𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟡𝟟

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Vincent riss die Türe der Bar auf.

Endlich hatte er Dag gefunden, den er bereits gesucht hatte und der nicht an sein beschissenes Handy ging.

Irgendwie bestand Vincents Tagesablauf nur noch damit, Isabelle oder/und Dag zu suchen.

Den weiblichen Part hatte er bei Bekannten und sogar in Köln vermutet. Doch egal, wo er nachfragte, nirgends war sie. Er vertraute David sowie Sascha, dass sie sich am genannten Ort nicht aufhielt. Denn er hatte genauestens erzählt, wie dreckig es Dag derzeit ging.

Jenen fand er eigentlich immer dort vor, wo es Alkohol gab. Im Grunde war diese Suche leichter, auch wenn es Vincent abfuckte. Er kam sich vor, wie ein Elternteil das sein vermisstes Kind nach einer durchzechten Nacht in Berlin suchte.

»Hey Markus, der Wievielte ist das?« , rief er dem Barkeeper zu, als er auf Dag zeigte, dessen Kopf auf der Theke lag. Er konnte es sich bereits denken, dass es mit Sicherheit zu viel war, so wie sein bester Freund den Tresen vollsabberte.

»Keine Ahnung. Hab keine Strichliste geführt, aber der hat einiges intus.« , gab der Mittdreißiger mit Halbglatze desinteressiert von sich.

Vincent zog leicht an Dags Haaren, um ihn in die Höhe zu heben, und sah in sein Gesicht. Seine Augen waren halb geöffnet. Halbblind griff er demzufolge nach dem nächsten Kurzen, der er ansetzte und auf Ex hinunterkippte.

»Dag, es reicht, okay?!«

Doch sein Freund zeigte keine Reaktion darauf und bestellte lallend bei Markus eine weitere Runde. Aufgeschmissen nahm Vincent zwei Hocker neben Dag Platz. Seit drei Wochen ging das nun schon so.

Er war völlig ratlos. Selbst bei Hannah hatte er es mehrmals versucht, um von ihr den Aufenthaltsort von Isabelle herauszubekommen. Er hatte sie sogar observiert. Doch nichts hatte ihn auch nur ansatzweise ans Ziel gebracht.

»Hey Markus. Er bekommt nichts mehr. Es reicht jetzt.« , sagte Andi, der sich neben Vincent setzte.

»Aber der hat schon für sechs weitere Runden gezahlt.«

»Dann gib ihm das Geld wieder.« Markus maulte irgendwas vor sich her, als Andi ihm diese Anweisung gab. »Immer noch nicht besser?« , fragte der Inhaber Vincent, der somit nicht auf das Gemecker seines Mitarbeiters einging, und zeigte auf Dag.

»Nee. Das wird immer schlimmer.«

»Hätte ich gewusst, was abgeht, hätte ich ihn gar nicht erst gehen lassen.« Andi fühlte ein wenig Mitverantwortung, weil er Nicole die Möglichkeit gegeben hatte, mit Dag abzuhauen. »Ich hab' die Überwachungsbilder gesehen, bevor ich die der Polizei geben musste. Man sieht eindeutig, wie sie ihm mehrmals das Zeug verabreicht hat.«

»Mir war direkt klar, das er nichts aus freien Stücken getan hat.« , sagte Vincent.

»Es sah aber anders aus.«

»Ich weiß. Hannah hat mir das Video gezeigt, was Isabelle geschickt bekommen hat.« Er sah zu Dag, dessen Kopf wieder auf der Theke ruhte. »Wenn ich hiergeblieben wäre, wäre es auch nicht passiert.«

»Er hat sein Bett verbrannt, habe ich gehört.«

»Ja. Der hat das mit einer Axt zu Brei geschlagen und die Reste dann vor der Türe mit Alkohol angezündet.« , gab Vincent von sich. »Die Nachbarn haben die Polizei gerufen, weil der auch noch stark alkoholisiert war.«

»Ist ja bei ihm derzeit ein Dauer-Zustand.«

»Ich weiß.«

»Wo pennt er denn?«

»Auf der Couch, wenn er zu gar nichts mehr in der Lage ist, oder auf dem Boden ... dort wo Isabelles Seite war. Ich hab ihm aber ein neues Bett schon bestellt. Das kommt nur halt erst in circa sechs Wochen.«

»Sie hat ihre Sachen geholt, hat Hannah erzählt.« Andi orderte zwei Bier.

»Ja. Das hat ihm so den letzten KO-Schlag verpasst. Er rief mich direkt an, als er nach Hause kam und bemerkt hat, dass alles weg war. Dadurch hat er, glaube ich, erst mehr realisiert, dass sie nicht wiederkommen wird.«

»Wusstest du, dass sie eine Ex von Çan ist.«

»Wer?«

»Diese Nicole.« , informierte Andi. »Çan hat sie mal mitgebracht, als er versucht hat nach Wochen, hier wieder einzusteigen, als die Band sich komplett aufgelöst hat. Er dachte wohl, dass ich vergesse, was er hier abgezogen hat.«

Dag hob seinen Kopf und blinzelte in Vincents Richtung. »Ich glaub, ich muss kotzen.«

»Warte. Ich bringe dich.«

»Unterhaltet euch weiter. Ich bringe den schon.« , sagte Markus, der anscheinend Pluspunkte sammeln wollte, nachdem er vorhin Minus bei Andi gesammelt hatte, und ging um die Theke herum. Er stützte Dag und brachte ihn hinaus.

»Die Liebe ist das schönste und zeitgleich schlimmste Gefühl, was man empfinden kann.« , sprach Andi. »Ich glaube er weiß einfach nicht, ob er warten oder aufgeben soll.«

»Er wird nicht aufgeben. Er wird daran zugrunde gehen.« , äußerte sich Vincent daraufhin.

»Auch das größte Meer aus Tränen ist irgendwann leer geweint. Das würde zumindest meine Moni sagen.«

»Das heißt aber nicht, das er dadurch der Alte wird.«

»Nein, ändern können wir es jetzt eh nicht mehr, aber du musst dringend etwas tun, damit es ihm besser geht.« , sagte Andi, als Markus Dag wieder zurücktransportierte und dieser wie üblich seinen Kopf nach dem Sitzen direkt auf die Theke fallen ließ.

»Das Einzige, was helfen würde, wäre Isabelle.« Vincent nahm Dags Geld von Markus entgegen. »Ich kann nicht viel tun ... ich kann nur für ihn da sein. Mehr nicht.«

»Sicher, das sie noch in Berlin ist?« , wollte Andi wissen.

Er nickte. »Definitiv. Ich weiß nur nicht wo. Sie ist bei keinem unserer Freunde und wir haben alles gemeinsam gemacht. Es gibt niemanden, den sie kennen könnte, den wir nicht kennen. Ich war sogar bei Tina.«

Selbst die alte Bandkollegin von Dags Freundin war leichter in Hamburg ausfindig zu machen.

»Und was ist mit Katja?«

»Katja?« Fragend sah er Andi an. »Ich glaube nicht, das Isabelle bis nach Kanada abhaut, nur um Dag aus dem Wege zu gehen.«

»Sie ist doch wieder hier.«

»Was? Seit wann?« Eine Gänsehaut überfiel Vincents Körper. Er konnte gerade nicht glauben, was der Barbesitzer ihm hier mitteilte.

»Keine Ahnung. Aber schon etwas länger. Ich hab sie mal zufällig auf dem Markt getroffen.«

Vincent holte sein Handy raus, das prompt auf den Boden fiel, so nervös war er. Eilig stand er auf und untersuchte es fix, bevor er Katjas alte Nummer wählte, die er noch immer gespeichert hatte. »Scheiße.« , sagte er. »Sie muss 'ne Neue haben.«

»Ja aber Vince, denkst du ... Isabelle will gefunden werden?«

»Ja. Sie liebt ihn und auch wenn sie in dem Moment gedacht hat, sie müsste ihn fallen lassen, kenne ich sie. Isabelle bereut das zutiefst.« Vincent durchsuchte sein Handy nach Nummern, die ihm helfen könnten. »Und wenn sie wirklich bei Katja ist und die es nicht auf die Reihe bekommt, Isabelle den richtigen Weg zu lenken, muss ich es gemeinsam mit ihr machen. So wie damals, als die zwei es nicht auf die Reihe bekommen haben zueinanderzufinden.« Er wählte eine Nummer an. »Ich hab das einmal geschafft ... dann schaffe ich es auch ein zweites Mal.«

Das Leben war voll einfach Mann, als ich Mädchen noch Scheisse fandWhere stories live. Discover now