Massaker zu ertragen. Ein Schritt, um es zu akzeptieren und trotzdem niemals zu vergessen. Levi lag seinen Kopf an meinen. Er strich mir durchs Haar und drückte meinen Körper an seinen. Mit meiner Nase berührte ich seinen Hals, der so warm war.
„Wir müssen los, -dN-!" flüsterte er, obwohl seine Hände etwas anderes sagten. Auch er brauchte nun diesen Trost. Diese Nähe, um das Leid zu ertragen. Doch uns blieb nicht die Zeit, es zu verarbeiten. Dieser kurze Moment konnte nur ein Schritt von vielen sein, die wir nun gemeinsam gehen würden, um am Ende unser Überleben und gleichzeitig den Tod der Anderen zu ertragen. Vorsichtig löste ich mich aus seinen Armen und nickte.
„Dann lass uns aufbrechen..."

Grenzen vergessen Levi x ReaderWhere stories live. Discover now