𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟟𝟛

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Als Vincent am nächsten Morgen wach wurde, lag Katja nicht neben ihm. Er hörte sie jedoch in der Küche hantieren.

Er streckte sich und stand schließlich auf.

»Was machst du?« , fragte er.

»Prjaniki.« , sagte sie und sah ihn dabei nicht an, während sie ein Backblech mit fertigen Gebäcken aus dem Ofen holte und die nächste Ladung vorbereitete.

»Was ist das?« Er stellte sich hinter sie und legte seinen Kopf auf ihrer Schulter ab.

Sie hörte auf, den neuen Teig auszurollen.

Diese Nähe ... deswegen hatte sie nachts auch keinen Schlaf gefunden.

In ihr löste dies eine Beklemmung aus, nachdem er diesen Satz gesagt hatte.

»Ähnlich wie ... Lebkuchen.«

»Bei dir schneit es wohl.« , witzelte er, da der Dezember noch in der Ferne lag. Er griff nach einem der Prjanikis und verbrannte sich dabei.

Katja musste ein wenig lachen, bis sie sich durch Gedanken selbst wieder in die Realität zurückholte.

Es war vorbei ...

So konnte es nicht weiterlaufen.

Sie hatte so lange gegrübelt ...

In welchem Grad Vincent gut und einfühlsam sein konnte, Katja konnte es nicht zulassen, dass es ... komplizierter wurde.

Die beste Lösung, die sie finden konnte, war, dass er ihr emotional nicht näher kommen durfte.

Anders ging es nicht.

Sie merkte, wie sie mehr und mehr Panik bekam, umso weiter sie darüber nachdachte.

»Was machen wir heute?« , fragte er und ging an den Kühlschrank.

»Keine Ahnung, was du machen wirst. Ich ... ich habe etwas vor.« Im Grunde log sie nicht, denn sie backte nicht umsonst. Sie hatte vor, bei ihrer Oma vorbeizuschauen, die sich immer freute, wenn sie in der Küche gestanden hatte. Die Prjanikis hatte sie verfeinert. Auch das beglückte sie, weil sie diesbezüglich ebenso gern experimentierte.

Jedoch war es in einfachen Worten eine Art für sie, Vincent aus dem Weg zu gehen.

In Hollywoodstreifen landet man nach einem stürmischen, nervenzerreißenden Start am Ende immer beim perfekten Partner, in einer perfekten Beziehung, mit Haus, Kinder, lachend im Park. Verliebt in den Moment für eine endlose Zeit.

Doch das Leben war kein Film.

Sie stand hier, starrte auf den Teig und hatte eine lähmende Angst vor dem, was er im Grunde nur im Schlaf genuschelt hatte.

Was eventuell doch nichts bedeutete ... aber irgendwas tief in ihr flüsterte ihr zu, das er dies zwar unterbewusst gesagt hatte, und dennoch real war.

Sie bemerkte es an der Art, wie er sie ansah ... was er für sie tat ... wie er mit ihr schlief ...

»Den ganzen Tag?« , fragte er.

Sie nickte. »Und den Abend.«

»Okay, dann ... dann warte ich hier. Wir müssen den Film noch weiterschauen.«

»Nein. Ist okay. Den ... den habe ich zu Ende geschaut.«

Er runzelte die Stirn. »Ist ... alles okay?«

»Frag nicht immer.« , meinte sie mit erhobener Stimme. »Hör auf dir wieder und wieder Sorgen, um mich zu machen.« Es tat ihr sofort leid, wie sie gesprochen hatte, aber es war besser.

Besser für sie ... und für ihn.

»Hab ich ... hab ich irgendwas getan?« Völlig konfus sah er sie an.

Was war los mit ihr?

Gestern als sie nach Hause gekommen waren, hatte sich alles noch so aussichtsreich angehört und jetzt ... sie hatte die Krallen ausgefahren.

Wie eine Straßenkatze, der man eigentlich nur Gutes wollte, fauchte sie einen an.

»Bin ich dein Projekt, oder was?«

»Was?« Sein Blick wirkte von Mal zu Mal mehr derangierter.

»Ja denkst du, du musst mir durch den Alltag helfen? Seh' ich für dich aus wie ein Pflegefall?« Er bemerkte das Zittern in ihrer Stimme. »Ich hab auch vor deiner Bekanntschaft jeden Tag überstanden.«

Vincent sah ihr nach, wie sie ins Badezimmer ging und die Türe zuknallte.

Womöglich hatte sie ihre Periode?!

Ja, das könnte es sein.

Weiber waren doch immer dann ein wenig aggressiv.

Wie verdammt einfach sein Leben doch war, als er Mädchen noch scheiße fand.

Katja schloss die Türe ab, damit er nicht auf die Idee kam, ihr nachzurennen.

Als sie sicher war, dass er auch nicht an die Tür klopfte, sank sie mit dem Rücken an der Wand zu Boden und weinte.

Leise, aber dennoch intensiv musste sie die gestauten Emotionen herauslassen.

Es tat ihr in der Seele weh, was sie hier abzog. Trotz alledem konnte sie es nicht riskieren, dass er sich wahrlich verliebte.

Er hatte alles kaputt gemacht.

Der Gedanke, fortan ohne ihn klar kommen zu müssen ... oder schlimmer, ihn zu sehen und zu wissen, dass sie ihm nie wieder nahe sein konnte ... egal auf welche Art ... bereitete ihr Schmerzen, die sie vorher nie gekannt hatte.

Sie musste weg.

Katja konnte nicht in seiner unmittelbaren Nähe bleiben.

Sie würde daran zugrunde gehen. Das spürte sie.

Sie hatte es kaputt gemacht. Nicht er.

Katja war die Schuldige, weil sie ihn einfach zu Nahe an sich rangelassen hatte. Es war nur Sex gewesen und dennoch hatte sie alles mit ihm genossen. Das hätte niemals so weit ausarten dürfen.

Die Konsequenz musste sie ausbaden. Eine Strafe, die sie daran erinnern würde, wie sehr sie es versemmelt hatte.

Etwas, das sie tagtäglich ermahnen müsste, das sie nichts wert war.

Jemand, der sie so behandelte, wie sie es verdiente.

Sie stand auf und ging an das Becken, um einen Blick in den Spiegel zu riskieren.

Ihre Wahrnehmung täuschte sie abermals und sie erblickte für einen Moment ein verzerrtes Selbstbild.

Sie war das Opfer. Sie war schon immer ein Opfer gewesen.

Es war ihre Rolle im Leben. Damit musste sie sich abfinden.

Ihre Welt fühlte sich plötzlich klein und farblos an.

Dies war kein Hollywoodstreifen.

Das war die scheiß verfickte Realität.

Das Leben war voll einfach Mann, als ich Mädchen noch Scheisse fandWhere stories live. Discover now