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Annalena

„Mehr oder weniger. Wir sind uns vor dem Konzert schon begegnet", erklärte Stefan.
„Na dann. Ist das okay, Anna?", wandte sich Mats an mich.
„Klar. Danke für alles, Mats."
„Kein Problem. Bis bald, hoffe ich", erwiderte er.
„Ich hoffe auch." Und das meinte ich wirklich so.
„Dann mal los", hörte ich jetzt Stefan sagen und im nächsten Moment spürte ich seine Hand.
Diesmal zuckte ich nicht zusammen, da ich ja wusste, dass er mir nur half.
„Und, wie war das Konzert?", wollte Stefan wissen. „Also so vom Gefühl her, meine ich."
„Oh, es war super schön. Ich wusste gar nicht, dass Konzerte so ein tolles Gefühl sind", antwortete ich. Es war wirklich so. Obwohl Lara nicht dabei war, ich keinen einzigen Song kannte und zwischendurch kurz verloren war, hatte ich es mehr als genossen. Ich verstand, warum Lara gerne auf Konzerte ging. Auch wenn sie natürlich mehr davon hatte als ich.
„War es dein erstes Konzert von Wincent?", hakte Stefan nach.
„Mein erstes Konzert überhaupt", gab ich zu.
„Wow. Und dann alleine?"
„Meine beste Freundin ist krank geworden", erklärte ich. „Ohne sie wäre ich nicht hier gewesen."
„Ist sie ein Fan?"
„Oh ja. Ein riesen großer. Ich will mir gar nicht erst ausmalen, wie es ihr gerade geht."
„Wollen wir ihr vielleicht eine kurze Nachricht schicken?", schlug er vor.
„Das würdest du machen?"
„Klar."
Ich blieb stehen und holte mein Handy aus der Tasche. Dann ließ ich den Chat mit Lara öffnen und eine Sprachaufnahme starten.
„Hey Lara, das Konzert ist vorbei. Also schon seit einer Weile", erzählte ich ihr. „Ich erzähle dir später alles, aber erst einmal will dich noch jemand grüßen."
Ich hielt mein Handy in Stefans Richtung.
„Moin Lara, Stefan vom Merchstand hier. Es ist super schade, dass du heute nicht dabei sein konntest. Ich wünsche dir auf jeden Fall gute Besserung! Und hoffentlich sehen wir uns mal auf einem Konzert von Wincent."
Ich schickte die Nachricht ab und steckte das Handy wieder weg.
„Hast du noch kurz Zeit?", fragte Stefan mich.
„Ja. Wieso?"
„Pass auf, wir sind noch nicht ganz fertig mit Einpacken. Wie wäre es, wenn wir für dich und Lara noch jeweils ein cooles Shirt raussuchen?"
Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte. Er wollte Lara und mir ein Shirt schenken? Lara würde ausflippen. Also mindestens, wenn ich in Merchandise bei ihr auftauchte.
„Okay", sagte ich, als mir die Pause zu lang erschien. Noch besser konnte der Tag eigentlich nicht mehr werden. Wobei doch, wenn ich Zuhause bei Fritz war und morgen wusste, dass das alles kein Traum war.

Wincent

„Was bitte ist so wichtig, dass man sich nicht einmal um einen besonderen Fan von dir kümmern kann?", fragte Mats, als er endlich im Backstage auftauchte.
Ich schaute ihn nur fragend an.
„Deine Fans werden immer interessanter", fügte er noch hinzu.
„Was?" Ich stand vollkommen auf dem Schlauch.
„Was wolltest du denn jetzt?", kam Mats auf seine Ausgangsfrage zurück und ließ mich bezüglich seiner zweiten Aussage weiter im Dunkeln tappen.
„Feierabendbier. Wie immer."
Mats schüttelte nur den Kopf. „Du hast auch nichts anderes im Kopf, oder? Wird Zeit, dass du endlich eine Freundin hast."
„Schön wär's", erwiderte ich und ging mit ihm zum Kühlschrank. Ich nahm zwei Flaschen Bier heraus und reichte eine davon an Mats weiter.
Er öffnete seine Flasche und ich meine.
„Na dann. Auf einen geilen Abend", sagte er, wir stießen an und tranken einen Schluck.
„Sag mal, wo warst du vorhin eigentlich? Also während der Show, als wir zum Geburtstagskind gegangen sind", wollte ich jetzt endlich wissen.
Mats setzte sich auf einen Stuhl und ich tat es ihm gleich. Die anderen saßen etwas weiter weg zusammen, aber heute störte mich das nicht.
„Ich hab einen deiner Fans gerettet", beantwortete Mats meine Frage.
„Hä?"
„Wenn du durch die Menge gehst, sorgst du immer für ganz schön viel Aufruhr."
„Ja..."
„Während du versucht hast, das Geburtstagskind im Auge zu behalten, hab ich die anderen Fans ja gesehen", begann Mats.
„Hör auf es so spannend zu machen", unterbrach ich ihn.
In diesem Moment kam Nico zu uns.
„Mats, ich soll dir von Stefan ausrichten, dass alles in Ordnung ist. Und ganz liebe Grüße von Anna. Sie hat sich nochmal bedankt", sagte er an Mats gewandt.
Jetzt verstand ich gar nicht mehr.
„Danke", sagte Mats und Nico verschwand wieder.
Ich schaute Mats aufmerksam an. „So, jetzt musst du mir alles erzählen."
„Muss ich?"
„Ja. Oder soll ich Fragen stellen."
„Lieber nicht", meinte Mats direkt. „Na gut, du Neugiernase."
Ich setzte mich bequemer hin, trank einen Schluck Bier und schaute Mats abwartend an.
„Wusstest du, dass du inzwischen auch Fans hast, die dich nicht die ganze Zeit anstarren?", fragte Mats mich.
„Ne", gab ich zu. „Tun das die anderen Fans denn?"
„Oh ja. Und am liebsten wollen dich alle anfassen, wenn du durch die Menge gehst."
„Ja. Das hab ich gemerkt. Aber was...?"
„Warte doch mal", beschwichtigte Mats mich. „Während du schon weitergegangen bist, fiel mir eine junge Frau auf. Also nicht so, wie du jetzt denkst." Er sah mich warnend an. „Sie wirkte ziemlich verloren. Also so richtig. Als hätte sie die Orientierung verloren. Ich bin dann zu ihr und hab sie gefragt, ob ich ihr helfen kann. Erst war sie ziemlich schüchtern, aber schließlich verriet sie mir, dass sie wieder an den FOH musste."
„Moment mal", unterbrach ich ihn. „Was wollte sie da denn?"
„Sie brauchte das Geländer", erklärte Mats und ich hatte noch mehr Fragen. „Das Metall diente ihr zur Orientierung. Durch die Aufruhr in der Menge, die du ausgelöst hast, wurde sie irgendwie von dort weggeschoben und wusste nicht mehr, wo vorne und hinten war."
Ich schwieg nur und versuchte die ganzen Informationen in einen sinnvollen Zusammenhand zu bringen. Leider erfolglos.
Mats schien mir das anzusehen. „Wince, du hast Fans, die dich gar nicht sehen können."
„Okay...", sagte ich langsam und nahm noch einen Schluck Bier. „Und was war jetzt mit Anna?"
„Das war Anna."
„Hä? Anna kann doch..."
„Mensch Wince! Nicht die Anna! Die junge Frau im Publikum hieß Anna. Also eigentlich Annalena, aber sie wollte nur Anna genannt werden."
„Achso. Sag das doch gleich."
„Streng du mal dein Gehirn an", konterte Mats. „Auf jeden Fall hab ich Anna nach dem Konzert dann noch geholfen, nach draußen zu kommen. Zumindest so lange, bis Stefan meinte, dass hier jemand gleich durchdrehte."
„Und was ist jetzt mit Anna?"
„Nichts. Stefan hat sich dann weiter um sie gekümmert und jetzt ist sie wohl auf dem Weg nach Hause."
Ich schwieg und trank mein Bier aus.
„Wincent? Alles okay?", fragte Mats.
„Ja", antwortete ich automatisch. In Wahrheit kreisten meine Gedanken noch immer um Mats Informationen.
„Sicher? Schockiert es dich, dass du Fans hast, die blind sind?"

Bin ich für sie blind? Where stories live. Discover now