𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟞𝟙

75 13 0
                                    

Vincent fuhr durch die Straßen Berlins. Immer noch auf der Suche nach Dag.

Isabelle, die sich schreckliche Vorwürfe gemacht hatte, hatte er vorhin in der WG abgesetzt. Ihr nervöses Schluchzen und Nase hochziehen, war einfach zu viel für ihn.

Er wollte sich konzentrieren. Nachdenken, wo Dag wohl stecken könnte. Und dafür benötigte er Ruhe.

Wie konnte Isabelle überhaupt so einen Schwachsinn glauben?! Er verstand, weshalb sein bester Freund alleine sein musste. Er überlegte mit Sicherheit, was er Falsches getan hatte.

Irgendwie war er in der Hinsicht minuziös wie Dag. Denn auch er grübelte zeitgleich noch immer, was Katjas Problem gewesen war.

Als hätte sie gewusst, dass er über sie nachdachte, rief sie ihn auf die Sekunde genau an.

Er ging dran, stellte auf laut und legte das Handy auf den Beifahrersitz. »Ja?«

»Und?« , fragte sie.

»Nichts.« , antwortete er und fuhr in eine Einbahnstraße hinein.

»Er kann sich ja nicht in Luft aufgelöst haben.«

»Ist mir klar Katja. Deswegen suche ich ja auch weiter. Irgendwo wird er schon sein.« Er hatte auf der Zunge liegen bei ihr nachzuhorchen, ob alles in Ordnung wäre, als er hart auf die Bremse drückte. Denn eine getigerte Katze spazierte gemütlich über die Fahrbahn.

»Vincent?«

»Ja.« , sagte er, mit viel zu schnell pochendem Herzen, das durch den Stubentiger ausgelöst wurde.

»Wenn du ihn gefunden hast ... treffen wir zwei uns dann? Irgendwo ... was essen?«

»Ehm ... klar ... ich ... ich melde mich.« Er legte auf.

Wollte sie inzwischen vielleicht doch mit ihm reden? Nun bekam er ein bisschen Bammel.

Hatte er vorhin noch gern gewusst, um was es ging, machte ihn jetzt der Gedanken, dass sie eventuell doch mit der Sprache herausrücken könnte, nervös.

Er versuchte, sich an ihre Stimmlage zu erinnern, als er weiterfuhr.

War sie ... angepisst? Oder extra freundlich? Hatte sie zuckersüß gesprochen?

Das konnte Katja zumindest gut. Richtig lieblich reden, dabei tobte ein Orkan in ihrem Inneren.

Wenn er ein Schlagerstar wäre, würde diese Frau ihn zu den besten Texten inspirieren. Sie schaffte es das ... ja, in seinem Kopf war eine Achterbahn. Auf und Ab. Ein paar Kurven brachte sie zusätzlich mit.

Jetzt schmunzelte er.

Sie war schon 'ne Granate. Er dachte an Oliver. Irgendwie hätte er in seiner Anwesenheit gerne angegeben, was er doch für eine hübsche ...

Er runzelte die Stirn.

Was war sie genau für ihn?

Was hätte er sagen sollen?

Das er mit ihr schlief, fand er ... zu abwertend. Sie war schließlich nicht sein Betthäschen, das er nach Belieben durch die Betten scheuchte.

Sie war seine beste Freundin. Aber wie hätte sich das angehört?!

~ Hey Oli. Meine beste Freundin ist ein Geschoss, da fallen dir die Augen aus. ~

Vincent schüttelte den Kopf.

Wie schwachsinnig.

Sie war mehr.

Seine Augen wurden groß.

Hatte er das jetzt wirklich gedacht?

Vincent ging wieder auf die Bremse, als er fast eine rote Ampel übersah, durch seine wirren Anschauungen.

Empfand er wahrlich ... mehr für sie?

Das Lichtsignal wechselte auf Grün und er stellte das Radio an, um sich abzulenken.

»Echt jetzt?« , sagte er laut zu dem Rundfunksender, der gerade 1000 und 1 Nacht von Klaus Lage abspielte. Schnell schaltete er das Teil wieder aus und sang dann innerlich den Text des Liedes.

Danke für den Ohrwurm ...

... und diese Gedanken.

Aber im Grunde war es doch nicht falsch, wenn er so dachte. Natürlich war Katja mehr für ihn. Sie war schließlich keine x-Beliebige, die er sich zwischen Tür und Angel geklärt hatte.

Also war daran doch nichts Verwerfliches, wenn er mehr in ihr sah.

Mehr bedeutete ja nicht ... mehr.

Also ... mehr, mehr.

Mehr.

Er runzelte erneut die Stirn.

So kompliziert war es doch nicht. Es war mehr. Aber halt nicht dieses ... typische mehr.

Nicht das, was Dag und Isabelle hatten.

Es war ...

»Gottverdammt.« , schrie er erschrocken auf, als diese Katze von vorhin auf die Motorhaube sprang.

Er musste aufhören, sich davon ablenken zu lassen. Es gab gerade Wichtigeres. Schließlich war Dag noch immer verschwunden und ging auch nicht an sein beschissenes Handy.

Ganz zu schweigen ... Isabelle. Die sich bereits das Schlimmste ausmalte.

Doch wo sollte er noch suchen? Vincent war längst an allen Orten, wo er hätte sein können.

Auch wenn er nicht gerne aufgab, hielt er es für das Beste erst einmal zurückzufahren. Vielleicht war Isabelle mittlerweile noch was eingefallen. Oder der Idiot war schon längst wieder da und vor lauter Zweisamkeit hatten sie mal wiederum vergessen, daran zu denken, dass er wie ein Blödmann durch die Straßen fuhr.

Das fand er realistisch.

Die zwei vergaßen schließlich immer alles um sie herum, wenn sie sich gegenseitig vernaschten.

Vincent steuerte auch direkt den Weg an, der ihn zum gewünschten Ort bringen sollte.

Katja schrieb zwischenzeitlich, dass sie mit Hannah gegangen war und am Kiosk zwei Straßen weiter auf ihn warten würde.

Was seine Theorie, das Dag in der WG war, zerwarf. Trotzdem fuhr er weiterhin diese Strecke, parkte und stieg aus.

Er hoffte irgendwie, dass Isabelle vielleicht noch etwas eingefallen war, denn er war komplett ratlos. Allerdings machte er sich nun wieder Gedanken, wie sie wohl reagieren würde, wenn er jetzt ohne Dag dort ...

»Dag?« Derangiert starrte er seinen besten Freund an, als dieser aus Andis Bar schlurfte Richtung Aufenthaltsraum. »Hängst du schon die ganze Zeit über hier?«

Der Lockenkopf zeigte auf den Raum vor ihm. »Ich war ... hier.«

Vincent rollte mit den Augen. »Wir suchen dich überall. Ich bin durch die halbe Stadt gefahren.«

»Oh.« Dag fasste an seinen Hinterkopf. »Tut mir leid. Ich ... ich musste allein sein.«

»Ja. So weit war ich auch schon. Jetzt komm.« Er betrat die erste Stufe, doch sein Freund blieb stehen. »Komm jetzt Dag. Isabelle ist total in Sorge wegen dir.«

»Das wollt' ich nich'.«

»Ich weiß.«

»Ich meine ... was hab' ich getan, das sie so etwas Schlimmes von mir denkt?«

»Das sind Weiber. Die muss man nicht verstehen. Die denken immer viel zu viel und zusätzlich falsch.«

»Aber ...«

»Nein, kein aber. Schwing deinen Arsch jetzt da hoch und rede mit ihr.«

Dag nickte. Vincent nahm ihm den Schlüssel für den Raum ab und ging voraus.

Eine Hürde wäre geschafft.

Das Leben war voll einfach Mann, als ich Mädchen noch Scheisse fandWhere stories live. Discover now