Schritte in ein besseres Leben

55. Spontane Adoption

„Das Seil wurde sabotiert?!", kam es von mehreren Anwesenden wie aus einem Mund. Sie unterschieden sich lediglich in Stimmlage und Lautstärke. Und in der ganzen Zeit konnten sie Harrys Schreie hören, die mittlerweile in leises Schluchzen übergegangen war. Aber es ging jedem von ihnen bis unter die Haut und machte alle nervös, unruhig und besorgt.

Meran hatte mit den Anderen im Speisesaal gesessen, war ihnen gefolgt und sofort zu Harry geeilt, der schreiend auf dem Boden lag, Paco direkt neben sich. Der Heiler sprach mehrere Zauber und begann mit der Versorgung. Zur gleichen Zeit kochte Luzifer vor Wut, rief weitere Wachen, Dämonen und seinen Sekretär, um der Sache auf den Grund zu gehen. Denn er hatte keine Zweifel an Toms Aussage. Er wollte nur, dass jeder noch so kleine Hinweis gefunden wurde und der Schuldige überführt wurde. So machte sich kurz darauf eine spezielle Einheit der Dämonen daran, alles genauestens zu untersuchen.

Luzifer nahm seinen Kleinen auf den Arm und brachte ihn in den Palast, gefolgt von einer richtigen Karawane, die mehr als betroffen und geschockt dem Höllenfürsten folgte und im großen Wohnzimmer von den Hauselfen erst einmal mit Beruhigungstee, Kakao und Gebäck bewirtet wurden, während Harry auf der Couch lag und sein gebrochenes Handgelenk und die Schrammen von Meran behandelt wurden.

Danilo hatte wirklich Mühe seinen Gefährten zu beruhigen. Doch Sirius ließ sich einfach nicht von Harrys Zustand abbringen und wurde schließlich von Meran schlafen geschickt, um sich und die Drillinge zu schonen.

Felipe, Eric und Simon schafften es nicht sich ruhig hinzusetzen. Sie waren einfach gefangen und sahen immer noch den aus hoher Höhe fallenden Harry. Sie standen etwas abseits und bewegten sich völlig ziellos durch den Raum. Loredana brachte es auch nicht fertig sich hinzusetzen. Sie war so was von aufgewühlt und in Sorge und rannte deshalb wie ein aufgeschrecktes Huhn durch den großen Raum hin und her.

Luzifer saß fassungslos am Kopfende der Couch, strich Harry durch die Haare und versuchte sich etwas zu beruhigen, damit auch Harry ruhiger werden konnte. Doch dieser schien irgendwie weit weg zu sein, denn er sah Luzifer direkt an, blickte aber durch ihn hindurch. Harry reagierte weder auf seinen Gefährten noch auf seine Patentante.

Mitten in diesem Chaos erschienen dann auch noch Harrys andere Tiere. Sie vervollständigten das Bild und brachten noch mehr Gefühlschaos mit. Tamy, Damon, Hedwig, Fireball und Shadow versuchten ruhig zu bleiben, um Harry nicht zu erschrecken. Nun erfuhren die Tiere von Paco was passiert war. Auch die Tiere schafften es nicht zu Harry durchzudringen oder eine Reaktion von ihm zu bekommen. Harry war fix und fertig, gefangen in seinen Schmerzen und hatte sich in seine kleine Welt zurückgezogen. Er konnte von keinem erreicht werden. Tom machte dies total fertig. Kurz nach den Tieren kamen dann zwei der Dämonenspezialeinheit und bestätigten Toms Äußerungen. Es waren einige Beweise gesichert und alles geprüft worden. Keiner von ihnen bemerkte Shadows Augen, die immer größer wurden und am Ende fast heraus zu springen drohten. Den Schattenkater traf gerade die Erkenntnis, dass er diesen Feigling letzte Nacht gewittert und aufgespürt hatte und ihn dann bei dem Spielplatz nicht finden konnte und vollkommen gefrustet nach dem fressen am Napf schlafen gegangen war. Und Harry wurde dadurch schwer am Handgelenk verletzt.

„Ich will den Schuldigen haben!", gab Luzifer nur mit eisiger Stimme von sich. „Die Schutzmaßnahmen werden genau geprüft und verstärkt. Jeder mit einer solchen oder ähnlichen Magiesignatur wird sofort verhaftet und dann geprüft. Nur noch qualifizierten Leuten ist der Zugang zum Palast und Garten gestattet und außerdem werden nun mindestens vier Bodygards auf Harry und Tom aufpassen.", verkündete er schließlich und strich wieder durch Harrys Haare, da dieser sehr unruhig wurde.

Dann wurde Luzifers Aufmerksamkeit auf den Schattenkater gerichtet, denn dieser fing gerade an völlig auszuflippen. Es hatte den Anschein, als könnte Shadow seine Magie nicht mehr kontrollieren. Sein Fell war nicht mehr komplett schwarz, nein. Er hatte überall die türkisfarbenen Streifen im Fell. Von einer Sekunde zur anderen war er einfach verschwunden, wie unsichtbar und dann erschien er wieder. Das passierte immer im Wechsel. Dann hörte man sein Fauchen und Maunzen einfach in der Luft, konnte ihn in der nächsten Sekunde wieder sehen und immer noch fauchte und maunzte er richtig kläglich. Schließlich biss er sich selber in die Pfote, weil ihm klar wurde das diese fremde Magie, diese Gestalt Harry dies antat und er es nicht verhindert hatte oder konnte.

Meran versorgte Harry immer noch und versuchte vergeblich zu ihm durchzudringen. In der ganzen Zeit hatte keiner auf Tom geachtet. Niemand bemerkte die totale Verzweiflung und Angst, die immer mehr Besitz von dem 19-jährigen ergriff, da Tom einfach nicht zu seinem Blutsbruder durchdringen konnte. Loredana ging gerade an Tom vorbei und beobachtete wie sich dieser einfach auf den Boden vor Harrys Bett setzte. Der Junge schien unnatürlich blass und vollkommen weggetreten. Er begann sogar vor und zurück zu wippen und signalisiert der Elbenkönigin spätestens jetzt, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Es dauert gar nicht lange und Meran registrierte Tom, der ihm im Weg saß. Er forderte ihn auf zur Seite zu gehen. Er war so mit Harry beschäftigt, dass er nicht bemerkte das auch Tom völlig weggetreten war. Jetzt wurden auch die Anderen auf ihn aufmerksam. Danilo trat zu ihm und berührt den Jungen leicht an der Schulter, wollte ihn zur Couch tragen. Doch Tom wich ihm instinktiv aus, nur Bruchteile von Sekunden später fing seine Magie an zu pulsieren und hielt auch den Heiler von Harry fern, ohne es bewusst zu wollen. Nun kam wirklich keiner mehr an Harry und auch Tom heran. Alle Versuche und Bemühungen scheiterten und trieben nun auch Luzifer zur Verzweiflung. Er spürte die Angst, Verzweiflung und das Chaos, welches in Harry zu toben schien und nicht nur ihm alleine gehörte. Ein guter Teil davon musste von Tom sein.

Dann hatte Loredana plötzlich den rettenden Einfall und rief im gleichen Augenblick Elbenpriesterin Santana über ihr Magisches Amulett. Ihr war nämlich gerade eingefallen, dass doch Santana es immer wieder geschafft hatte den Jungen zu beruhigen oder sich ihm problemlos hatte nähern können. Keine fünf Minuten später betrat die Priesterin den Raum. Sie wurde von allen mit Sehnsucht und Freude erwartet und bekam schnell von Danilo die Sachlage erklärt.

„Tom...", erklang kurz darauf die sehr ruhige und sanfte Stimme der Elbin. Doch weder von Harry noch von Tom kam nur die kleinste Reaktion.

„Tom, kannst du mich hören?", versuchte sie es ein zweites Mal.

Keine Reaktion...

Auch Santanas nächste Versuche scheiterten.

Jetzt versuchte sie es durch direkte Konfrontation und trat Schritt für Schritt immer weiter auf ihn zu, sprach auch weiterhin zu Tom und wollte ihn auf sich aufmerksam machen. Tom reagierte zwar immer noch nicht, doch Santana konnte bis zu ihm gelangen. Sie wurde von seiner Magie nicht aufgehalten oder daran gehindert, so wie der Rest.

Santana zog den völlig aufgelösten und weggetretenen Jungen in ihre Arme und hielt ihn einfach fest, streichelte über seinen Rücken und hauchte unentwegt Worte in sein linkes Ohr. Während die Elbenpriesterin Tom festhielt, spielten ihre Mutterinstinkte komplett verrückt und ihr schoss der Gedanke Tom sofort zu adoptieren wie ein Blitz durch den Kopf und sie war fest entschlossen auch genau dies zu tun. Denn sie wollte diesen Jungen einfach nur vor allem beschützen und ihm Sicherheit und Geborgenheit geben.

Natürlich schauten die Anderen etwas überrascht aus der Wäsche, als Santana plötzlich sagte, sie würde Tom gerne auf der Stelle adoptieren. Nachdem sie ihr Vorhaben mitgeteilt hatte, sah sie etwas länger auf den Jungen in ihren Armen. „Tom...", sprach sie ihn im gedämpften Ton an. Sie wollte den Jungen schließlich nicht erschrecken.

Dreimal wiederholte sie ihre Äußerung, bis Tom reagierte und die Elbenpriesterin mit leichtem Zittern seines gesamten Körpers ansah.

„Ich möchte dich fragen, ob du mir die Erlaubnis gibst dich zu adoptieren?", fragte sie relativ leise.

Tom war durch Santanas Rufe seines Namens gerade erst aus seinem Chaos aufgetaucht, nahm ihre Worte wahr und war erstaunt und erfreut zugleich und sagte "ja". Er dachte gar nicht groß darüber nach, abgesehen davon konnte er im Augenblick auch nicht großartig darüber nachdenken. Die Situation hatte ihn regelrecht überrollt.

Der Heiler kam wieder an Harry heran und setzte seine Arbeit an gleicher Stelle fort. Während Meran sich den geheilten Bruch dank eines Zaubers nochmals ansah und dann sehr zufrieden einen gehärteten Verband anlegte, wendete Santana das Adoptionsritual der Elben auf Vampir-Mensch Mix Tom an.

Das Adoptionsritual bestand aus insgesamt drei etwas längeren Ritualsprüchen und wurde mit dem Austausch des Blutes von Mutter + Vater sowie des Kindes letztendlich besiegelt.

Santana hatte ihre Entscheidung zur Adoption sehr spontan gefasst, aber das machte ihr nichts aus. Schließlich gab es in ihrem Leben keine direkten Verwandten, auf die sie hätte Rücksicht nehmen müssen. Santana war weder gebunden noch hatte sie eine große Familie. Es gab nur noch ihre Eltern Lajos und Emi, denn sie war ein Einzelkind. Und Santana wusste jetzt schon, dass die Zwei ihren ersten Enkel lieben werden.

Santana und Tom hatten gerade vor den Augen von Luzifer, Danilo, Loredana, Meran und den zwei Wachen das Blut des jeweils Anderen getrunken... Harry und Sirius waren zwar auch da, aber sie waren weggetreten bzw. schliefen tief und fest.

Nun war das Ritual erfolgreich abgeschlossen. Bei Beiden erschien ein silberner Armreif am rechten Handgelenk, der die Adoption bestätigte.

Die Anwesenden hatten gerade begonnen "Mutter und Sohn" zu gratulieren, als Tom zusammenzuckte und einen Aufschrei nicht verhindern konnte.

Meran war sofort zur Stelle und sprach einen Diagnose-Zauber und blickte mehr als erstaunt. „Der Junge befindet sich in der Umwandlung.", gab er nur bekannt.

„Umwandlung – welche Umwandlung denn?", fragte Danilo und schien mehr als irritiert.

„Ich habe keine Ahnung. Wir müssen vermutlich bis zum Abschluss warten, wenn man es vorher nicht schon sieht.", entgegnete der Heiler und hatte da so eine Vermutung.

Tom hatte sich auf den Boden fallen lassen, nachdem die Schmerzen immer mehr zunahmen, krümmte sich und versuchte permanent seinen Schmerz nicht einfach nur heraus zu schreien. Weder er noch die anderen ahnten zu diesem Zeitpunkt, dass der Grund für die erneute Umwandlung die komplette Vernichtung der menschlichen Gene durch die Elbengene war. Tom wurde von allen genauestens beobachtet. Sie bemerkten sie erste Veränderungen an Tom, als ein sehr lauter Ruf alle zusammenfahren ließ ...

„TOM... TOM!", schrie Harry plötzlich laut und zitterte wie Espenlaub.

Luzifer und Meran waren sofort bei ihm und sahen das er auch geistig da war, sie sogar direkt anblickte. Harry war aus seiner Welt wieder aufgetaucht und rief permanent und laut nach Tom.

Toms Veränderungen waren minimal. Die schwarzen Haare mit der weißen Strähne gingen nun fast bis zum Po, seine Ohren waren spitz wie bei Elben und sein Gesicht wirkte etwas weicher und femininer, ansonsten war alles so wie immer...

Nachdem der Schmerz abgeklungen und Tom sich wieder bewegen konnte, eilte er zu seinem Blutsbruder, um ihn zu beruhigen. „Harry, ich bin hier. Es ist alles gut... dein gebrochenes Handgelenk wird schnell heilen.", flüsterte er ihm leise ins Ohr und strich immer wieder über Harrys Rücken, den Haaren und seine Wange.

Santana betrachtete Tom intensiv und war sehr angetan von ihm. Dies verstärkte sich durch das veränderte Aussehen genauso wie ihre Mutterinstinkte. Der Elbenpriesterin wurde gerade in diesem Moment klar, dass sie genau das Richtige getan hatte. Es würde nicht nur ihr, sondern vor allem auch Tom gut tun. Nun hatte er eine feste Bezugsperson, die nur für ihn ganz alleine da war und zwar immer wenn Tom es brauchte. Und zu ihr konnte er zu jeder Zeit kommen oder bei ihr wohnen. Denn schließlich musste auch er irgendwann seinen Weg gehen und sich etwas von Harry lösen, da dieser zu seinem Gefährten gehörte.

„Die Umwandlung wurde erfolgreich beendet!", brach Meran gerade die Stille und hatte Tom erneut mit einem Diagnose-Zauber belegt. „Vermutlich wissen alle, dass der Elb dazu gekommen ist. Die menschlichen Gene wurden komplett vernichtet. Tom ist ein reines Magisches Wesen und zwar ein Vampir-Elb-Mix.", verkündete der Heiler nun feierlich.

Luzifer konnte es immer noch nicht fassen. Er war Tom so dankbar. Allen war klar, dass nur Toms Umwandlung den Kleinen so schnell zurückgeholt hatte und waren echt froh und dankten Santana und auch Tom dafür.