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Annalena

„Würdest du bitte mal Luft holen?", bat ich Lara.
Sie verschluckte sich offenbar an keine Ahnung was und begann zu husten. Zum Glück beruhigte sie sich schnell wieder.
„Ähm, ja."
„Warum bist du jetzt so ausgeflippt? Alles klar bei dir?"
„Alles gut."
„Aber?"
„Ich hab gerade nur Wincents Profilbild gesehen."
„Und?" Ich wusste überhaupt nicht, worauf Lara hinaus wollte. „Das kennst du doch schon."
„Nein." Lara machte eine bedeutungsvolle Pause. „Er hat es geändert."
„Wann?"
„Ich glaube, heute."
„Und warum bist du so ausgetickt?", wollte ich von meiner besten Freundin wissen.
„Weil ich beim Anblick dieses Bildes einfach einen Zuckerschock bekomme."
„Okay...."
„Ich erzähl es dir. Auf dem Bild sitzt Wincent auf der Couch. Deiner Couch. Hier." Sie sprang auf. „Dort, wo ich gerade saß. Ach du Scheiße."
„Und?"
„Du liegst in seinem Arm und Fritz auf seinem Schoß. Ey, ich wünschte, du könntest das sehen. Oh mein Gott. Das ist noch süßer als Hundewelpen."
Wincent, der olle Schlingel, musste vorhin heimlich ein Foto gemacht haben. Ich war kein großer Fan von Bildern, aber daran musste ich mich scheinbar gewöhnen.
„Komm mal wieder runter, okay?", versuchte ich Lara zu beruhigen. Das hielt doch niemand auf Dauer aus. „Es ist nur ein Bild."
„HALLO?! Nur ein Bild?! Er hat es als Profilbild. Bei WhatsApp. Das sehen alle seine Freunde und seine Familie. Wie soll ich mich denn da bitte beruhigen?"
Ich seufzte. Bei Lara war in manchen Momenten jede Hoffnung verloren.
„Vorschlag: Du geht's schon in die Küche und ich komme gleich, okay?"
„Okay. Aber sag ihm, dass ich ihn einen Kopf kürzer mache, wenn er dir das Herz bricht." Mit diesen Worten ließ Lara mich alleine.
Kopfschüttelnd begann ich die Aufnahme einer Nachricht an Wincent.
„Hey. Danke für deine Nachricht und ich hätte niemals etwas anderes gedacht... Genieß die Zeit mit deinem Produzenten. Und an deiner Pünktlichkeit arbeiten wir wann anders. Ich liebe dich trotzdem. Ach und danke übrigens für den Hörsturz."
Ich schickte die Nachricht ab und ging dann in die Küche. Gemeinsam mit Lara bereitete ich die Lasagne zu und natürlich alberten wir dabei herum. Es tat so gut, mal wieder mit meiner besten Freundin Blödsinn zu machen.
Als plötzlich Wincents Stimme durch die Wohnung schallte, zuckten Lara und ich gleichzeitig zusammen. Zum Glück hatte ich das Messer bereits wenige Sekunden vorher aus der Hand gelegt.
„Sag mir warum träumt man, wenn man schläft und warum kommen beim Lachen manchmal Tränen?"
Ich brauchte bis zum Beginn des Refrains, um zu checken, dass mich jemand anrief.

Fritz

Mensch, Frauchen! Nun komm schon. Das olle Ding vibriert so doof auf den Tisch. Aber die Musik war gut. Könntest du das Vibrieren ausmachen? Bitte?
Alles musste man hier selber machen!
Ich lief in die Küche und stupste mein Frauchen an. Doch sie checkte das gar nicht. Dabei war sie sonst so schlau.
„Bin gleich wieder da", sagte Anna und lief endlich ins Wohnzimmer.
Wurde aber auch Zeit!
Ich folgte ihr natürlich. Ganz artig setzte ich mich neben sie und wartete ab.
„Ja?... Hey... Alles gut in Bayern?... Das klingt doch gut... Der was?... Achso. Hörsturz. Den habe ich dank dir und Lara..."
Mit wem redete sie denn da? Und warum hielt sie dieses olle Ding ans Ohr? Komisch. Anna war doch sonst ganz normal.
„Ich stell mal kurz auf laut, okay?"
Jetzt legte sie das Ding wieder auf den Tisch. Was war denn nun los? Huch! Das konnte ja reden. Hilfe! Moment mal... Das war doch...
„Jetzt. Wie war es?", wollte Anna wissen.
„Sehr cool. Aber auch seltsam mal dort zu sein, ohne arbeiten zu müssen."
Ja! Eindeutig! Wo kam Wincent denn auf einmal her? Und wieso sah ich den nicht? Hallo?! Huhu! Hilfe, ich sah schon Gespenster.
Ich streckte meine Nase in Richtung von Wincents Stimme, stieß aber nur auf Metall. So ein Scheiß! Verarschung!
Empört bellte ich. Da führten die mich einfach an der Nase herum. Das konnte ja wohl nicht wahr sein!
„Wollte da noch jemand mitreden?", kam es lachend von Wincent.
Jetzt lachte der mich auch noch aus!
Ich bellte wieder. Das gab es ja wohl nicht.
„Ich glaube, wir haben ihn verwirrt", sagte Anna.
Ich hingegen untersuchte weiterhin, wie ich zu Wincent kam. Es musste doch einen Weg geben. Ich schnupperte nochmal an dem komischen Metall-Dings. Ups! Das hat gepoltert.
„Anna? Alles okay?", kam es von Wincent.
Huch! Wieso redete der plötzlich von unten?
„Ja", mischte sich Lara ein.
Die war ja auch noch da.
Lara lachte.
Hoffentlich nicht über mich.
„Fritz hat dich nur vom Couchtisch geschubst, keine Sorge", erklärte Lara.
Moment! Ich? Ich hatte gar nichts gemacht. Unterstellung!
Wincent lachte nun auch, genau wie Anna, und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sich alle auf meine Kosten amüsierten. Gut fand ich das nicht, deshalb zog ich mich in mein Körbchen zurück. Ich wollte doch nur, dass Wincent kam. War das zu viel verlangt?
Ich hörte den anderen gar nicht mehr zu. Stattdessen schloss ich meine Augen und döste vor mich hin. Vielleicht war er ja dann schnell wieder da.
„Fritz!"
Da! Mein Frauchen rief!
Schnell stand ich aus dem Körbchen auf und lief in die Küche. Dort roch es auf jeden Fall super.
„Zeit für unsere Gassirunde."
Nö. Das wollte ich heute nicht. Warum auch? Mit Wincent war das viel cooler.
„Komm. Auf geht's!"
Ich bellte nur einmal und hoffte, dass es nachdrücklich genug war. Ich wollte nicht raus. Wobei... ich musste vielleicht doch. Und danach gab es Abendessen. Also doch fix raus.
Ich lief schon in den Flur und wartete ungeduldig auf mein Frauchen.
Zum Glück liefen wir die Strecke, die Wincent uns gezeigt hatte. Die mochte ich nämlich viel lieber. Leider fing es an zu regnen, was ich echt uncool fand. Wieder zurück in der Wohnung, verkroch ich mich wieder ins Körbchen und ließ mein Fell trocknen. Das war ja kein Zustand.
Abendessen gab es natürlich auch. Bildete ich mir das nur ein oder hatte Wincent immer mehr in den Napf gefüllt? Wurde Zeit, dass er zurück kam.
Ich aß alles bis auf den letzten Krümel leer und dann war höchste Zeit für ein Verdauungsschläfchen. Anna und Lara kamen schon ohne mich zurecht.
Ich konnte solange entspannen, bis es an der Tür klingelte. Fix sprang ich auf und lief bellend in den Flur. Konnte mal endlich jemand die Tür öffnen?

Bin ich für sie blind? Where stories live. Discover now