𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟡𝟡

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Vincent kam abgeschlafft zu Hause an. Es war irgendwann am frühen Tagesbeginn und er war in jeder Beziehung bettreif.

Sein heutiger Tagesablauf bestand darin, auf Dag aufzupassen, damit er nicht noch mehr hinunterkippte. Diesen musste er ergänzend zu Hause abzusetzen und zusätzlich bewachen, dass er nicht nochmal ausbüchsen konnte.

Vom Auto aus hatte er dann alles Weitere versucht, um den Anhaltspunkt auf Isabelles Unterschlupf gewahr zu werden.

Noch mit den Schuhen an den Füßen ließ er sich auf sein Bett fallen. Wie erwartet hatte er bisher keinen gefunden, der Katja getroffen hatte, oder zumindest wusste, wo sie sich hätte aufhalten können.

Langsam zweifelte er Andis Aussage an, denn Vincent war der Meinung, dass sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit bei ihnen gemeldet hätte, wenn sie hundertpro zurück in Berlin wäre.

Oder nicht?

Sein Handy klingelte heut zum hundertsten Male und er holte es genervt murmelnd hervor. Obwohl er ja auch froh war, dass einige Bekannte ihm ab und zu eine Rückmeldung gaben und sich ebenso umhörten.

Unterdrückte Nummer.

»Ja, hallo?«

Erst war es absolut leise. So leise, dass Vincent sein Hallo nochmal ausführte ... doch es blieb still, bis ... »Wie geht es ihm?«

Er fiel fast aus dem Bett, als er auf volle Geschwindigkeit in eine sitzende Position wechselte. »Isabelle, wo bist du?«

»Wie geht es ihm, Vince?« , wiederholte sie ihre Frage.

»Ihm geht es scheiße.« Sie sagte daraufhin nichts, weshalb er weitersprach. »Wie geht es dir denn?«

»Auch.« , antwortete sie leise.

»Du musst wiederkommen. Du weißt genauso gut wie ich, dass er dir nicht wehtun wollte. Andi hat das Videomaterial schon der Polizei ausgehändigt, da siehst du, das er vollkommen unter dem Einfluss von GHB war.« , sagte er, obwohl er von Hannah wusste, dass Isabelle die komplette Story bereits kannte. Trotz allem wollte er abermals auf die Unschuld seines besten Freundes hinweisen.

»Du verstehst das nicht. Er hat sie schon vorher zu nahe an sich rangelassen. Ich weiß, das sie ihm Zeug gegeben hat, aber er hat mir zuvor schon das Gefühl gegeben, das ich mir Sorgen machen muss, und das ... das hätte nicht geschehen dürfen.«

»Isabelle bitte. Sei vernünftig. Ich verstehe dich absolut, aber ... wir reden von Dag. Der Dag, der von Tag eins nie von dir getrennt war. Der Dag, der einen Schubser benötigt hat, weil er vom ersten Moment in dich verschossen war und Panik hatte es zu versemmeln ... Der Dag, der alles für dich tun würde. Du kannst das nicht einfach aufgeben Isabelle. Ihr habt etwas Besonderes.«

»Dafür ist es zu spät.« Ihre Stimme klang todtraurig.

»Was meinst du? Es ist nie zu spät jemandem zu verzeihen.«

»Er wird mir aber nicht verzeihen können, Vincent.«

»Was hast du getan?« Er runzelte die Stirn. Wovon sprach sie?

»Ich hab Mist gebaut.« Er bekam mit, wie sie tief einatmete, ehe sie weitersprach. »Ich hätte Dag etwas sagen müssen ... in der Pizzeria. Aber das habe ich nicht getan. Ich war egoistisch und hab nur an mich gedacht. Ich hab's sofort bereut, als ich gegangen bin ... alles hab ich bereut, aber ... ich konnte nicht mehr zurück und jeder Tag, der vergangen ist ... hat mich weiter in die Scheiße getrieben.«

»Isabelle egal, was du getan hast, er wird dir verzeihen. Du kennst Dag. Er will einfach nur, dass du wieder da bist ... ich will, dass du wieder da bist. Wir vermissen dich.«

»Vincent, das ist nicht so einfach.«

»Nichts im Leben ist einfach. Und doch sollte man nicht immer direkt aufgeben, wenn es mal nicht so läuft wie gedacht.«

»Du verstehst das nicht. Ich habe ihm etwas verschwiegen ... und das hätte ich nicht tun sollen.«

»Glaub mir, für ihn zählt nur, dass du wiederkommst.« , sagte Vincent. »Er säuft ... ununterbrochen. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll ...«

»Du musst auf ihn aufpassen.«

War das ihr Ernst? Was tat er denn die ganze Zeit über?

»Mache ich ... aber, Isabelle du musst zurückkommen, bevor er sich etwas antut.« Sie blieb wiederholt stumm, doch er hörte, wie sie weinte. Vielleicht hätte er das besser nicht sagen sollen?! »Bist du bei Katja?« , fragte er schließlich.

»Was? Ehm ... Katja ist in Kanada.«

Allein an ihrer Tonhöhe wusste er, dass sie ihm einen Bären aufband. Vincent hielt es jedoch fürs Beste, wenn er mitspielte. »Ja ich weiß.« , sagte er deshalb. »Aber weil du nirgendwo zu finden bist, dachte ich, du wärst über den Ozean entschwunden.«

»Nein. Nein. Ich bin in ... Vincent, bitte pass einfach auf ihn auf, ja? Versprichst du mir das?«

»Natürlich, aber du weißt genau, dass ich nicht viel tun kann, um seine momentane Verfassung zu ändern.«

Das konnte nur sie.

»Du kannst für ihn da sein.« , sagte sie.

»Und wer ist für dich da?«

»Ich bin nebensächlich.« Mit diesen Worten legte sie auf.

Vincent rieb sich mit dem Handy die Stirn und ließ sich wieder mit dem Rücken voran auf die Matratze fallen.

Für ihn war unmissverständlich, dass Isabelle bei Katja sein musste, und doch fand er es seltsam, dass genau jene sich nie gemeldet hatte.

Sie waren nämlich nicht im Streit auseinandergegangen.

Was hatte sie also davon abgehalten, wenigstens mal ein Hallo abzuliefern?

Frauen. Er verstand sie einfach nicht. Sie waren ein Rätsel, das er wohl niemals lösen könnte.

Er vermisste die alten Zeiten. Als mehr oder weniger alles noch problemlos ablief.

... gemütlich auf den Balkon der WG hocken. Abends die Auftritte der Mädels ansehen. Im durchaus normalen Zustand einen nach dem anderen trinken. Mit Isabelle vereint blau wie ein Veilchen irgendwelche idiotischen Songs trällern ...

Er wünschte sich schlichtweg die gute alte Zeit zurück, als sein einziges Problem war, wo er in der Nacht pennen sollte.

Damals dachten sie, diese Stufe würde eine ewige Komponente ihres Lebens bleiben und nicht das es separiert als Flashback in einer Ecke vergammelte, während sich im gegenwärtigen Alltag ein Problem nach dem anderen häufte.

Dass Katja sich wahrlich nicht gemeldet hatte, nagte an ihm. War er ihr nie wichtig gewesen? Nicht mal die Freundschaft?

Er verstand aber auch nicht, wieso Isabelle nicht heimkam, wenn sie es doch geschnallt hatte, dass Dag unschuldig war.

Lag es mit ihrer Aussage zusammen, dass sie irgendwas Schlimmes getan hatte, wovon sie ausging, Dag würde ihr dies niemals verzeihen?

Statt endlich Schlaf zu finden, grübelte Vincent noch einige Stunden über eine Aufklärung ... bis er im Endeffekt das Handtuch warf, aufstand und weiter versuchte Katja ausfindig zu machen. 

Das Leben war voll einfach Mann, als ich Mädchen noch Scheisse fandWhere stories live. Discover now