𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟙𝟘𝟚

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»... es hat so gutgetan mit Vincent zu telefonieren, weil ich dann ... ich fühlte mich dadurch näher bei Dag. Und Jetzt?« Isabelle trottete neben Katja, nachdem die Blondine sie zwang, nach draußen an die frische Luft zu gehen. Denn seit zehn Tagen hatte sie diese nicht mehr verlassen, aufgrund des verpatzten Telefonats. »Er hat alles kaputt gemacht, weil er Dag das volle Programm erzählen musste. Er kann nichts für sich behalten.«

»Doch das kann er.« , sagte Katja, die ihm immer noch hoch anrechnete, dass er auch in ihrer Abwesenheit nichts von ihrem größten Geheimnis preisgegeben hatte. Angenommen er wäre nicht still gewesen, dann hätte Hannah oder Isabelle sie längst darauf angesprochen. Somit hatte er sogar Dag kein Sterbenswörtchen erzählt, denn der hätte das eh nicht für sich behalten können und mindestens seine Freundin eingeweiht.

»Würdest du ihn für mich anrufen?«

»Dag?«

Isabelle schüttelte den Kopf. »Nein. Vincent.«

Nun schüttelte Katja ihren. »Nein. Sorry. Ich mache viel für dich. Aber das ... nein.«

»Tut mir leid. Ich ... ich hab nicht nachgedacht. Ich kann verstehen, wie es dir geht. Mir geht es genauso.«

Katja blieb stehen und runzelte die Stirn. »Wie es mir geht?«

»Du liebst Vincent, aber aus irgendeinem Grund kannst du nicht bei ihm sein.«

»Stopp.« Katja schüttelte während des Gehens den Kopf. »Das ist nicht meine Geschichte.«

»Nicht deine Geschichte?«

»Mein Leben steht hier nicht zur Diskussion.«

Isabelle runzelte die Stirn. »Wieso?«

»Weil es so ist.«

»Jeder hat seine eigene Geschichte. Weshalb sollte deine nicht relevant sein?«

»Weil nicht jede Geschichte es wert ist, erzählt oder geschrieben zu werden.«

»Du bist mehr wert, als du glaubst.« , gab ihre Freundin von sich und hakte sich bei ihr ein. »Jeder Mensch hat Fehler und jeder macht welche. Niemand ist perfekt. Du bist meine beste Freundin. Du bringst mich zum Lachen. Ich kann dir all meine Probleme erzählen und du hörst dir diese tausendfach an. Ich heule die ganze Nacht und du machst mir Essen und tröstest mich dabei, weil du dich um mich kümmerst. Du würdest jeden beerdigen, der mir etwas Böses will. Du bist manchmal zu ehrlich, aber Menschen, die dir wichtig sind, spüren das, weil du ... für sie da bist. Du bist also extrem bedeutungsvoll und ein Segen für die wichtigen Personen in deinem Leben.«

»Übertreib nich'.« , sagte sie mit einem leichten Schmunzeln. »Ich vermisse ihn.« , gab sie schließlich nach einer stillen längeren Pause wieder.

»Du solltest es ihm sagen.«

Katja deutete auf Isabelles Bauch. »Ich glaube, da lasse ich dir den Vortritt, was ausdiskutiert werden sollte.«

»Ich hab so Panik davor.«

»Er wollte doch ein Kind mit dir. Wieso schiebst du also solche Filme?«

»Es geht mir nicht darum, das ich nicht glaube, das er sich nicht freuen würde. Ich hab Angst, dass er mich hasst, weil er es als Letzter dann erfahren hat.«

»Ich glaube, du machst dir mehr Gedanken, als nötig sind.«

»Dito.«

Katja blieb stehen. »Meine Gedanken sind berechtigt. Du weißt zu wenig, um darüber zu urteilen.«

»Dann erzähl' mir doch davon.«

»Ich muss alleine damit zurechtkommen. Ich bin nicht du. Du, meine liebe, hast deine eigenen Probleme, sowie deine eigene Verantwortung. Kümmere dich besser darum. Hast du vor ihm das auf ewig zu verschweigen?«

»Du solltest mit ihm reden.« , startete Isabelle erneut, um Katjas Frage auszuweichen.

»Fein. Du willst, dass ich mit Vincent rede? Soll ich ihm dann auch direkt zeigen, wo du bist? Weil das würde er dann auch erfahren Miss Hideaway.«

Isabelle krallte sich unerwartet in Katjas Unterarm. »Da ist sie.«

»Was? Wer?« Sie sah sich um und ihr Blick blieb bei einer kleinen Gruppe halbbekleideter junger Frauen stehen. Sie konnte sich denken, dass eine der dort stehenden mit hoher Wahrscheinlichkeit jene war, die an Dags Körper herumgeleckt hatte.

»Die mit dem pinken Oberteil.«

»Wo die Titten oben rausquillen?«

Isabelle nickte. »Ja.«

»Gut. Lass uns hingehen. Der polier' ich die Fresse, bis ...«

»Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein.« Isabelle sprach hektisch und zog an ihr. »Lass uns gehen. Bitte. Ich kann sie nicht ansehen.«

»Ich mach das doch. Lass mich hin.«

»Ich kotz' gleich.«

»Hör auf mir immer mit deinem Mageninhalt zu drohen.« Sie wollte einen Witz machen, doch ihre Freundin übergab sich bereits gegen eine Hauswand. Katja sah erst rüber zu der Schlampen-Fraktion, ehe sie Isabelle über den Rücken streichelte. »Atme.« , sagte sie, als diese wild japste, hechelte und gleichzeitig weinte. »Ganz langsam.«

Die einstige Sängerin der Band sank auf die Knie, doch Katja half ihr schnell und unkompliziert wie gehabt in eine aufrechte Position. »Nein. Komm. Ich bring dich nach Hause.«

»Es tut so weh, sie zu sehen.« , keuchte sie. »Ich hatte das direkt wieder vor mir. Wie sie auf ihn saß. Wie sie an ihm herumleckte. Das Video, wo er sie küsste und anfasste.«

»Du musst darüber stehen. Dag wäre nicht mit ihr mitgegangen. Geschweige denn, dass er sie mit in eure Wohnung gebracht hätte.«

»Aber ...«

»Ja, ich weiß. Ihm haben die Komplimente und so weiter gefallen, aber Isabelle jeder von uns ist bis zu einem gewissen Grad empfänglich dafür. Selbst du.«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Bin ich nicht.«

»Dag hätte nichts mit ihr gemacht. Er liebt dich.« , wiederholte sie wie so oft, doch ihre Freundin steigerte sich dieses Mal immer mehr rein. Sie heulte so laut, dass sogar Passanten stehenblieben und beide genervt, teilweise jedoch auch bedauernd, ansahen.

Katja war klar, dass es hier nicht nur um das, was Geschehen war, ging. Isabelle hatte extreme Schuldgefühle, das sie so gehandelt hatte und irgendwie keinen Weg mehr zurückfand. Obwohl es im Grunde ein Leichtes war zu wenden und in die andere Richtung zu fahren.

Für sie selbst war es durchaus ebenso einfach. Nicht mal blinken müsste sie. Umstandslos das Lenkrad herumreißen und hopp.

Doch das konnte sie erst, wenn ihre Freundin die Fahrt zurück in Betracht ziehen würde. Denn solange diese nicht mit Dag in Kontakt sein konnte und wollte, war auch Katja gezwungen ihr Gewolltes hinten anzustellen.

Nur wollte sie ihr das vorhin nicht sagen, dass ihre Entscheidung mit Vincent zu reden längst gefallen war. Sie wollte unbedingt mit ihm sprechen. Sie wollte bei ihm sein.

Nur war sie da, ihrer Freundin zuliebe, an Isabelles Absicht gebunden.

Das Leben war voll einfach Mann, als ich Mädchen noch Scheisse fandWhere stories live. Discover now