𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟞𝟡

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Dags Geschenk für Isabelle war ein voller Erfolg.

Seine Freundin konnte es kaum erwarten, mit ihm ungestörte Zweisamkeit in Paris zu verbringen.

Vincent hatte beide soeben zum Hauptbahnhof gebracht und suchte nun einen Parkplatz vor dem Wohnhaus der WG.

Mit Katja wollte er heute Essen gehen ... vielleicht auch ins Kino. Sie einfach auf andere Gedanken bringen. Ihm war nämlich aufgefallen, dass sie ein wenig nachdenklich wirkte. Als hätte sie ... ein Problem.

Vincent war sich nicht sicher, was genau los war, aber er spürte es ehrlich gesagt.

Es war so, als würde er einem Häftling dabei zusehen, wie dieser gedanklich eine Flucht aus Alcatraz plante.

Hannah kam gerade aus der Wohnung, weshalb er nicht klingeln musste, als er oben ankam. »Wohin?«

»Ich hab voll den netten Typen kennengelernt und wir haben jetzt ein Date.« , lächelte sie.

»Um die Uhrzeit?« , fragte er und tauschte die Plätze mit ihr, als er in die Wohnung trat und sie wiederum in den Hausflur.

»Gibt es dafür Richtlinien?«

Er lachte. »Nein. Tagsüber ist besser. Da sind mehr Menschen unterwegs.«

»Ja habe ich mir auch gedacht. Zudem hast du doch auch gleich eins.« Sie zwinkerte ihm zu.

»Na ja ... das ... das ist etwas anderes.«

Hannah ging die Stufen hinab. »Ja klar.«

Vincent sah ihr kurz nach und schloss dann die Türe. Aus Katjas Zimmer hörte er Musik. Trotzdem klopfte er an und öffnete unter dem Umstand langsam den Eingang. »Kann ich rein?« , fragte er.

Katja, die sich gerade fertig machte und ein wenig Wimperntusche auftrug, sah ihn an und nickte.

Er ging zu ihrer Musikanlage und stellte diese geringfügig leiser, ehe er sich auf ihr Bett setzte. »Haste Bock auf Kino?«

»Jetzt?«

»Nein. Heute Abend.«

Sie zuckte mit den Schultern. »Was läuft'n derzeit?«

»The Day After tomorrow? Ist so ein ... Weltuntergangs-Film.«

»Nee.« Sie verzog ihr Gesicht.

»Was dann?«

»Mir egal. Such du aus.«

»The Day After Tomorrow?!« , begann er erneut und ein wenig mit Vorsicht zu sagen.

Sie runzelte die Stirn, als sie sich abermals umdrehte ... doch dann lächelte sie. »Okay. Wenn du den so gerne gucken willst.«

Was war los mit ihr? War sie doch wieder besser drauf?

Vincent lächelte ebenso und nickte. »Fein. Wäre das geklärt.«

Katja legte die Mascara weg und betrachtete sich nochmal im Spiegel. Heut war sie positiv gestimmt.

Sie würde mit ihren Eltern sprechen, dass sie nie vorgehabt hatte mit Pierre nach Kanada zu gehen. Ihr war klar, dass sie mit Sicherheit damit den Verdruss ihrer Familie mit sich ziehen würde, aber ... das war ihr immer noch lieber, als mit diesem Idioten in ein anderes Land zu reisen.

Sie akzeptierten ihre Tochter so oder so nicht. Es handelte nicht von fehlender Liebe. Ihre Eltern liebten sie, doch sie konnte machen, was sie wollte, es genügte nicht.

Selbst diese Beziehung mit Pierre wurde tagtäglich beleuchtet und mit surrealistischen Punkten bewertet.

In der Hinsicht waren ihre Eltern altmodisch. Irgendwie ... hängen geblieben.

Eine Frau hatte dafür zu sorgen, dass der Mann glücklich war.

Ende der Geschichte.

Als ob.

So war nicht mal ihre Oma gepolt.

Kochen, putzen, Kinder bekommen ...

Niemals von der schlechten Seite zeigen. Immer schön herausgeputzt, damit der Mann auch das Interesse nicht verlor. Stets lächeln, sodass er sich keine unnötigen Gedanken machen musste.

Ihre Mutter ermahnte sie mal, als sie zum Essen bei ihr eingeladen waren, dass sie aufhören sollte, so viel zu erzählen. Es waren schließlich Männer anwesend und deren Alltag hatte Vorrang.

Wie konnte ihre Mutter so werden?

Okay, sie selbst war auch nicht so geworden, wie ihre Eltern das gerne gehabt hätten, aber ... nie wurde ihr vorgelebt, man sollte einen Mann eine ihm nicht zukommende Bedeutung beimessen.

Sie sah in Vincents Augen, der ihr ihre Handtasche reichte.

Ihm hätte es auch nichts ausgemacht einen anderen Film zu gucken. Das wusste sie.

Pierre hingegen passte total in die Vorstellung ihrer Eltern.

Abgesehen von dem, was hinter geschlossenen Türen geschah.

... und das er nicht fähig war, Kinder zu zeugen.

Sie stellte sich kurz vor, wie ihre Eltern auf Vincent reagiert hätten, wenn sie nie ein Bild von Pierre gezeigt hätte und ihn hätte vorstellen können.

»Wir könnten auch gucken, ob irgendein Splatter läuft. Du liebst es ja, wenn es blutig wird.« , kam aus seinem Mund.

Sie schmunzelte. Er wusste auf welche Filme sie abfuhr, die er jedoch nicht allzu gern sah. Trotzdem würde er das in Kauf nehmen. Ihr zuliebe.

»Nee nee. Lass uns deinen Apokalypse-Film schauen.« Sie küsste ihn. »Den Nächsten suche ich aber aus.«

Ihr Handy klingelte.

Wieder mal ihre Mutter. Jetzt hätte der Zeitpunkt sein können, wo sie ihr von Pierre und Kanada und Katja-bleibt-in-Berlin erzählen können. Doch da Vincent anwesend war, wollte sie dies vertagen.

»Ja?« , ging sie trotzdem freudig dran.

Ihre Gesichtsmimik verdunkelte sich jedoch von Mal zu Mal mehr, als ihre Mutter sprach.

Vincent registrierte das und legte die Stirn in Falten, als er sie fragend ansah.

Katja drehte sich um, während sie weiter zuhörte. »Aber ... ich ... ich kann nich'.« , sagte sie in einer Tonlage, die er irgendwie noch nie vorher von ihr vernommen hatte.

Sie hörte sich so ... extrem ... verletzlich an.

Vincent stand auf und stellte sich hinter sie. Er legte seine Hand auf ihren Arm, doch sie zuckte weg.

Ihre Hand zitterte ungewöhnlich, als sie ihren Zeigefinger erhob und damit ein Nein deutete. »Ja. Ich ... ich ... ich schau' ... ja, ich weiß ... ja ... ich ... ich ... ich hab viel ... nein, ich weiß es doch ... ich ... ja ... ich muss los ... ich ... nein, ich melde mich.« Sie verabschiedete sich nicht einmal, sondern beendet abrupt das Gespräch mit ihrer Mutter.

»Was ist ...?« Er wollte direkt nachfragen, was los sei, doch Katja unterbrach ihn.

»Raus.«

»Was?« Irritiert sah er sie an.

Sie schubste ihn weg, als er näher trat. »Geh raus.«

»Ich ... was habe ich denn ge- ...? Was ist los?«

»Bitte.« , sagte sie hoch klingend und begann unerwartet Rotz und Wasser zu heulen.

Ein wenig überfordert mit den plötzlich eintretenden Emotionen ihrerseits nahm er sie in den Arm. Erst wehrte sie sich dagegen, bis sie schließlich nachgab und sich feste von ihm umarmen ließ.

Das Leben war voll einfach Mann, als ich Mädchen noch Scheisse fandМесто, где живут истории. Откройте их для себя