𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟚𝟙

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Es war zu spät, als Dag unten ankam. Er hatte versucht dem Wagen, in den Isabelle gebracht wurde, hinterherzurennen, schaffte es jedoch logischerweise nicht.

Katja kam mit einem Tuch zur Couch, auf der Dag, völlig fertig mit den Nerven, saß. Als er es endlich zugelassen hatte, dass man mit ihm reden konnte, nachdem er einen Heulkrampf nach dem anderen bekam.

Sie kniete sich zwischen seine Beine und säuberte seine Knie von Blut gemischt mit Dreck von der Straße, als er sich verzweifelt auf den Boden hatte fallen lassen.

Seine Fingerknöchel nahm sie sich dazwischen vor, denn die waren ebenso blutig, als er mit Wucht auf den Asphalt geschlagen hatte.

Er musste sie wirklich lieben ... auf irgendeine Weise machte sie das ein wenig eifersüchtig. Ihre Auffassung war, dass für sie selbst nicht mal ein Typ sein letztes Hemd geben würde, während Dag bereit war, für seine Freundin vor einen fahrenden Bus zu springen, wenn es nötig wäre.

... aber ...

Sie blickte zu Vincent, der gegen die Wand gelehnt stand.

Er hatte sich vor sie gestellt ... einfach, um sie zu schützen. Sie benötigte keinen Schutz, aber war das nicht irgendwie damit gleichzusetzen?

Ihm wäre es in dem Augenblick wohl scheinbar egal gewesen, ob er sich eine eingefangen hätte.

Just in dem Moment sah er zu ihr rüber und hob kurz die Mundwinkel an, ehe er wieder auf seinen besten Freund achtete, weil dieser mit ihm sprach.

»Los Vincent. Fahr mich zu ihr.« , befahl Dag im lauten Ton.

»Und dann?«

»Ich hol' sie wieder hierher. Zu mir. Da wo sie hingehört.«

Nach einer weiteren Diskussion, dass dies nichts bringen würde, weil unter dem Umstand bestimmt ihre Familie aufs Neue hier antanzen würde, stolzierte Sascha in Isabelles Zimmer und holte ihr Handy dort raus.

Er kontaktierte ihren Ex David, der noch in Köln lebte und mit dem sie weiterhin eine Freundschaft pflegte. Sascha informierte diesen erst einmal über den Vorfall, der soeben stattgefunden hatte.

Katja hatte schon davor gesagt, dass sie mitkommen würde. Ihr war klar, dass ihre Freundin dort nicht bleiben wollte, geschweige denn hingehörte ... und selbst wenn es ein immer wiederkehrendes Szenario mit sich ziehen würde, würden sie Isabelle nicht in Stich lassen.

Sie benötigte Hilfe.

Sie selbst hingegen, war keine Person, die Hilfe in Anspruch nahm. Wozu auch? Sie hat ihren Scheiß immer alleine hinbekommen.

Katjas Blick fiel abermals kurz zu Vincent, als Dag sich die Hose hochzog und ein T-Shirt anzog.

Nun war sie ein wenig gekränkt. Sah sie etwa so hilflos aus, das er meinte sie beschützen zu müssen? Das hatte er schließlich auch damals getan, als sie an der Bushaltestelle saß.

Sie musste ihm auf jeden Fall nochmal klar machen, dass sie keine verängstigte Prinzessin war. Freundschaft hin oder her, aber bisher hatte sie ihre Dinge immer alleine geregelt bekommen, ohne das jemand meinte den Ritter in glänzender Rüstung zu spielen.

Nachdem sie sich geeinigt hatten das Katja mit den Jungs zusammenhinfahren würde, telefonierte Vincent rum, um ein Auto zu klären. Denn der Wagen seines Vaters war definitiv nicht ausreichend für fünf Personen, wenn sie Isabelle mitzählten.

»Ja, das wäre toll, wenn es klappt ... nein, du musst doch nicht mit ... nein ... Andi wir bekommen das auch ohne deine Hilfe hin ... ja ... ja, bis gleich.« Er legte auf und sah zu Katja, die auf der Brüstung saß, während er auf einem der Balkonmöbel platzgenommen hatte.

»Und?« , fragte sie.

»Er holt den VW Bus seines Bruders und kommt dann her. Der ist auf jeden Fall groß genug.«

»Das ist gut.«

»Hast du das echt nicht gewusst ... also über Isabelles Familie? Wie die drauf sind, meine ich.«

»Nein.« , antwortete sie. »Ich glaube auch nicht, das diese auf irgendeine Art und Weise relevant gewesen wäre.«

»Nein. Da hast du ja auch Recht, aber ... redet ihr nicht so ... über alles? Mädchenzeugs?«

»Familie ist Mädchenzeugs?«

»Nein, ich meinte generell. Dag weiß alles über mich und ich über ihn.«

»Isabelle weiß nicht alles über mich und ... das muss sie auch nicht. Es macht mich nicht zu einer anderen Person, wenn sie mehr aus meiner Vergangenheit erfährt.«

Und doch würde es das ... Und davor hatte Katja Panik.

»Nein. Da hast du ja auch Recht ...« , wiederholte er sich abermals. »... aber ... man vertraut sich doch einem Freund an. Das mit ihrer Familie muss ihr ja auch irgendwie ... also ich dachte, man redet halt, wenn es einem scheiße geht.«

Sie sah ihn angestrengt an. »Spielst du mir gerade den Ball zu, wegen der Sache mit Pierre?«

»Ich meinte nur, das es vielleicht guttut, wenn man über seine Probleme spricht.«

»Mir geht es gut. Egal, was war, es ist meine Angelegenheit und nicht die meiner Freunde.«

Vincents Augenbrauen zogen sich zusammen. »Bist du ... bist du irgendwie sauer auf mich?«

»Nein, aber ich bin nicht Isabelle, okay. Ich bin nicht die kleine süße Maus, die wartet bis sie jemand aus dem Turm befreit. Sie ist sie, ich bin ich. Für sie ist das alles okay so. Märchenprinz, der für sie Drachen bezwingt. Der Kuss der wahren Liebe ... aber ich ... ich benötige das nicht ...«

»Hab ich das behauptet?« , unterbrach er sie und fing sich sofort einen bösen Blick ein, der ihn ein wenig daran erinnerte, was er vor ihrem ersten Gespräch von ihr gehalten hatte.

»Nein, aber ... ach scheiß drauf. Tu mir bitte einen Gefallen ...« , sagte sie und sprang von der Brüstung runter. »... lass mich meine Kämpfe alleine führen.«

»Ey können wir unten warten? Du hast doch bestimmt ein größeres Auto beschaffen können, oder?« , fragte Dag, der wie so oft seinen Kopf nur zeigte, als er auf den Balkon linste.

»Ja.« Vincent stand nun ebenfalls auf. »Andi kommt her und wir bekommen Christians Bus.«

»Gut.« Der Lockenkopf eilte direkt schonmal bis zur Haustüre.

Katja sah Vincent ein wenig schuldbewusst an. Sie wollte ihn nicht anpflaumen. Sie wollte ihm nur noch mal klar machen, wer sie ist. »Ich ... es tut mir leid. Lass uns nicht streiten, Großer, okay?!« Sie lächelte ihn an.

»Ich hab keinen Streit mit dir.« , sagte er und lächelte zurück. »Ich weiß, wer du bist. Ich kenn' dich.«

Sie lächelte ein wenig mehr und ging zuerst rein.

Katja wusste, dass er nur einen Teil kannte, denn nie würde sie jemandem ihr komplettes Ich zeigen. Dennoch fand sie seine Aussage ... entgegenkommend.

Das Leben war voll einfach Mann, als ich Mädchen noch Scheisse fandWhere stories live. Discover now