20. Auf dem richtigen Weg

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Auch Loredana war froh, dass ihr Patenkind eingeschlafen war. Schon wi     eder war der Junge auf dem besten Weg gewesen, eine richtig heftige Panikattacke zu bekommen.

Heiler Sedan sagte gar nichts mehr. Er zog seinen Zauberstab und überprüfte Harrys Vitalwerte und konnte den Höllenfürst und seine Königin beruhigen. Die Werte des Jungen waren in Ordnung.

Nun versorgte er die noch vorhandenen Verletzungen und wechselte die Verbände, vor allem an Harrys rechtem Handgelenk. Danach half Luzifer ihm, die nötigen Tränke zu verabreichen.

Kurze Zeit später verließen Loredana und Sedan das Zimmer und kehrten in die Elbenwelt zurück.

Schon am nächsten Tag machte Luzifer mit dem Jungen eine kleine Führung durch den Familientrakt des Höllenpalastes, nachdem er die Erlaubnis der Heiler bekam.

Die Dämonen- und auch die Elbenheiler waren der Meinung, dass es sehr gut für den Jungen wäre viel Zeit mit dem Höllenfürst zu verbringen, damit sich der Dämonenbund festigen konnte. Außerdem wäre es nebenbei sehr vorteilhaft, wenn Harry nicht so viel grübelte und nachdachte, sondern erfolgreich abgelenkt wurde.

Auch in den nächsten Tagen machte Luzifer immer wieder kleine Ausflüge durch den privaten Teil des Palastes und zeigte ihm Räume, die für den Jungen interessant oder wichtig waren wie z. B. Salon, Speisezimmer, Bibliothek, Kaminzimmer, das Arbeitszimmer von Luzifer und auch den Wintergarten. Danach folgten auch Räume im offiziellen Bereich des Palastes, wie das große Arbeitszimmer mit angrenzendem Konferenzraum, den großen Speisesaal für über hundert Personen, den Empfangsraum und eine weitere Bibliothek.

Luzifer ließ es wirklich sehr langsam angehen und achtete darauf, dass sich sein Kleiner nicht überanstrengte und Pausen zwischendurch einlegte. Doch trotzdem kam es öfters vor, dass Harry vollkommen erschöpft einschlief und sich sein Körper unbeabsichtigt eine Auszeit nahm. Keiner der Dämonen nahm es dem Jungen übel, ganz im Gegenteil. Sie waren froh darüber. Denn Erholung und Ruhe waren im Augenblick das Wichtigste, von einer Bezugsperson abgesehen.

Mittlerweile waren alle Verletzungen soweit geheilt, dass sie nicht mehr verbunden wurden. Die einzige Ausnahme war das rechte Handgelenk. Denn trotz der intensiven Versorgung war die Wunde noch nicht geschlossen und die komplette Hand und der Unterarm völlig ruhig gestellt, um weder die Muskeln noch Nervenbahnen zum jetzigen Zeitpunkt zu beanspruchen. Das war dann auch der Grund, warum der neu angelegte Verband jedes Mal mit einem Zauber gehärtet wurde und den gleichen Effekt wie einen Gips hatte.

Harry schaute wohl immer wieder auf den sehr harten Verband. Aber er sagte nie etwas, obwohl es ihn manchmal stark einschränkte. Der Junge hatte sich relativ schnell damit arrangiert und kam auch ganz gut damit klar. Es bereitete ihm keine Probleme mehr sich alleine anzuziehen, zu duschen, Zähne zu putzen und vieles mehr. Nur beim Essen schaffte er es nicht, mit der Hand die Gabel oder das Messer zu halten, um zu schneiden. Diese Aufgabe hatte Luzifer von Anfang an übernommen und verlor deshalb nie ein Wort.

Genauso wenig sagte Harry, wenn er starke Schmerzen hatte oder sich nicht gut fühlte. Schließlich wollte und durfte er niemanden damit belasten.

Es bereitete ihm schon genug Probleme mit dieser ganzen Situation klar zu kommen, die er absolut nicht verstand. Noch nie war jemand zu ihm so nett gewesen und hier waren sie es alle. Seine Verletzungen waren fast alle verheilt. Er bekam immer zu Essen und Trinken, obwohl er nicht dafür gearbeitet hatte. Auch seine Vermutung, dass dies eine Falle sei, hatte sich noch nicht bestätigt. Hinzu kam dann, dass er sich tatsächlich richtig wohl in Luzifers Nähe fühlte und vor ihm, Loredana, dem Heilern und Dienern keine Angst mehr hatte.

Kurze Zeit später führte er ein Gespräch mit Dago und Saria, da sie seine Gefühle und Bedenken wahrgenommen hatten. Harrys innere Wesen versuchten ihm alles einfach und plausibel zu erklären. Sie wollten seine Zweifel und Ängste aus dem Weg schaffen.

~Darf ich euch etwas fragen?~, kam es von Harry.

~Aber natürlich. Was möchtest du wissen?~, entgegnete Saria sofort.

~Ich verstehe nicht, wieso ihr das getan habt. Warum sorgt ihr euch um mich? Wieso bleibt ihr bei mir? Verursacht das die Verbindung, die ihr mit mir eingegangen seid?~, fragte er mehr als verunsichert.

~Du siehst das völlig falsch.~, begann Saria mit sehr sanfter Stimme. Es ist keine Verbindung zwischen uns, die wir mit dir eingegangen sind. Wir gehören ganz fest zu dir und lassen dich nie mehr alleine. Das liegt daran, dass wir keine eigenständigen Wesen sind. Dago, Ich und Du sind EINS. Wir gehören zu dir und können ohne dich nicht leben. Wenn du stirbst oder dich umbringst, müssen wir auch sterben.~ Weiter kam sie mit ihrer Erklärung nicht, denn Harry unterbrach sie in Gedanken.

~NEIN!~, entfuhr Harry der Gedanke. ~Das will ich nicht. Ihr sollt nicht wegen mir sterben!~ Genau in diesem Moment akzeptierte er seine beiden inneren Wesen und wollte alles dafür tun, dass ihnen nichts passierte und es ihnen gut ging. Je länger er diesen Gedanken, nun nicht mehr alleine zu sein im Kopf hatte, umso mehr freute es ihn.

Auch Dago und Saria spürten es und waren richtig froh. Harry akzeptierte sie und wollte dafür sorgen, dass es ihnen gut ging. Irgendwie waren sie total gerührt und ergriffen davon. Denn im Grunde dachte er an alle und jeden, nur nicht an sich selbst.

~Uns geht es richtig gut und wir fühlen uns wohl, wenn es dir gut geht und du dich wohl fühlst!~, brachte sich nun auch Dago in das gedankliche Gespräch mit ein.

Nun verharrte Harry in seiner Position und ließ sich die Worte durch den Kopf gehen ... Er überlegte hin und her und war überrascht, dass sich die Gefühle und Empfindungen seiner Wesen und seine eigenen so stark beeinflussten bzw. voneinander abhängig waren. 'Aber eigentlich logisch, wenn Dago, Saria und ich eins sind und sich in einem Körper befinden', kam Harry gerade der Gedanke.

Nachdem Harry einige Teile des Palastes kennengelernt hatte, weitete Luzifer die Erkundungstouren auch auf den Garten aus und stellte fest, dass sich Harrys Verhalten veränderte. Zwar bestand auch weiterhin eine gewisse Vorsicht, Skepsis und Misstrauen allem Neuen und Fremden gegenüber. Aber in der freien Natur, speziell bei den Blumen, Sträuchern und Pflanzen zeigte es sich nicht so deutlich. Harry war unwahrscheinlich neugierig und stellte Fragen über jede neue Pflanze, die er entdeckte und nicht kannte. Es wurde auch deutlich, dass er viel von Gartenarbeit und Pflanzen verstand und ein ausgesprochen geschicktes Händchen dafür hatte.

Luzifer war richtig glücklich, als er Harry mit einem der Gärtner im Gespräch sah. Er reagierte sonst auf fremde Personen immer sehr vorsichtig und zurückhaltend, doch nun redete bzw. diskutierte er mit dem Mann, den er noch nie gesehen hatte und nicht kannte, als wären sie sich sehr vertraut.

Der Höllenfürst musste richtig schmunzeln, als er seinen Kleinen so erlebte und dieser sich regelrecht in Fahrt zu reden schien. Nach kurzer Überlegung hatte er dann eine Idee und trat auf Harry und den Gärtner Pitras zu. „Also das hört sich wirklich wie das Gespräch zweier Fachleute an. Harry, würde es dir gefallen in unserem Garten die Aufsicht zu führen und die Arbeiten der Gärtner zu koordinieren?", wollte er von seinem Gefährten wissen.

Harry klappte im gleichen Moment der Mund auf und die Kinnlade runter bis auf den Boden. „Ich soll das tun?", entfuhr es ihm dann und er sah Luzifer mehr als überrascht an.

„Nein Harry. Nicht du "sollst" das tun. Ich habe gemeint, du kannst es, wenn du es möchtest. Das ist ein großer Unterschied. Du musst nicht arbeiten, um dir deinen Lebensunterhalt zu verdienen. Wenn es dir Spaß macht, dann sehe es als dein Hobby an. Okay?", fragte Luzifer geduldig. Er wusste das er sich nicht aufregen durfte, damit er Harry nicht erneut verschreckte oder in Panik versetzte. Vor allem, weil es schon positive Erfolge zu vermerken gab. Harry zuckte bei den ihm bekannten Personen nicht mehr so leicht zusammen. Außerdem ließ er schon das ein oder andere Mal Kontakt zu Luzifer zu. Ganz vorsichtig nahm der Höllenfürst die Hand des Jungen, da er bemerkte das Harry die Situation gerade etwas überforderte.

Harry holte tief Luft. Er war einfach sprachlos über Luzifers Äußerung. Aber es wäre für ihn eine Möglichkeit sich erkenntlich zu zeigen und sich sein Essen zu verdienen. „Okay, das will ich gerne tun.", antwortete er nur und sah verlegen auf seine Schuhe.

Luzifer konnte ein kleine Lächeln nicht verbergen. Er blickte auf seinen Gefährten und schmunzelte. Aber er war auch wirklich beeindruckt, denn das Verhalten von Harry war etwas von seinem bisherigen abgewichen und dies ließ ihn hoffen. Luzifer gab ihrer gemeinsamen Zukunft eine Chance und glaubte das sie auf dem richtigen Weg waren.

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