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Wincent

Als ich am nächsten Morgen wach wurde, schlief Anna noch mit dem Kopf auf meiner Brust. Einen Arm hatte sie über meinen Oberkörper geschlungen. Lächelnd beobachtete ich meine Freundin und ließ den gestrigen Abend noch einmal Revue passieren. Noch immer konnte ich nicht glauben, was Anna mir zu Weihnachten geschenkt hatte. Es war mehr, als ich mir jemals erträumt hatte. Deutlich mehr.
Mein Handy meldete sich zu Wort und ich angelte danach. Tatsächlich kam ich ganz knapp ran, ohne Anna zu wecken und ohne es auf den Boden zu schmeißen. Eine Nachricht von Mats stand ganz oben auf dem Display. Ich öffnete sie.
»Moin Wince! Nochmal schöne Weihnachten. 🎄🎅 Danke für gestern, es war wunderschön. Richte Anna ganz liebe Grüße aus und drück sie bitte von mir. Eigentlich schreib ich dir nur, weil ich dir mal per Mail einen Link zuschicke. Vielleicht willst du das ja heute oder morgen mit euren Familien anschauen. Anna weiß Bescheid, auch wenn sie vermutlich nur halb so viel damit anfangen kann, wie ihr anderen. 👀 Schöne Feiertage und bis bald! 👊«
So viele Rätsel und vor allem dieser Augen-Emoji machten mich schon wieder fertig. Anscheinend hatten sich dieses Weihnachten alle verschworen, mich mental an den Abgrund zu bringen. Wenn auch auf positive Art und Weise.
Anna schlief noch immer und ich war einfach zu neugierig. Also rief ich übers Handy meine Mails auf und da war tatsächlich eine neue von Mats. Ich ging drauf und meine Neugierde wuchs, denn da stand:
»Moin! Wie gesagt, hier der Link. Und keine Sorge, ich kenne dich ja. Ich verwahre es sicher bis zu eurer Hochzeit. Liebe Grüße von Mats«
Ich klickte auf den Link und ahnte Böses. Mats hatte mir ein Video hochgeladen. Nach einem tiefen Atemzug startete ich es und sofort bekam ich wieder Tränen in den Augen und eine Gänsehaut. Deshalb war Mats gestern da. Also man konnte sagen, was man wollte, aber auf diesen Mann war Verlass. Er hatte Annas Geschenk für mich konserviert und die Kamera wechselte immer von ihr zu mir. Oder besser gesagt zu einem vollkommen aufgelösten 30-jährigen Mann, der auf der Couch saß und neben ihm seine beste Freundin, die beruhigend seinen Rücken streichelte.
Ich schrieb Mats nur kurz ein riesiges ‚Danke' per WhatsApp und legte das Handy dann wieder weg. Mindestens Annas Vater würde ich das Video definitiv zeigen. Er hatte verdient zu wissen, was seine Tochter geschafft hatte. Also, außer mich zum Heulen zu bringen.
Anna neben mir begann sich langsam zu bewegen. Ich strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr und konnte dann meine Finger nicht mehr von ihr lassen. Meine Freundin war einfach so schön. Während Anna langsam wach wurde, wanderte meine Hand über ihre Wange zu ihren Schultern und dann den Rücken hinunter.
„Guten Morgen", murmelte sie leise.
„Guten Morgen, Maus", erwiderte ich. „Gut geschlafen?"
„Ja. Bei dir immer."
Ich musste automatisch lächeln. „Das freut mich sehr. Frühstück?"
„Mhm."
„Kuscheln?", fragte ich grinsend.
Sie antwortete gar nicht, sondern kuschelte sich direkt an mich. Ich legte meine Arme um sie und genoss das Gefühl, ihr so nah zu sein. Es gab einfach nichts Schöneres.
„Mats hat mir übrigens geschrieben", sagte ich irgendwann. „Ihr seid doch absolut verrückt geworden."
Anna lachte leise. „Ich glaube nicht, dass wir das geworden sind."
„Stimmt. Ihr wart es schon immer", erwiderte ich grinsend. „Ich kann das immer noch nicht glauben", gab ich nach einer längeren Pause zu. „Das war das allerschönste Weihnachtsgeschenk, das ich jemals bekommen habe. Ich kann mich nicht oft genug bedanken."
„Musst du auch nicht", erwiderte Anna direkt.
„Du bist unglaublich", murmelte ich und küsste sie aufs Haar.
„Du auch. Ich liebe dich."
„Ich liebe dich auch."

Annalena

Es war einfach ein unbeschreibliches Gefühl. Obwohl wir nun schon einige Zeit ein Paar waren, realisierte ich noch immer nicht ganz, dass Wincent zu mir gehörte. Jeden Morgen freute ich mich, wenn ich neben ihm aufwachte und feststellte, dass es kein Traum war.
Wincent bewegte sich kurz und küsste mich, was ich sofort erwiderte. Ich liebte diesen Mann von ganzem Herzen und das würde immer so bleiben.
Als er den Kuss vorsichtig beenden und aufstehen wollte, legte ich meine Hand in seinen Nacken und zog ihn wieder zu mir. Ich wollte nicht, dass dieser Moment zwischen uns endete.
Er verstand es sofort, denn im nächsten Moment spürte ich, wie die Matratze unter mir etwas nachgab und Wincents Hände lagen an meiner Hüfte. Ich konnte ihm niemals nah genug sein und so genoss ich es sehr, dass er mich zu sich zog. Als seine Hände meine nackte Haut unter dem Shirt berührten, durchströmte mich ein sehr warmes Gefühl.
Ich hatte keine Ahnung, was es war, aber das war egal. Wincent hatte mir schon mehr gezeigt, als ich jemals gedacht hätte. So ließ ich mich einfach darauf ein, wieder etwas zu lernen. Meine Gefühle spielten komplett verrückt, aber das war okay. Ich wusste, dass ich Wincent vertrauen konnte. Daher überließ ich ihm einfach meinen Körper und versuchte die ganzen neuen Empfindungen zu sortieren.
„Anna", murmelte Wincent an meinem Hals.
„Mhm", brachte ich gerade so heraus.
„Du sagst bitte, wenn ich aufhören soll."
„Tu es nicht", bat ich ihn.
„Sicher?"
„Ja." Ich wusste in diesem Moment einfach, dass ich nie mehr gewollt hatte als das.
Wincents Lippen lagen im nächsten Moment wieder auf meinen, aber dieses Mal war es kein ganz so sanfter Kuss mehr.
Kurz überkam mich Panik, da ich absolut nicht wusste, was passieren würde. Sofort wurden Wincents Küsse wieder sanfter und seine Hand wanderte von meinem Bauch wieder zu meiner Hüfte. Dieser Mann war einfach unglaublich.
Leise flüsterte er mir zu, was ich wissen musste und ich entspannte mich komplett. Zumindest solange, wie meine Hormone es zuließen. Als Wincent mir das Shirt ausgezogen hatte und mit den Lippen meinen Oberkörper erkundete, war ich verloren. Mein Gehirn setzte aus und ich versuchte mich irgendwie aufs Atmen zu konzentrieren. Das war gar nicht so einfach, denn die Empfindungen, die Wincent hervorrief, waren absolut überwältigend.
Mein Zeitgefühl verabschiedete sich und ich erfuhr zum allerersten Mal im Leben, was alle Leute in ihren Hörbüchern meinten.

Bin ich für sie blind? Where stories live. Discover now