𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟙𝟙𝟛

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2005

Obwohl Vincent Katjas Eltern bereits kurz auf der Beerdigung dieses Wichsers, der sie um ihre Kindheit beraubt hatte, kennenlernte, war seine Freundin einer weiteren Vorstellung in Sachen Beziehung bisher aus dem Wege gegangen.

Wohingegen er seine Auserwählte längst seinen Eltern vorgestellt hatte. Entgegen den Erwartungen mochten sie die lebhafte bestimmende Blondine sehr.

Seine Mutter meinte sogar, sie würde ihm mehr als guttun. Was er noch weniger erwartet hätte, ihn aber umso mehr freute.

Oma, wie er mittlerweile Katjas Großmutter auf ihren Wunsch hin auch nennen sollte, hatte ihn ins Herz geschlossen, falls er alles richtig deutete.

Er war ihr persönliches Taxi, sie bekochte ihn, als würde sie ihn mästen und sie nahm ihn sogar, nicht gerade selten, in Schutz, wenn ihre engelsgleiche Enkelin mal wieder einen Tobsuchtsanfall wegen Kleinigkeiten bekam.

Dies geschah in letzter Zeit öfters. Er wusste, dass es daran lag, dass sie nervös war ihn als ihren Freund vorzustellen.

Auch wenn er es gern wollte, weil er es als normal empfand, kam er ihr entgegen und schob es für sie ebenso weiter hinaus.

Bis auf den heutigen Tag.

Katja war eh eingeladen, da der Geburtstag ihrer Mutter anstand.

Dementsprechend waren sie nun zu dritt auf dem Weg dahin. Denn auch ihre Oma gehörte natürlich zu den Gästen. Jene saß auf dem Beifahrersitz, während die Blondine hinten saß und nervös auf ihrer Unterlippe kaute.

Vincent hatte einen Blumenstrauß und Pralinen für Katjas Mutter geholt. Schließlich wollte er nicht ohne Präsent dort antanzen. Obgleich ihn das die ganze Zeit beschäftigt hatte, inwieweit diese Kleinigkeit auch gut ankommen könnte, war es jetzt seine Freundin und ihr Befinden, was ihn mehr Sorgen bereitete.

Seine rechte Hand ging nach hinten und er streichelte sanft über ihre, ehe er zugriff.

Die komplette Fahrt über hatte er nicht losgelassen und sogar mit der anderen Hand geschaltet, weshalb er sich immer wieder böse Blicke von Oma eingefangen hatte. Aber er hatte, einfach ausgedrückt, direkt bemerkt, dass Katja es benötigte.

»Mein Vater ist auch schon da.« , sagte seine Freundin, als er parkte und sie auf einen Suzuki Ignis zeigte.

Vincent hielt der älteren Katjuschka die Autotüre auf, dann ging er zu Katja. »Hey, es wird schon gut ablaufen.« , sagte er.

»Ich ... ich hab ihnen noch nichts von dir erzählt.« , beichtete sie.

»Wie?«

»Sie wissen nicht, das ich in Begleitung komme.«

»Oh ... ehm ... okay.« Vincent nahm es so hin, weil ihn gerade auch keine Frage einfallen wollte, wieso sie nichts gesagt hatte.

Zu dritt steuerten sie das Acht-Parteien-Wohnhaus an. Ein wenig unbehaglich war ihm nun doch, weil er nicht wusste, wie er sich vorstellen sollte.

Das Surren ließ die Türe von alleine öffnen und sie betraten den Hausflur, um direkt eine Etage höher zu gehen und die rechte Wohnung anzusteuern.

»Es ist Katja.« , rief ein Mädchen Anfang zwanzig in die Behausung hinein, statt alle zu begrüßen.

Sie hatte minimale Ähnlichkeit mit Katja. Auf jeden Fall konnte man die Verwandtschaft nicht leugnen.

Oma wurde jedoch von dem Mädchen mit einer Umarmung und einen Schmatzer auf die Wange begrüßt. »Wir dachten schon, Katja kommt nicht mehr und du müsstest zu Hause versauern.«

»Katja hat diese Uhrzeit genannt bekommen. Folglich ist Katja nicht zu spät.« , antwortete die Blondine mit so viel Sarkasmus in der Tonlage, das Oma ein wenig Grinsen musste.

Das Mädchen sah sie nur kurz an und ging dann den langen Flur entlang.

Katja nahm Vincents Jacke und hing diese an die Garderobe, während sie ihre ebenso anbrachte. Ihre Oma wollte ihre anbehalten und schlurfte voran, wo man direkt kurz danach hören konnte, wie sie herzlich begrüßt wurde.

»Das war meine Cousine Irina.« , sprach seine Freundin leiser. »Sie hält sich für das elfte Weltwunder. Und genauso wird sie auch behandelt.« Sie atmete tief ein, nahm Vincent an die Hand und ging schließlich mit ihm den Flur entlang.

An einem großen langen Tisch saßen mehrere Leute, die alle zeitgleich zu ihnen sahen.

»Herzlichen Glückwunsch.« , sagte sie zu ihrer Mutter, als diese sichtlich irritiert und mit Blick auf Vincent näher kam.

Sie umarmte ihre Tochter.

»Herzlichen Glückwunsch.« , sagte nun auch Vincent und übergab ihr die Blumen und die Pralinen.

»Danke.« Ihre Miene blieb, als sie die Sachen annahm.

»Du erinnerst dich an ihn?« , begann Katja, als sie mit Vincent zwei leere Plätze ansteuerte.

»Ja ... dein ... bester Freund, sagtest du.«

»Na ja, also mittlerweile ist er ... mehr.«

Katjas Vater, den er ebenso noch erkannte und ihm schräg gegenüber saß, stand auf und reichte Vincent die Hand. »Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen.«

»Danke. Gleichfalls.«

»Du warst damals mit ihm bei der Beisetzung.« Katja hatte das Gefühl, die Fältchen auf der Stirn ihrer Mutter wurden von Mal zu Mal ausgeprägter.

»Du hast ein gutes Gedächtnis.« Wieder diese sarkastische Bemerkung seiner Freundin. Vincent konnte sich jedoch denken, wieso, denn ihre Mutter hatte es irgendwie mehr mit dem Ton eines Vorwurfes statt einer normalen Feststellung klingen lassen.

»Katjuschka, ist er der Grund, weshalb du Pierre verlassen hast?« Da kam die Frage, die ihr wohl direkt auf der Zunge gelegen hatte. »Er war so ein netter Kerl und du ... du warst mit dem hier schon unterwegs, als ... bist du ihm fremdgegangen?«

Alle Blicke waren auf Katja gerichtet.

Langsam verstand Vincent, wieso seine Freundin dieses Treffen solange nicht wollte.

»Aleksandra.« , sprach die Älteste im Raum. »Wir feiern hier deinen Geburtstag und sind nicht vor Gericht.«

»Nein Mutter, warte. Hast du nicht gesagt, er wäre ... schwul?«

»Das war deine Behauptung. Ich hatte einfach keine Lust, mich dir zu erklären.«

»Mich mir zu erklären? Du hattest einen netten jungen Mann an deiner Seite, den du allen Anschein nach verarscht hast. Und jetzt spazierst du hier mit dem anderen an, als wäre es das Normalste der Welt.«

»Es ist das Normalste der Welt. Pierre war ein ... Arschloch wäre noch untertrieben diese Person zu bezeichnen und Vincent ... Vincent ist ... ich liebe ihn. Okay?! Könnten wir jetzt den Kuchen essen.«

»Ich hab eine sehr gute Menschenkenntnis und Pierre war immer höflich und ...«

Katja sprang auf die Beine. »Eine gute Menschenkenntnis?« , schrie sie. »Du hast von nichts eine Ahnung. Pierre war ein Psychopath, der vor euch eine perfekte Show abgelegt hat, auf die ihr allesamt reingefallen seid. Du hast mich obendrein als Kind tagtäglich zu einem ...« Sie stoppte ab. So weit wollte sie nicht in die Vergangenheit reisen. Langsam setzte sie sich wieder hin.

»Ehm ...« , begann Vincent. »Also ... ich liebe Ihre Tochter und ich kann Ihnen sagen, das ich ...«

»Das finde ich auch nett.« , unterbrach Aleksandra ihn. »Sie kommen mir jetzt auch nicht als Unmensch rüber. Auch wenn meine Tochter jetzt meinte mich belehren zu müssen, dass ich keinerlei Weitblick besitze, aber Katjuschka ist sehr flatterhaft. Genießen Sie die Zeit mit ihr, aber auf ewig wird das nichts werden. Außer das sie Ihnen irgendwann das Herz herausreißen wird, wenn sie keine Lust mehr auf Sie hat.« Sie lächelte nun in die Runde. »Genug für heute. Will jemand Kuchen?«

Katja stand auf. »Guten Hunger. Ich will euch euer Essen nicht verderben mit meiner Sprunghaftigkeit.« , sagte sie und ging weg.

Vincent wartete auch nicht lange und sprintete ihr hinterher. Sie nahm ihre Jacke, sowie seine und verließ mit ihm gemeinsam die Wohnung.

Das Leben war voll einfach Mann, als ich Mädchen noch Scheisse fandWhere stories live. Discover now