23. Eine sagenhafte Lösung

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Harry schlief nach dem Essen relativ schnell ein und auch Luzifer legte sich früh schlafen. Die ganze Aufregung hatte auch ihn sehr ermüdet. Und wie sonst auch, kuschelte sich der Junge relativ schnell an Luzifer und schnurrte sogar im Schlaf.


Am nächsten Morgen erwachten sie durch das Klopfen an der Tür. Noch etwas verschlafen, bat der Höllenfürst den Störenfried herein.

Hauselfe Amber war etwas nervös. „Es ist jetzt 10.°° Uhr. Elbenkönigin Loredana und Priesterin Santana können nicht mehr länger warten. Sie möchten gerne zu dem kleinen Master und sagten es sei wegen seiner verletzten Hand.", brachte sie heraus und schlackerte vor Aufregung mit ihren großen Ohren.

Nun fuhr der Höllenfürst mit einem Satz aus dem Bett, bewegte kurz seine Hand und er wie auch Harry waren erfrischt und neu eingekleidet. Sein Versuch den Jungen aus der Decke zu befreien, wurde mit einem richtigen Knurren bedacht und brachte den Höllenfürsten zum schmunzeln.

So ließ er den Kleinen einfach liegen und begrüßte nur wenige Augenblicke später die beiden Elben und deutete einmal kurz auf das Bett. „Es war gestern etwas turbulent und aufregend. Harry hatte sich aus irgendeinem Grund sehr gut versteckt und wurde von einer ganzen Armee über Stunden gesucht, während er sehr friedlich in einem Kleiderschrank schlief.", erklärte er der Elbenkönigin und Priesterin.

Beide Elben nickten dem Höllenfürst verstehend zu. Sie wussten auch, dass die Aufregung wohl eher bei ihm sowie den anderen und nicht bei dem kleinen Schwarzhaarigen lag.

Loredana beugte sich zu ihrem Patensohn runter und hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Stirn.

Harry regte sich leicht. „Noch ganz früh. Muss nicht aufstehen.", nuschelte er vor sich hin und zauberte bei den drei Erwachsenen ein Lächeln ins Gesicht.

„Der Kleine ist einfach ein Schatz und jeder wird ihn gerne haben!", entfuhr es Santana.

„Luzifer.", begann Loredana nun und erreichte, dass er sie fragend ansah. „Santana hat in einem sehr alten Buch einen Elbenheilspruch gefunden, den sie auf Harrys Handgelenk sprechen will, mit deiner Erlaubnis natürlich. Es wäre möglich, dass es dem Jungen hilft.", erklärte die Elbenkönigin.

„Natürlich bin ich damit einverstanden. Ich danke euch für eure Bemühungen und hoffe, dass es Harrys Hand bald besser geht.", entgegnete der Höllenfürst und sah zuerst Loredana und dann Santana dankbar an. Sehr vorsichtig befreite er seinen Gefährten aus dem Berg von Kissen und Decken und hob ihn auf seinen Schoss. Er ließ Harrys Kopf auf seiner Schulter ruhen.

Loredana setzte sich direkt neben ihn und übernahm es, den rechten Arm des Jungen zu halten.

Noch bevor die Priesterin näher treten konnte, erwachte Harry und sah etwas überrascht aus. Er registrierte, dass er auf Luzifers Schoss saß, rührte sich nicht, denn er fand es überhaupt nicht schlimm. Jedoch bemerkte er dann, dass Loredana direkt neben ihm saß und seinen verletzten Arm festhielt. 'Was hatte das zu bedeuten? Was machen die mit mir?', schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. Er blickte etwas skeptisch und misstrauisch zu ihr und der Priesterin rüber. Er konnte nicht verhindern, dass sein Körper unkontrolliert zu zittern begann. Dies geschah meistens, wenn Harry unsicher war oder große Angst hatte. Es war ein eindeutiges Zeichen seines Körpers darauf zu reagieren.

„Harry! Bitte beruhige dich. Sie tun dir nichts. Sie wollen deinem verletzten Handgelenk mit einem Heilspruch helfen.", kam es von Luzifer.

Aber Harry konnte ihn gar nicht hören, da sich auch sein "elbisches Ich" gemeldet hatte. Saria ließ etwas Elbenmagie frei und beruhigte ihn und erklärte ihm nochmals, dass er vor Loredana und auch Santana wirklich keine Angst haben müsste. Genauso sei es bei den anderen Elben und Dämonen, vor allem aber bei Luzifer, da sie Gefährten wären.

„Okay!", gab Harry nur von sich.

Sie nahmen alle die kurze Antwort des Jungen wahr. Sowohl Saria wie auch Luzifer bezogen es auf ihre eigene Äußerung und waren zufrieden.

Harry saß einfach nur da und erweckte den Eindruck, als wäre er auf dem Sprung. Als wollte er im nächsten Augenblick fliehen, aber er tat nichts. Er rührte sich nicht von der Stelle und ließ alles mit sich machen, fügte sich seinem Schicksal.

Santana hatte mit einem Zauber den Verband entfernt und schaute sich die immer noch vorhandene Wunde an, während Loredana den Arm des Jungen stützte und fest hielt. Wenige Augenblicke später legte sie ihre Hand ganz leicht auf die Wunde und begann einen sehr, sehr langen und komplizierten Elbenheilspruch zu rezitieren.

Loredana und auch Luzifer sahen zu dem Jungen. Harry schaute sehr ängstlich und leicht schmerzverzerrt und biss sich auf die Unterlippe, so als wollte er verhindern, dass er einen Schmerzlaut von sich gab.

Als Santana fertig war, strich sie ihm einmal ganz sachte über die Wange und rief kurz Elbenheiler Zaki, der das Handgelenk versorgte und auch neu verband und diesen wieder härtete.

Luzifer hielt ihn noch immer im Arm. Er wollte warten bis der Schmerztrank wirkte.

Dann hörten sie alle das Klopfen an der Tür.

Einer der jüngeren Diener brachte Luzifer einen wichtig aussehenden Brief und wartete.

Luzifer öffnete diesen und überflog die Zeilen seines Sekretärs Levin, der ihn bat umgehend in den Gerichtsraum zu kommen. Er musste als Richter in einer Angelegenheit tätig werden, die sich nicht aufschieben ließe, da es um ein lebendes Dämonenkind ging.

Harry fing sofort an zu zittern und krallte sich instinktiv in Luzifers Hemd fest. „Bitte gehe nicht ... verlass mich nicht!", entfuhr es ihm schließlich.

„Ich muss ganz dringend zu dieser Versammlung.", begann Luzifer und wurde sofort unterbrochen.

„Bitte, lass mich nicht alleine!", flehte Harry nun regelrecht.

„Warum begleitest du mich nicht einfach?", fragte Luzifer und strahlte ihn an.

Jetzt war Harry mehr als überrascht, denn eigentlich durfte er nie mit. Man hatte ihn noch nie mitgenommen. Sie wollten schließlich so wenig Kontakt wie möglich zu ihm und mit ihm gesehen werden schon gar nicht.

Luzifer sprach kurz mit den Elben, nahm dann Harrys linke Hand und lief mit diesem los dicht gefolgt von den Elben. Denn Loredana, Santana und der Heiler wollten ihn auch begleiten.

Kurze Zeit später betraten dann Luzifer mit Harry, sowie die Elben den Raum und wurden von etwa 30 Dämonen verblüfft, neugierig und perplex gemustert.

Luzifer hatte sich auf seinen thronähnlichen Stuhl gesetzt, Harry direkt neben sich, die Elben nahmen auf der anderen Seite Platz. Harry konnte die Wärme seines Gefährten spüren und wurde ruhiger.

Nun trat ein etwas älterer Dämon auf Luzifer zu. „Mylord, bitte entschuldigt das wir nach euch riefen. Aber wir sind nun schon seit fast vier Stunden hier und kommen in dem Fall ohne euch einfach nicht weiter. Folgenden Sachverhalt gilt es zu klären...", erklärte der mittlerweile ratlose Dämon.

Luzifer sah ihn kurz an. Er kannte Danilo schon mehrere tausend Jahre und wusste, dass dieser ein wirklich sehr erfahrener und fähiger Mann war. Deshalb befand er sich auch im Dämonenrat. Luzifer ließ seine Augen über die restlichen Anwesenden schweifen. Bis auf die beiden weiblichen Dämonen und das kleine Dämonenkind, fast noch ein Baby, waren es alle Ratsmitglieder, Wachen oder seine Vertrauten so wie Heiler Meran.

Jetzt war der Höllenfürst äußerst neugierig zu erfahren, wo denn das Problem lag. „Was ist los?", fragte er.

Harry hatte sich beruhigt und lugte zwischen seinen Händen hervor und brachte das kleine Dämonenbaby sofort zum lachen. Harry lächelte zurück und winkte diesem zu.

Luzifer registrierte es natürlich und freute sich innerlich, reagierte aber noch nicht darauf.

Auch einige der Dämonen bemerkten es und konnten sich ein Lachen nur mit Mühe verkneifen.


Danilo ergriff wieder das Wort. „Marisha und auch Seolina behaupten die Mutter des kleinen Victor zu sein. Aber das ist natürlich unmöglich. Es kann nur eine den Jungen geboren haben.", berichtete er und hatte bei dem ersten Namen auf die rothaarige und beim zweiten auf die dunkelblonde Dämonin gezeigt.

Wie auf ein Zeichen hin begannen die beiden Dämoninnen sich zu beschimpfen, keiften hysterisch herum und wollten endlich ihren Sohn haben.

Danilo signalisierte ihnen ruhig zu sein und dies taten sie dann auch wie auf Kommando.

Luzifer schaute vollkommen irritiert von einer zur anderen Dämonin und war erst einmal ratlos. Das Baby war noch zu jung, um einen wirkungsvollen Trank anzuwenden. Auch das Aussehen zeigte nichts an und Haare hatte der kleine Victor noch nicht. Der Höllenfürst begann zu grübeln. 'Was war das denn für eine verzwickte Situation? Wie soll ich denn wissen, wer die richtige Mutter ist?', schoss es ihm wie ein Blitz durch den Kopf.

Eine Bewegung an seiner Seite lenkte Luzifers Aufmerksamkeit auf Harry, der sich aufgesetzt hatte und nachzudenken schien. Und dies tat er wirklich. Harry erinnerte sich mal etwas über eine Theateraufführung gelesen zu haben, in der es genau um die gleiche Angelegenheit ging. Er hatte die Lösung im ersten Moment sehr grausam gefunden, aber es hatte die Wahrheit ans Licht gebracht. 'Vielleicht klappte es ja auch in diesem Fall. Ich würde nie zulassen, dass sie den Kleinen wirklich durchteilen würden.', sagte er gedanklich zu sich selbst und machte sich Mut damit.

Nach einer kurzen Pause, in der wirklich niemand etwas sagte, meinte Harry relativ leise: „Ich... also ich weiß eine...". Dann brach er plötzlich ab und zuckte etwas zusammen.

Loredana strahlte richtig. Sie glaubte, dass es dem Jungen große Überwindung gekostet und er es vor kurzem wohl niemals getan hätte. Ihre Bemühungen und immer wiederkehrenden Bekundungen und Zusprüche schienen tatsächlich bis zu seinem Geist durchgedrungen zu sein.

Viele der Dämonen blickten den Jungen nun neugierig an, aber keiner richtete das Wort an ihn.

„Harry! Hast du eine Idee wie wir das Problem lösen können?", stellte Luzifer ihm die Frage.

„Ja!", entgegnete er nur und senkte automatisch seinen Kopf. 'Bin ich nicht böse, unverschämt und verdiene Schläge, weil ich meine es besser zu wissen?'

„Und welche Idee?", entfuhr es Luzifer. Das interessierte ihn natürlich sehr.

An den Gesichtern der anderen Anwesenden konnte man sehen, dass es ihnen auch so ging.

„Soll ich das wirklich sagen?", kam es wieder sehr leise und dieses Mal auch äußerst verlegen von dem Jungen.

„Ja sicher, Harry. Ich bitte darum. Denn alle Anwesenden, ehrlich gesagt mich auch würde die Lösung des Problems brennend interessieren.", antwortete Luzifer und lächelte seinen Kleinen aufmunternd zu.

„Es gibt keine andere Möglichkeit, als das Kind genau in der Mitte von oben bis unten durchzutrennen und jede der Beiden eine Hälfte des Kindes zu geben. Je eine Mutter bekommt eine Seite des Jungen.", sagte Harry mit einer so festen und ernsten Stimme, dass allen der Mund vor Überraschung und auch Entsetzen auf ging. Während er das sagte, beobachtete er die Frauen ganz genau. Er registrierte jede noch so kleine Regung.

Marisha hatte wohl am lautesten aufgeschrieen und starrte ihn nur geschockt an. Seolina dagegen bekam einen zufriedenen Gesichtsausdruck und grinste. „Das ist doch eine gute und für alle zufrieden stellende Lösung.", meinte die Dunkelblonde.

„Nein! Niemals!", entfuhr es Marisha. „Sie ist die Mutter. Geben sie Seolina den kleinen Victor. Sie dürfen ihn nicht durchteilen. Geben sie ihr den ganzen Jungen. Tun sie ihm nicht weh!", flehte Marisha mit Tränen in den Augen.

Der Dämon, der Victor hielt, wollte das Baby schon der Dunkelblonden überreichen, als Harry sehr laut widersprach.

„NEIN, dies ist falsch!", brachte Harry fast schreiend heraus, wurde dann aber aus Rücksicht auf das Baby leiser. „Sie ist die wahre Mutter.", sagte Harry und zeigte auf Marisha. „Denn nur eine Mutter kann es nicht ertragen, ihr eigenes Kind leiden zu sehen oder akzeptiert, dass man ihm Schmerzen zufügt.", teilte er den Anwesenden mit.

Alle schauten sie zu Harry. Luzifer zog ihn etwas zu sich. „Ich bin richtig stolz auf dich, mein Kleiner!", sagte Luzifer und küsste ihn auf die Stirn. Dann gab Luzifer dem Dämonen ein Zeichen, das Baby Marisha zu geben. „Mein Gefährte hat es geschafft, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Der kleine Victor bleibt unversehrt und kehrt mit Mama Marisha nach Hause zurück!", verkündete der Höllenfürst das Urteil.

Danilo reichte Harry vorsichtig die Hand. „Ich muss sagen, kleiner Master, sie haben mich sehr beeindruckt. Es war eine gelungene und absolut einleuchtende Darstellung und Lösung, auf die ich nie im Leben gekommen wäre.", sagte der Dämon und verbeugte sich sehr respektvoll vor dem schwarzhaarigen Jungen.

Jeder der Anwesenden war von dem schmächtigen Jungen beeindruckt und hielten ihn für würdig, der Gefährte des Höllenfürsten zu sein. Heute waren ihm viele Ratsmitglieder und Dämonen zum ersten Mal begegnet und er hinterließ trotz seines eher zarten Aussehens einen wirklich bleibenden Eindruck bei ihnen.

Seolina verließ ziemlich zornig den Raum, während sich Marisha mit Victor auf dem Arm bei Harry bedankte und sich gerade verabschieden wollte.

Harry lief etwas rot an und schaute sehr verlegen zu Loredana.

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